Zuerst einmal ist an dieser Stelle der deutschen Marketing-Abteilung der Walt Disney Studios Motion Pictures ein herzlicher Dank auszusprechen, die dem Volke im Titel nicht nur die »2« schenken, nein, sie übersetzen auch noch das amerikanische »World« mit »Kingdom« ins Deutsche. Ich frage nicht, warum.
Die erste Phase kulminierte in einem furiosen Action-Spektakel, das zu Recht zum besten Superheldenfilm avancierte, den das Popcorn-Kino erleben durfte. THE AVENGERS war nicht einfach nur spektakuläres Kino, sondern eines der ausgewogensten, am besten durchdachtesten, und schlüssigsten Mainstream-Produkte seit langem, und noch lange Zeit danach. Und wer WATCHMEN immer noch für besser hält, der soll sich vor Augen halten, dass dieser nicht als Popcorn-Mainstream konzipiert war. THE AVENGERS haben das Sommer-Kino neu definiert, weil er alles vereinte, und auch alles richtig machte, was beste Unterhaltung ausmacht. Es war jedem klar gewesen, dass Phase Zwei, die selbstständigen Leckerbissen, die auf den zweiten Avengers-Film vorbereiten, aber dennoch eigene Geschichten erzählen, nur verzweifelte Versuche werden mussten. Größer, aber auch homogener als AVENGERS, konnte kein nachfolgender Film werden. Und wenngleich dies nach wie vor zutrifft, so überraschte IRON MAN 3 doch über aller Maßen. Und als zweiter Post-AVENGER-Film muss sich auch THOR: THE DARK WORLD nicht mehr verstecken. AVENGERS hat gezeigt, dass wesentlich mehr Potential in Darsteller und Figur des Thor steckt, als der flaue Erstling vermuten lassen wollte. Mit einem ausgeklügelten Drehbuch und einer pointierten Regie, beweist sich der nordische Held also doch als überzeugender Einzelkämpfer.
Während Tony Stark seinen Iron Man beiseite legte, um nach seiner Nahtoderfahrung in New York seine psychischen Wunden zu lecken, musste Odins Sohn schnellstens nach Asgard zurück, um Ordnung in die Auseinandersetzungen zwischen den neun Reichen zu bringen. Währenddessen ist Jane Foster noch immer sauer, nicht dass Thor sie im ersten Teil sitzen ließ, sondern er nach dem Zwischenfall in New York nicht schnell einmal Hallo gesagt hatte. Jane bekommt aber rasch andere Sorgen, als sie im Londoner Greenwich London auf eine Anomalie im Raum-Zeit-Kontinuum stößt. Zwischen den neun Reichen, zu denen auch die Erde gehört, wird bald eine Konvergenz entstehen. Diese Verbindung der Welten will auch Malekith nutzen, jener dunkle Elf, der schon einmal das Universum mit Hilfe des Äthers in die Finsternis stürzen wollte. Die Helden von Asgard haben zu Zeiten von Odins Vater den Äther in den Tiefen einer dunklen Welt versteckt, doch dank Jane Foster und der Entdeckung der Anomalie wird die schwarze Macht wieder freigesetzt. Und Malekith steht bereit, nicht noch einmal zu versagen. Thor muss einiges in Bewegung setzen, um das Unheil bekämpfen zu können. Doch dazu muss er Allianzen eingehen, die unvorstellbar schienen, aber auch diejenigen hintergehen, die ihm vollkommen vertrauten.
Es ist erstaunlich, wie schnell die Welt von Marvel und seinen Superhelden in der Populärkultur des Kinos etabliert war, und damit auch ein Begriff für die Allgemeinheit jenseits der bekannten Figurennamen wurden. THOR: THE DARK WORLD ist dabei, dieses Phänomen zu bestärken und tiefer zu verwurzeln. Es ist nicht sein mythologischer Unterbau, und auch nicht der Bekanntheitsgrad seiner Vorlage. Die wahre Faszination bei diesem Film liegt in seinen feinsinnigen Charakterzeichnungen, und dem unaufdringlichen Witz, der die finstere Geschichte immer wieder aufheitert. Allerdings bildet das Gesamte eine wundervoll homogene Einheit, ohne sich gegenseitig zu sperren, wie es bei vielen ähnlich strukturierten Filmen passiert, wo Humor aufgesetzt und Dramatik erzwungen wirkt, weil sie nicht zusammen finden. Der Humor bei THOR: THE DARK WORLD ist kurz, nicht überspannt, und auf den Punkt. Wie in Janes Appartement, wo Thor zeigt, wo der Hammer hängt, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber selbst die obligatorischen Einzeiler verkommen nicht zum Selbstzweck, sondern sind tatsächlich erzählerischer Bestandteil. Es wird also viel gelacht bei THOR, ohne die dramatischen Aspekte innerhalb des Spektakels zu schmälern.
Was die Action angeht, hat THOR zu seinem Vorgänger ordentlich zugelegt. Zweikämpfe, Raumschiffschlachten, umgesetzt durch erstklassige visuelle Effekte. Außerirdische Welten und irdische Zerstörung, das alles ist so makellos umgesetzt, dass es eine wahre Freude ist. Dabei hat man allerdings nie das Gefühl, dass es wegen des reinen Schauwertes passiert, und das erhöht nur den Unterhaltungsfaktor. Und am Ende ist dann THOR: THE DARK WORLD doch viel mehr als nur ein Fantasy / Science Fiction / Abenteuer, das sich auf Effekte und deren zunehmende Erhöhung verlässt. Man könnte den Film sogar als Charakterstück bezeichnen. Quasi eine griechische Tragödie im nordischen Gewande, und mit modernster Technik. Und doch muss man genau diesem Aspekt als einzelnem widersprechen. Denn der Film ist eine perfekt unterhaltsame Mischung all dieser vielen Komponenten des Unterhaltungskinos. Attraktive Darsteller in einer opulenten Geschichte, die mit höchster Effizienz an tricktechnischer Finesse umgesetzt wurde, um Drama und Aktion gleichermaßen und in ausgewogenem Maße zu inszenieren, um mit größtmöglich emotionaler Stimulation ein größtmöglich breitgefächertes Publikum für sich einzunehmen. Ein Satz, der viel verspricht, Großes vorhersagt, und viel zu dick aufgetragen klingt. Aber bisher war nun einmal Thor im ganzen Vorfeld der Avenger-Initiative einer der schwächsten Charakter im bereits existierenden Filmzyklus.
Was immer Fans und einfachen Zuschauern an Kenneth Branaghs Version von 2011 missfallen haben mochte, ist hier mit einem Mal vergessen. Als großer Fan des Hammerwerfers war Branagh seinerzeit vielleicht zu ambitioniert, um das Gesamte klar im Überblick zu behalten. Mit dem durch Fernsehproduktionen bekannten Alan Taylor bekommt die zweite Inszenierung einen viel gewichtigeren Gehalt. Nicht einzelne Elemente sind von Bedeutung, sondern das behutsame verweben dieser einzelnen Element zu einer komplexen Struktur. Thors Charakter, seine Bestimmung, die Liebe zu Jane Foster, seine Verpflichtung gegenüber Asgard, das Einwirken außenstehender Figuren, vergangene Ereignisse, der ständige Bruderstreit. Aber da ist noch der Dunkelheit bringende Äther, der rachsüchtige Malekith, aber auch die große Frage nach der Thronnachfolge. Odins Beziehung zu Thor, und die Beziehung von Odins Frau Frigga zu dem verräterischen Loki. Persönliche Befindlichkeiten schaffen einen plausiblen Übergang zu den hervorragend inszenierten Action-Sequenzen. Asgard muss am meisten leiden, wenn Malekith den Thronraum zerstört. Aber nicht minder spektakulär sind die körperlichen Auseinandersetzungen auf der dunklen Welt, oder der im Äther ausgetragene Showdown in Greenwich.
Man könnte ohne weiteres argumentieren, dass man schon wesentlich aufregendere Action gesehen hat, das man schon dramatischere Heldenopfer erleben durfte, es witzigere Einlagen gab. Und bei allem müsste man zustimmen. Doch kommt man nicht ohnehin, das große Ganze mit berücksichtigen zu müssen. Was THOR 2 leisten musste, war eine vollkommen neue Reputation zu erlangen. Und hier hat er mehr als einen Hammerwurf weit zugelegt. Das er in Phase zwei auch noch zwischen einen überragende Robert Downey Jr. und den weit beliebteren Captain America gezwängt wurde, macht es für ihn nicht leichter. THOR ist weit mehr mit Fantasy-Elementen durchsetzt, als die bodenständigeren Kameraden, unvoreingenommen von der Qualität des Films, nimmt das im Kino schon sehr viel potentielle Laufkundschaft. Natürlich wäre es nicht minder interessant, so einen Helden vielleicht einmal in ein nicht allzu destruktives Setting zu setzen, und ihn auf eine körperlich begreifbarere Ebene erleben zu können. Die Zerstörungswut in Marvels Filmen ist unglaublich, allerdings auch den Ereignissen in New York geschuldet. Fans und Publikum werden nur schwer einen Rückschritt in Sachen Bösewicht und Schauwerte akzeptieren. Eine Befürchtung, die mit Beendigung von Phase eins einherging, ob die Filme mit nur einem Superhelden tatsächlich noch funktionieren könnten. Da IRON MAN 3 und THOR 2 funktionieren, muss man sich um CAPTAIN AMERICA kaum noch Sorgen machen.
Die ganze Reihe entpuppt sich mittlerweile als gigantischer Kosmos, der einmal einzigartig in der Geschichte des Kinos sein wird. Eine Geschichte greift in die andere, baut auf, bereitet vor. Es ist erstaunlich, mit wie wenigen, noch dazu sehr unverfänglichen Querverweisen, eine stabile Struktur in diesem Universum geschaffen wird. Bei THOR: THE DARK WORLD ist es zum Beispiel Lokis kurze Verwandlung in Captain America, oder Jane Fosters Ohrfeige für Loki, wegen der Ereignisse in New York. Bei diesen nur kurzen Zwischenspielen freut sich der Zuschauer, er wird mitgenommen, wird ein Teil des Gesamten. Selbst Brian Tyler hat nach seiner leichten Überarbeitung bei IRON MAN 3, auch THORs Soundtrack an Alan Silvestris AVENGERS-Thema angepasst, bleibt aber noch erfreulich eigenständig. Bei all den kreativen Kräften, welche die Macher freisetzen, mag man schon gar nicht an Phase drei denken. Denn kann man tatsächlich diese Qualität mit steigender Quantität aufrechterhalten? Die Frage war bereits nach Phase eins berechtigt gewesen, und der Zuschauer quittiert es mit einem zufriedenen Lächeln. THOR: THE DARK WORLD hat zu diesem Lächeln und dem verdient anhaltenden Erfolg beigetragen.
THOR 2 – THE DARK KINGDOM ::: THOR – THE DARK WORLD
Darsteller: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Tom Hiddleston, Stellan Skarsgård, Idris Alba, Christopher Eccleston, Rene Russo, Anthony Hopkins u.v.a.
Regie: Alan Taylor
Drehbuch: Christopher Yost, Christopher Markus, Stephen McFeeley
Kamera: Kramer Morgenthau
Bildschnitt: Dan Lebental, Wyatt Smith
Musik: Brian Tyler
Produktionsdesign: Charles Wood
USA / 2013
zirka 112 Minuten
Promofotos Walt Disney Studios Motion Pictures