Amazon löscht gekaufte eBooks von Kunden-Readern

Einen PR-Super­gau ers­ter Güte hat sich der Online­ver­käu­fer Ama­zon geleis­tet, als er ges­tern ohne Hin­weis oder Rück­fra­ge legal erwor­be­ne eBooks von den Kind­les sei­ner Kun­den gelöscht hat. Betrof­fen waren aus­ge­rech­net Orwells´ 1984 und ANIMAL FARM.

Laut Ama­zon waren die Bücher von einer Fir­ma namens Mobi­le­Re­fe­rence in den Kind­le-Store ein­ge­stellt wor­den, die­se besaß aber angeb­lich nicht die dazu nöti­gen Rech­te. Nach Hin­wei­sen des tat­säch­li­chen Rech­te­inha­bers Houghton Miff­lin Har­court habe man dar­auf­hin die Syn­chro­ni­sa­ti­ons­funk­ti­on des Kind­le genutzt, um die bereits erwor­be­nen Bücher von den Gerä­ten der Kun­den zu löschen, der Ver­kaufs­preis wur­de erstattet.

Bei Ama­zon hat man inzwi­schen wohl die Trag­wei­te die­ser Akti­on begrif­fen. Im Netz hagelt es Kom­men­ta­re wüten­der Kun­den und in der Blo­go­sphä­re ent­lädt sich Häme über dem Online-Ver­sen­der. Gegen­über der New York Times beeil­te man sich zu beteu­ern, dass man künf­tig auf sol­che Löschun­gen ver­zich­ten wer­de. Ama­zon ver­mark­tet eBooks als Ent­spre­chung zu gedruck­ten Büchern, die­se unter­schei­den sich nur durch das Trä­ger­me­di­um – schließ­lich wür­de ein Händ­ler auch nicht mit einer Brech­stan­ge in die Häu­ser der Kun­den ein­drin­gen, um die ver­kauf­ten Exem­pla­re eines ille­gal her­ge­stell­ten Buches wie­der ein­zu­sam­meln. Wei­ter­hin ist frag­lich, ob Ama­zon über­haupt das Recht zu die­ser Löschung hat­te, denn immer­hin gewäh­ren die Kind­le-AGBs ein dau­er­haf­tes Nutzungsrecht.

Hier tritt deut­lich zuta­ge: Auf kei­nen Fall einen pro­prie­tä­ren eBook-Rea­der einer Ein­zel­fir­ma, die sich weit­ge­hen­de Rech­te auf dem Gerät ein­räumt! Der ursprüng­li­che Feh­ler – die Bücher ohne Ein­ho­len der tat­säch­li­chen Urhe­ber­rechts­la­ge in ihren Shop zu set­zen – liegt ein­deu­tig beim Online-Markt­füh­rer. Für mich ist die Wahr­schein­lich­keit einen Kind­le zu kau­fen soeben dau­er­haft auf Null gesun­ken. Ama­zon, set­zen, sechs!

Edit: Für mich stellt sich hier wei­ter­hin die Fra­ge: Wie umfang­reich sind Ama­zons Zugriffs­mög­lich­kei­ten auf den Kind­le? Wenn ich pri­va­te oder geschäft­li­che Unter­la­gen auf das Gerät kopie­re, um die­se unter­wegs zu lesen, hat Ama­zon poten­ti­ell Zugriff dar­auf? Ich ver­mu­te, die­ser Miss­griff wird wei­te­re Krei­se zie­hen, als man momen­tan erah­nen kann. Wel­che Iro­nie, dass es sich bei einem der Bücher aus­ge­rech­net um 1984 handelt…

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

11 Kommentare for “Amazon löscht gekaufte eBooks von Kunden-Readern”

Konrad Wolfram

sagt:

Mal ehr­lich, gera­de habe ich eine Hand auf einem Buch (ja, das mit den Papier­sei­ten mit Umschlag) und ein zuge­ge­ben hämi­sches Grin­sen im Gesicht. Ich weiß zumin­dest nun einen Grund mehr, von eBooks die Fin­ger zu las­sen! Die Ver­fech­ter von Kind­le und Co. mögen mich zwar mil­de belä­cheln, aber bei mir wird da nix gelöscht ohne mich zu fragen.

Stefan Holzhauer

sagt:

Es ent­zieht sich aller­dings mei­nem Ver­ständ­nis, was das aus­sa­gen soll. Das Pro­blem ist nicht mal ansatz­wei­se das For­mat eBook, son­dern die von Ama­zon gefah­re­ne Gerä­te- und DRM-Poli­tik. War­um das jetzt ein Argu­ment gegen eBooks ist, musst Du mir mal detail­liert erläu­tern. Wenn Du Dei­ne Bücher im Kel­ler lagerst und der säuft bei einem der momen­tan ja ange­sag­ten Wol­ken­brü­che ab, sind die Bücher dau­er­haf­ter über dem Jor­dan, als wenn man sie dezen­tra­li­siert in elek­tro­ni­scher Form archi­viert hat.

Dass es nun Ama­zon und in der Form das eBook getrof­fen hat, ist eher Zufall, das Pro­blem besteht exakt so auch bei Musik und Com­pu­ter­spie­len. Es ist nicht ziel­füh­rend, gegen das For­mat zu wet­tern, viel­mehr soll­te man sei­ne Kri­tik gegen DRM all­ge­mein richten.

Ich bin aber gegen­über einer sach­li­chen und inhalt­lich begrün­de­ten Argu­men­ta­ti­on gegen das For­mat eBook durch­aus offen…

Konrad Wolfram

sagt:

Na ja, mei­ne Bücher lagern nicht im Kel­ler, aber egal. Im Grun­de ist auch die Idee der eBooks nicht schlecht und hat sei­ne Vor­tei­le, aber sagen wir es mal so, Das gan­ze ist für den »Kun­den« nicht sicher wie es die­ses Bei­spiel mit den Löschun­gen zeigt! Und genau da hat­te ich mei­ne Bauch­schmer­zen die sich anhand die­ser Mel­dung nun mehr als bestä­tigt hat. So sehe ich mich dar­in bestä­tigt, nicht gleich auf ein neu­es Medi­um auf­zu­sprin­gen nur weil es Vor­tei­le ver­spricht, son­dern es dann zu nut­zen, wenn ich als Kun­de voll­stän­di­ge Sicher­heit habe das da nie­mand von außen etwas löscht oder gar auf pri­va­te Unter­la­gen mei­ner­seits zugrei­fen kann! Mein hämi­sches Grin­sen bezog sich dem­zu­fol­ge auch eher auf man­che Blau­äu­gig­keit hin­sicht­lich der elek­tro­ni­schen Medi­en und einem unsäg­li­chen Gott­ver­trau­en hin­sicht­lich sei­ner Sicher­heit. Ist mei­ne Sicher­heit als Kun­de nach­weis­bar garan­tiert, ist gegen das For­mat eBook nichts zu sagen (wenn denn auch der Preis stimmt).

Stefan Holzhauer

sagt:

Was ist denn »das gan­ze«? Kon­kret ist es für Ama­zon-Kun­den offen­bar im Moment nicht sicher. Man soll­te als Kun­de eine gewis­se Grund­in­tel­li­genz besit­zen und aus sol­chen Vor­fäl­len sei­ne Schlüs­se zie­hen. Das grund­sätz­li­che Pro­blem ist Ama­zon, das noch viel grund­sätz­li­che­re Pro­blem ist DRM. Kein DRM kein Pro­blem. Es wird Dir als Kun­den aber garan­tiert nie­mand Sicher­heit »garan­tie­ren«. Ganz im Gegen­teil. Du musst als Kun­de also selbst für Sicher­heit sor­gen, indem Du sol­che Anbie­ter nicht unter­stützt. Geschenkt bekommst Du von Wirt­schafts­un­ter­neh­men näm­lich nichts. Das bedeu­tet im Klar­text: eBooks und ande­re elek­tro­ni­sche Medi­en nur ohne DRM erwer­ben und genau hin­se­hen, wel­che AGBs man unter­schreibt. Ansons­ten auf nicht-pro­prie­tä­re Soft- und Hard­ware zurückgreifen.

Das soll­te man aus dem Vor­fall ler­nen, nicht irgend­ei­ne nicht vor­han­de­ne (und nie vor­han­de­ne) Sicher­heit für Kun­den fordern.

Der Vor­fall wird Ama­zon eine Men­ge Ruf kos­ten, ich hof­fe, dass ande­re Her­stel­ler jetzt reagie­ren und damit kon­kret wer­ben, dass sie es anders machen.

Ich kann auch kei­ne »Blau­äu­gig­keit« oder »Gott­ver­trau­en« gegen­über dem elek­tro­ni­schen Medi­um fest­stel­len. Das Medi­um funk­tio­niert. Wer sich Sicher­heits­ko­pien ange­legt hat­te, ver­fügt noch über das Buch. Bei elek­tro­ni­schen Medi­en hilft auch kein »Gott­ver­trau­en«, da muss man schon selbst tätig wer­den, damit die Datei­en nicht irgend­wann weg sind – aus wel­chen Grün­den auch immer. Hält man sol­che Vor­sichts­maß­nah­men ein, ist auch an der »Sicher­heit« des elek­tro­ni­schen Medi­ums nichts zu mäkeln. Den Ölstand beim Auto musst Du auch selbst kontrollieren…

Hier also eine gene­rel­le »Unsi­cher­heit« des Medi­ums kon­stru­ie­ren zu wol­len, hal­te ich für mehr als fragwürdig…

Bettina

sagt:

Ich fin­de die Tat­sa­che »geni­al«, dass Ama­zon offen­bar dazu in der Lage ist, auch nach lega­lem Erwerb der Gerä­te und Bücher Zugriff auf bei­des zu haben.
Weit davon ent­fernt neu­ro­tisch und ver­fol­gungs­wahn-geplagt zu sein, ist die­ser Vor­fall für mich DAS Argu­ment gegen ein sol­ches Medium.

Stefan Holzhauer

sagt:

Ich wie­der­ho­le mich: Es ist in keins­ter Wei­se das Medi­um an sich. Das Pro­blem ist Ama­zon mit sei­nem eige­nen Rea­der und pro­prie­tä­ren, nicht offen­ge­leg­ten Protokollen.

Und wenn Du tat­säch­lich die so von Dir ange­deu­te­ten Sor­gen hegst, soll­test Du Dei­nen Com­pu­ter sofort aus- und nie wie­der einschalten…

Bettina

sagt:

Ich weiß, Ste­fan, es geht auch nicht um das Medium.
Wie du schreibst, ist das Pro­blem hier wohl Amazon.

sagt:

Eine Fra­ge von jeman­den, der noch nie über Ama­zon Buch­ti­tel abge­ru­fen hat: wenn wir über Ama­zon Musik­ti­tel im MP3-For­mat kau­fen, wird das gute Stück stan­dard­ge­mäß in dem Ord­ner »Eige­ne Musik« abge­spei­chert. Das hie­ße also, Ama­zon könn­te hier qua­si auch ein­fach auf unse­re Fest­plat­te zugrei­fen und den Titel dort löschen?

Zum ande­ren: wir machen davon sofort eine »Sicher­heits­ko­pie« auf einen ande­ren Rech­ner bzw. ande­res Lauf­werk. Damit kann Ama­zon vom Ursprungs-Spei­cher­ort (also Ord­ner Eige­ne Musik) so viel löschen wie sie wol­len, wir haben den Musik­ti­tel wei­ter­hin. Ist das mit den digi­ta­len Büchern nicht auch so möglich?

Abge­se­hen davon, dass es sich wahr­lich nicht gehört, ein­fach auf frem­de Fest­plat­ten zuzu­grei­fen und Datei­en zu löschen. Eine wei­ter­hin uner­hör­te Sache!

Stefan Holzhauer

sagt:

Nein, das Pro­blem ergibt sich so bei Musik nicht. Zum ers­ten ist die Musik bei Ama­zon DRM-frei, zum ande­ren ist der Cli­ent kein pro­prie­tä­res Gerät, son­dern Dein PC, über den Du (noch) wei­test­ge­hen­de Kon­trol­le besitzt.

Es wäre zu prü­fen, ob Ama­zon – die Dich ja einen Down­load-Cli­ent nut­zen las­sen, um die Musik her­un­ter zu laden – sich bei die­sem Down­load-Cli­ent eine Hin­ter­tür offen gehal­ten hat. Solan­ge man die Datei­en aber an eine ande­re Stel­le sichert, kann nix pas­sie­ren. Ama­zon soll­te (und wird) sich auch hüten, auf Dei­nem PC wahl­los Datei­en zu löschen, da das ein­deu­tig gegen gel­ten­des deut­sches Recht verstößt.

Das Pro­blem ergibt sich beim Kind­le auf­grund der Infra­struk­tur – also der Anbin­dung des Kind­le über Whis­per­net und der Tat­sa­che, dass Ama­zon sich selbst die­sen Zugriff ein­ge­räumt hat. Es ist also das Zusam­men­spiel aus Ama­zon-eige­nem Gerät, Ama­zon-eige­ner Soft­ware und dem always-on-Modus des Whispernet.

sagt:

Dan­ke, Ste­fan, für Dei­ne jetzt auch für mich nach­voll­zieh­ba­re Erklärung.
Das Ver­trau­en der Ama­zon-Kun­den ist auf jeden Fall in die­ser Hin­sicht erst mal für lan­ge Zeit gestört (zer­stört?).

sagt:

[…] Man soll­te sich dar­über im Kla­ren sein, dass es sich bei den Kind­le-eBooks um ein pro­prie­tä­res For­mat han­delt, das man nicht auf an­de­ren Le­se­ge­rä­ten nut­zen kann, wei­ter­hin hat Ama­zon Zu­griff auf die Da­ten auf dem Ge­rät und könn­te er­wor­bene Bü­cher lö­schen, wenn es da­mit bei­spiels­weise Rech­te­pro­bleme gibt, das ist so auch im Jahr 2009 be­reits geschehen. […]

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