Wie erwartet überschlagen sich in Schland alle. Ein »deutscher Film« hat bei der 75. Verleihung der Oscars in der letzten Nacht im Dolby Theatre gleich mehrere der begehrten Goldmännchen abgegriffen. Es wird beschworen, dass der deutsche Film eben doch was kann, auch international. Völlig vergessen die Tatsache, dass der von Netflix produzierte IM WESTEN NICHTS NEUES (ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT) bei seinem Erscheinen auf dem Streamingdienst von Kritikern und Feuilleton verrissen wurde. »Hat nichts mit dem Buch zu tun« war einer der Kritikpunkte. Denn die Profikritiker waren sich einig, was von einem US-Streamingdienst produziert wird, kann ja nichts sein, erst recht nicht, wenn er hollywoodartig inszeniert wurde, statt schlandisch hölzern.
Tatsächlich handelt es sich bei dem angeblich so deutschen Film auch um eine internationale Produktion und tatsächlich musste erst Netflix kommen, um so einen Erfolg zu ermöglichen, der sicherlich darauf beruht, dass IM WESTEN NICHTS NEUES während der Realisierung die engen Ketten und verfilzten, konservativen Strukturen deutscher Spielfilmproduktionen abwerfen konnte, die sonst die meisten hiesigen Filme in die erfolglose bis lächerliche Ecke drängen. Und dennoch: Es gibt ja scheinbar nur zwei Sorten deutsche Filme: Vergangenheitsbewältigung über einen der beiden Weltkriege, oder dümmliche Komödien mit Schweighöfer oder Schweiger.
Trotzdem freue ich mich für Regisseur, Schauspieler°Innen und Produktionsteam, insbesondere Musik und visuelle Effekte, die zeigen, dass deutsche Produktionen international bestehen können. IM WESTEN NICHTS NEUES erhielt insgesamt vier Oscars.
Dass das jetzt der Durchbruch für Filmproduktionen aus Deutschland sein soll, und dass deutsche Filme nun (endlich) besser werden, wie manche Medien beinahe euphorisch berichten (übrigens auch solche, die den Streifen bei Erscheinen verrissen hatten), daran glaube ich persönlich nicht, denn dafür müsste sich die Produktionslandschaft im vorgeblichen Land der Dichter und Denker grundlegend ändern, aber die Beharrungskräfte sind viel zu hoch und der Filz viel zu dicht. Ich gehe davon aus, dass auch in Zukunft internationale deutsche Erfolge aus den Streamingdiensten kommen werden.
Ich freue mich aber auch sehr darüber, dass der andere große Gewinner EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE aus dem Bereich Phantastik kommt, denn der hat unter anderem den Oscar für den besten Film verliehen bekommen. Das Bonmot am Rande zu diesem Streifen ist natürlich, dass deutsche Verleiher es noch nicht einmal für nötig hielten, den in den Kinos zu zeigen und er nur vereinzelt in Programmkinos lief, auch das ein Hinweis auf den Zustand der deutschen Kinolandschaft. Insgesamt gingen an EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE sieben Goldmännchen.
Nicht ganz unerwartet verlieh man den Oscar für die besten visuellen Effekte an AVATAR – THE WAY OF WATER und das halte ich ob der bahnbrechenden neuen Techniken im Bereich VFX auch für gerechtfertigt. BLACK PANTHER – WAKANDA FOREVER konnte mit einer Auszeichnung für das beste Kostümdesign nach Hause gehen.
Im folgenden die Liste der Nominierten, die jeweiligen Gewinner sind fett hervorgehoben.
BEST PICTURE
Everything Everywhere All at Once
The Fabelmans
The Banshees of Inisherin
Top Gun: Maverick
Tár
Elvis
Avatar: The Way of Water
All Quiet on the Western Front
Triangle of Sadness
Women Talking
BEST DIRECTOR
Daniel Kwan and Daniel Scheinert — Everything Everywhere All at Once
Steven Spielberg — The Fabelmans
Martin McDonagh — The Banshees of Inisherin
Todd Field — Tár
Ruben Östlund — Triangle of Sadness
BEST ACTOR
Brendan Fraser — The Whale
Colin Farrell — The Banshees of Inisherin
Austin Butler — Elvis
Paul Mescal — Aftersun
Bill Nighy — Living
BEST ACTRESS
Cate Blanchett — Tár
Michelle Yeoh — Everything Everywhere All at Once
Ana de Armas — Blonde
Andrea Riseborough — To Leslie
Michelle Williams — The Fabelmans
BEST ANIMATED FEATURE FILM
Guillermo del Toro’s Pinocchio
Turning Red
Marcel the Shell with Shoes On
Puss in Boots: The Last Wish
The Sea Beast
BEST SUPPORTING ACTOR
Ke Huy Quan — Everything Everywhere All at Once
Brendan Gleeson — The Banshees of Inisherin
Barry Keoghan — The Banshees of Inisherin
Brian Tyree Henry — Causeway
Judd Hirsch — The Fabelmans
BEST SUPPORTING ACTRESS
Angela Bassett — Black Panther: Wakanda Forever
Kerry Condon — The Banshees of Inisherin
Jamie Lee Curtis — Everything Everywhere All at Once
Hong Chau — The Whale
Stephanie Hsu — Everything Everywhere All at Once
BEST DOCUMENTARY FEATURE
All the Beauty and the Bloodshed
All That Breathes
Fire of Love
Navalny
A House Made of Splinters
BEST LIVE ACTION SHORT FILM
Le Pupille
An Irish Goodbye
The Red Suitcase
Ivalu
Night Ride
BEST CINEMATOGRAPHY
All Quiet on the Western Front
Empire of Light
Bardo, False Chronicle of a Handful of Truths
Elvis
Tár
BEST MAKEUP AND HAIRSTYLING
The Whale
Elvis
The Batman
All Quiet on the Western Front
Black Panther: Wakanda Forever
BEST COSTUME DESIGN
Black Panther: Wakanda Forever
Elvis
Babylon
Everything Everywhere All at Once
Mrs. Harris Goes to Paris
BEST INTERNATIONAL FEATURE FILM
All Quiet on the Western Front
Argentina, 1985
Close
The Quiet Girl
EO
BEST DOCUMENTARY SHORT SUBJECT
The Elephant Whisperers
How Do You Measure a Year?
Haulout
The Martha Mitchell Effect
Stranger At the Gate
BEST ANIMATED SHORT FILM
The Boy, the Mole, the Fox, and the Horse
The Flying Sailor
My Year of Dicks
Ice Merchants
An Ostrich Told Me the World Is Fake and I Think I Believe It
BEST PRODUCTION DESIGN
Babylon
Avatar: The Way of Water
Elvis
All Quiet on the Western Front
The Fabelmans
BEST ORIGINAL SCORE
Babylon
The Fabelmans
The Banshees of Inisherin
All Quiet on the Western Front
Everything Everywhere All at Once
BEST VISUAL EFFECTS
Avatar: The Way of Water
Top Gun: Maverick
The Batman
All Quiet on the Western Front
Black Panther: Wakanda Forever
BEST ORIGINAL SCREENPLAY
Everything Everywhere All at Once
The Banshees of Inisherin
The Fabelmans
Tár
Triangle of Sadness
BEST ADAPTED SCREENPLAY
Women Talking
All Quiet on the Western Front
Living
Glass Onion: A Knives Out Mystery
Top Gun: Maverick
BEST SOUND
Top Gun: Maverick
Avatar: The Way of Water
Elvis
All Quiet on the Western Front
The Batman
BEST ORIGINAL SONG
“Naatu Naatu” — RRR
“Lift Me Up” — Black Panther: Wakanda Forever
“Hold My Hand” — Top Gun: Maverick
“Applause” — Tell It Like a Woman
“This Is a Life” — Everything Everywhere All At Once
BEST FILM EDITING
Top Gun: Maverick
Everything Everywhere All at Once
Elvis
The Banshees of Inisherin
Tár
EHRENOSCARS
- Euzhan Palcy – französische Filmregisseurin, Drehbuchautorin und Filmproduzentin
- Diane Warren – US-amerikanische Songwriterin (erhielt zwischen 1988 und 2022 dreizehn Nominierungen in der Kategorie Bester Filmsong, ohne den Preis je zu gewinnen)
- Peter Weir – australischer Filmregisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent (erhielt zwischen 1986 und 2004 sechs Nominierungen in den Kategorien Bester Film, Beste Regie und Bestes Originaldrehbuch, ohne den Preis je zu erhalten)
Zudem wurde dem US-amerikanischen Schauspieler Michael J. Fox der Jean Hersholt Humanitarian Award verliehen.
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