Warum Streamingdienste nicht mehr die Lösung, sondern das Problem sind – am Beispiel Disney+
Nachdem Netflix und auch Amazon Video in der Vergangenheit erhebliche Erfolge und Umsätze aufweisen konnten, wurden die US-Studios unruhig. Statt den Kuchen zwei Anbietern zu überlassen, wollte jeder und sein Hund einen eigenen Streamingdienst auf den Markt bringen. Der einzige Grund hierfür ist natürlich, um die monatlichen Abokosten direkt den Kassen der eigenen Aktionäre hinzufügen zu können. Dass das nicht gut gehen kann, weil Zuschauerinnen eben nicht bereits sind, für zehn Streamingdienste extra zu zahlen, hätten auch Personen mit Neuronalinsuffizienz vorhersehen können. Das hinderte die raffgierigen Chefs der Studios allerdings nicht daran, das trotzdem durchzuziehen, so dass wir jetzt Unmengen an Kohle ausgeben müssten, um alles Interessante sehen zu können.
Die Konsequenz daraus ist so logisch wie vorhersehbar: Unbezahlte Downloads von Filmen und Fernsehserien nehmen wieder zu. Wenn man den Nutzern aus reiner Raffgier faire und bezahlbare Lösungen nimmt, such die halt andere Wege.
Eigentlich geht es in diesem Text aber um ein ganz anderes Problem:
Disney+ hatte eine WILLOW-Fernsehserie produziert, in der Warwick Davis die Rolle des Nelwyn-Magiers aus dem Kultfilm von George Lucas und Ron Howard (1988) erneut übernahm. ich möchte an dieser Stelle auch gar nicht über die Qualität der Show diskutieren, die liegt wie immer im Auge der Betrachterin. Die Serie lief Ende 2022, Anfang 2023 beim Streamingdienst, das ist also noch gar nicht so lange her.
Wer sie sich allerdings nochmal – oder zum ersten Mal – ansehen möchte, kann das nicht mehr tun, denn Disney hat sie von Disney+ entfernt. Der Grund war nicht etwa schlechte Kritiken, oder kein Platz auf den Servern, sondern: Steuerabschreibung.
Ebenfalls entfernt wurden TURNER & HOOCH, THE MYSTERIOUS BENEDICT SOCIETY und THE WORLD ACCORDING TO JEFF GOLDBLUM. Da Disney damit 1.5 bis 1.8 Milliarden US-Dollar Steuern sparen möchte, ist nicht damit zu rechnen, dass wir die Serien jemals wieder zu sehen bekommen werden, denn das würde US-Steuerrecht widersprechen.
Warwick Davis hat eine klare Meinung zum Löschen von WILLOW und äußerte diese auch auf Xitter. Das dürfte Bob Iger allerdings nicht jucken.
Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass das bei allen Streamingdiensten jederzeit passieren kann: Produktionen werden sang- und klanglos entfernt, obwohl man vielleicht mit seinen Abogebühren genau dafür bezahlt hat, um diesen Content zu sehen.
Alternativen gibt es nicht, man kann sich die Serie noch nicht mal auf BluRay kaufen, da sie in diesem Format nicht existiert (es kann natürlich sein, dass Disney sie auf Konserve herausbringt, um damit nochmal zu kassieren).
Man muss sich also als Streamingnutzer deutlich bewusst sein, dass die Inhalte, die man mit seinen Abogebühren bezahlt hat, von heute auf morgen verschwinden können. Ohne jede Aussicht, sie jemals wieder zu sehen und ohne jegliche Kompensation für die Abokosten.
Die einzige Chance, an die WILLOW-Serie heranzukommen, wäre sie aus einer Tauschbörse zu saugen, was nach derzeitiger Rechtslage zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte, wenn man sich dabei erwischen lässt (Update: wobei die EU-Rechtsprechung zu nicht verfügbaren Werken hier sicher noch sehr interessant werden dürfte. Ich gehe davon aus, dass Disney solchen Content auf BluRay verfügbar machen wird, um hier Archivierungsrechte durch Kulturerbe-Einrichtungen zu umgehen).
Wenn die Streaminganbieter eine Möglichkeit suchen, die Kunden nachhaltig gegen sich aufzubringen, sind sie auf genau dem richtigen Weg. Der Anstieg der Downloadzahlen in den P2P-Netzwerken sollte den Verantwortlichen zu denken geben. Da die allerdings ohnehin nur Dollarzeichen in den Augen haben, dürfte es sehr interessant werden zu beobachten, wie sich dieser Markt in den nächsten Jahren entwickeln wird.
Wie dumm muss man sein, nachdem sich gezeigt hat, dass die Nutzerinnen bereit sind, für legale Inhalte zu fairen Preisen zu bezahlen, diese dann mit solchen Aktionen und mit immer neuen Extrakosten zu verprellen, so dass sie sich wieder der Piraterie zuwenden?
Enshittification überall.
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