Rechtlich bedenklich: Der Plagiatspranger auf Facebook
Jetzt mag man fragen, wo denn der Unterschied zu beispielsweise einem Guttenplag ist, auf dem die Plagiate von zu Guttenberg offengelegt wurden. Da gibt es diverse: Erstens war das Guttenplag (und sind ähnliche Angebote) öffentlich und transparent, sprich: man kann das Zusammentragen der inkriminierten Stellen durch die verwendete Wikisoftware und deren Versionierung nachverfolgen. Zweitens kann man sie als journalistische Angebote einstufen, die deswegen auch über ein Impressum verfügen, und sich der Sachlichkeit verpflichten. Drittens geht es dabei um Personen von zeitgeschichtlicher Relevanz, das ist bei eher unbekannten AutorInnen ganz sicher nicht der Fall. Viertens wird auf solchen Angeboten nicht lamentierend der Untergang des Abendlandes beschworen, denn das ist das genaue Gegenteil von sachlicher und objektiver Auseinandersetzung mit dem Thema.
Interessant sind die Reaktionen, wenn man die Handlungsweise der Plagiatsjäger auf Facebook kritisch hinterfragt und auf die existierenden rechtlichen Probleme und die Bedenklichkeit hinweist. Die kann man mit Fug und Recht als agressiv, ja geradezu »giftig« bezeichnen. Wenn man solche kritischen Fragen äußert, wird einem sogar umgehend unterstellt, dass man ja wohl selbst Dreck am Stecken haben müsse, wenn und weil man die Plagiatoren »in Schutz nehme«. Alternativ wird vermutet, dass man sich mit der geäußerten Kritik nur wichtig machen möchte, oder eine »Hexenjagd« auf die Plagiatssucher eröffnen wolle. Man muss sich fragen, warum die Reaktionen auf kritische Fragen oder Hinweise auf mögliche rechtliche Probleme mit diesem »Facebook-Pranger« so extrem ausfallen. Es ist zudem festzustellen, dass Personen sich regelrecht mit der »Aufdeckung« solcher Fälle schmücken, sich als vermeintliche Helden feiern lassen und dabei wortreich darauf hinweisen, wie »schrecklich« das alles sei, und wie sehr es dem Ansehen der Zunft schade – und man das deswegen offenlegen müsse. Man geriert sich also auch noch als Held.
Es existiert offensichtlich keinerlei selbstkritische Einsicht und auch kein Unrechtsbewusstsein, wenn Dritte an den Internet-Pranger gestellt und deren Persönlichkeitsrechte dabei grundlegend verletzt werden. Eine tatsächliche zivil- oder strafrechtlich relevante Tat ist dabei übrigens ebenso irrelevant, wie eine eventuell stattgefundene Selbstbezichtigung der Person.
Und das gilt ausnahmslos. Ein unsachlicher Internetpranger ist immer ein Verstoß gegen die Achtung der Menschenwürde und eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte sowie ein eklatanter Verstoß gegen die Unschuldvermutung, eine der Säulen unserer zivilisierten Gesellschaft. Rechtsanwalt Karsten Gulden führt in seinem Artikel eindeutig aus:
Sind Internetpranger immer unzulässig?
Ja, denn der Zweck heiligt nicht die Mittel. Ein Pranger im Internet verstößt immer gegen die Achtung der Menschenwürde, egal, was der oder die Verantwortlichen mit dem Pranger bezwecken.
Was man selbstverständlich darf und auch tun sollte, ist erlangte Informationen an Geschädigte weitergeben, also beispielsweise den plagiierten Autor oder dessen Verlag – und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Alles andere ist vermutlich rechtswidrig, egal mit welchen schöngeredeten Begründungen die Plagiatsjäger die Öffentlichmachung auch verteidigen wollen. Und damit werden sie möglicherweise selbst zivilrechtlich belangbar und setzen sich der Gefahr mindestens einer Schadensersatzforderung aus. Mit Meinungsfreiheit hat das alles übrigens am allerwenigsten zu tun.
Disclaimer: Ich bin kein Anwalt. Aber man kann sich die verlinkten Artikel ansehen, die meine Meinung unterstützen, oder auch mal eine Suchmaschine der eigenen Wahl bemühen.
Bild von mir, CC0