Ich hab die Ehre über eine Spieleschmiede zu schreiben, die mir seit einigen Jahren am Herzen liegt. Mein erster Kontakt war auf der Spielemesse 2011, als es eigentlich nur ein paar Zinnfiguren und einen Flyer gab. Die Leute konnten kein Deutsch und auch nur wenig Englisch, denn sie kommen aus Polen:
WOLSUNG ist der Überbegriff einer Reihe von Produkten: ein Rollenspiel, ein Brettspiel und ein Skirmish-Game. Die ersten beiden kommen aus der Spieleschmiede Kuznia Gier, für letzteres ist eine Firma namens Micro Art Studio (die machen auch wunderbare Discworld-Zinnfiguren) zuständig.
Ich war vom ersten Moment an begeistert, und enttäuscht, dass ich damals noch nichts kaufen konnte: Die Figuren waren nur zum Anschauen da. Im Jahr darauf konnte man dann das zugehörige Rollenspiel kaufen.
WOLSUNG: STEAM PULP FANTASY heißt es und hat im Untertitel den Satz: »A game of cinematic action« (ja, leider ist alles nur auf Englisch erhältlich). Das Regelwerk liegt in einem ungewöhnlichen Din-A5 Format vor, ist aber dick und picke-packe voll mit Informationen. Das Artwork ist selten schlecht, meist gut bis wunderbar. Wir bekommen eine detaillierte Welt mit unglaublichen Schauplätzen und begeisternden Charakteren, allein das Regelwerk nur zu lesen ist unterhaltsamer als manches Buch. Zu jedem Schauplatz oder Charakter gibt es unzählige Storyideen, die man in keinem Menschenleben je alle spielen könnte. Dabei ist das Ganze nicht zu detailreich oder gar kleinteilig, es wird immer wert auf Anschaulichkeit und Abenteuertauglichkeit gelegt.
Man möchte sofort loslegen und sieht sich im Geiste schon Filme wie INDIANA JONES oder LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN nachspielen. Die Regeln sind nicht zu kompliziert und mit Hilfe eines einfachen Skatkartenspiels kann jeder Charaktertyp sich Vorteile verschaffen, oder in Kampf- und Actionsituationen Auswege finden. Das Ganze ist gewürzt mit einer fetten Prise Humor, wie man sie sonst nur von den Briten kennt.
Ein Beispiel findet sich in einem Kasten:
»Scenes from a Heros life«: »Sir Robert Grey, I presume? I’ve heard a lot about you. I’m also a hunter myself and I’ve always wanted to ask you how you managed to kill a leviathan all alone?« »I used a kayak, sir. A kayak.«
Es gibt Abenteurer-Archetypen, beispielsweise den Glücksritter oder den Forscher, den Detektiv oder den Socialite (als Beispiele werden Dorian Grey oder Richard Castle angeführt …). Man kann aus acht Rassen wählen, vom Elf bis zum Troll. Hat man das hinter sich, dann entscheidet man sich für eines der Völker, da wird es dann schwierig: 24 Stück stehen zur Auswahl!
Und die sind sehr unterschiedlich, aber liebevoll beschrieben:
»Slavian Hero in a nutshell«: Speak loudly, drink a lot, and consider everyone who is not a crowned monarch at least your equal. Don’t allow others to offend your honor, be the first to fight and defend your motherland. Never refuse a plea for help and be charming to the opposite sex.«
Im Gegensatz dazu die Wotanier:
»Always praise the emperor, your local beer, ‘und die sehr gute’ Wotanian technology. Add ‘Herr’ und ‘Frau’ before everyone’s name. Try to pretend that during the war all Wotanians were on holidays abroad or at least were in the support service far from the front – or better, avoid this topic at all costs.«
Ich möchte ansonsten noch die Atlanter oder Jotunheim wenigstens erwähnen …
Das Einzige, was ich WOLSUNG vorwerfen könnte, ist, dass es derart wahnsinnig viel zu lesen ist, bevor man loslegen kann, und man möchte doch bitte so gerne sofort losspielen!
Einfacher ist das beim Skirmish Game. Hier lehnt sich die Geschichte auch an das Rollenspiel-Regelwerk an, ist aber keine Voraussetzung. Schließlich ist es ja kein Rollenspiel sondern nur ein gepflegtes Verkloppen nach Regeln. Es gibt drei Fraktionen: Die »Triad of the Lotus Dragon«, die »Ash and Oak« und den »Inventors Club«. Man wählt eine aus und entscheidet dann die Art des Spiels. Hier hängt es davon ab, wie lang das Spiel dauern soll. Jede Fraktion hat sogenannte Helden und die »Henchmen«. Je mehr Helden, desto länger das Spiel.Die Helden und das Gefolge sind wieder sehr liebevoll und mit Augenzwinkern gestaltet. Aus der Beschreibung der »Inventors«:
Ich finde die Zinnfiguren wirklich gelungen und das Gelände wunderbar. Man bekommt aus einem Verbundstoff (laser-cut HDF) vorgestanzte Teile, die man zu Häusern und anderen Dingen zusammensetzt. Natürlich kann man die Sachen auch noch anmalen, und verzieren, aber auch schon im Rohzustand machen die wirklich was her.»Any scientist who independently designed a brand new, unique invention can become a club member: of course, they still have to present it before the club presidium and survive the inevitable onslaught of negative comments. Since the prevalent inventions are usually golems or new types of weapons and powered armor, and the ones presenting them tend not to respond well to criticism, the hearings of the candidates are often … interesting.«
Wie üblich wird mit einem Lineal gemessen und gewürfelt, aber zusätzlich gibt es wieder die Spielkarten, die einem Vorteile verschaffen können, und das Spiel unterhaltsam machen. Ich habe mir sagen lassen, dass die Regeln auch für Einsteiger geeignet sind, die noch nie etwas in dieser Art gespielt haben. Ich persönlich hatte noch nie Lust so ein Skirmish Game zu spielen, aber nachdem ich auf der Messe probegespielt und »Ingrid Rangvaldottir und ihre Spiegelgolems« erstanden habe, werde ich sie bald anmalen und die Ganoven von »Ash und Oak« mit meinen geschickt platzierten Laserstrahlen vom Spielfeld brennen.
Sowohl für das Rollenspiel als auch für das Skirmish Game gibt es auf der Homepage der Erfinder viel kostenloses Material, welches man sich einfach herunterladen kann. Außerdem Video-Tutorials, die man sich bei Bedarf anschauen kann. Ach, und die Skirmish Regeln gibt es auch in deutscher Sprache!
Zuletzt existiert auch noch ein Brettspiel: WOLSUNG, THE BOARD GAME ist ein Spiel, in dem man die Rolle eines Erfinders einnimmt, der auf einer Weltausstellung einen Wettstreit gewinnen will. Es gewinnt der, der die meisten und spektakulärsten Maschinen konstruiert. Jede Runde werden Baupläne ausgelegt, und wenn man die nötigen Rohstoffe hat, dann kann man die Maschine bauen. Um diese Rohstoffe zu erhalten, muss man seine Arbeiter zu den Lagerhallen schicken. Aber die anderen Spieler schicken auch Arbeiter hin, und man verliert leicht den Überblick, da die Spielsteinchen in verschiedene geschlossene Kistchen geworfen werden. Erst wenn die Tore der Lager aufgehen, sieht man, ob man genug Arbeiter dahin geschickt hat, um sich den benötigten Rohstoff zu sichern. Das ist ein ganz schönes Taktieren und macht eigentlich am meisten Spaß. Aber auch die Artwork ist hier wieder sehr schön, und einzelne Maschinen lassen das Herz jeden Steampunkers höher schlagen.Alles in allem sind die Produkte aus Polen alle ihr Geld mehr als wert. Ich bin überrascht, dass sie sich noch nicht breiter durchgesetzt haben, denn sie brauchen sich wirklich nicht zu verstecken. Aber wahrscheinlich geben sie ihr Geld lieber für die Produktion schöner Dinge aus, als für Werbe-Schaumschlägerei.
Eine deutsche Schnellstartregel für das Wolsung SSG kann man sich kostenlos als PDF herunterladen. Auch für das Rollenspiel gibt es eine Testversion.
Anmerkung des Redakteurs: Vielen Dank an Anja Bagus für die Vorstellung der WOLSUNG-Spielereihe. Anja Bagus ist die Verfasserin des Independent-Steampunk-Romans AETHERHERTZ, den man bei Amazon als eBook oder Taschenbuch erwerben kann (und sollte). Die Teile zwei und drei der Trilogie sind in Vorbereitung.
Logo und die drei Miniaturen: Copyright Micro Art Studio, Cover Rollenspiel Copyright Kuznia Gier, Foto von der Spiel 2013 Stefan Holzhauer CC BY-NC-SA
Wir haben Wolsung sowohl als TT als auch als Tischrollenspiel betrachtet. Das TT ist schnell und leichtgängig, das Rollenspiel liest sich aber besser, als es sich spielt, leider.
Man muss die Regeln ja nicht nutzen, sondern nimmt einfach die persönlichen Lieblingsregeln … :)
Das Setting soll leider sehr Klischeebeladen sein, leider auch mit negativen Klischees.
Und Wenn man ein RPG rezensiert, muss man leider die mitgelieferten Regeln bewerten. Das man andere nehmen kann ist klar, macht die Bewertung aber nicht beser.
Ich bevorzuge da übrigens Finsterland, das Steamfantasy-Rollenspiel aus Österreich.
Erstens: es handelt sich nicht um eine Rezension, sondern um eine Vorstellung. Kann man auch an den Artikelkategorien erkennen, wenn es sich um eine Rezension handelt, dann steht Rezension dran. Weiterhin geht es um alle Wolsung-Spiele, keineswegs nur um das Rollenspiel. Warum sollte man bei einer Vorstellung Regeln besprechen müssen?
Zweitens: Warum schreibst Du »soll klischeebeladen sein«? Ist das Hörensagen oder eigene Erfahrung?
Drittens: Was sind »negative Klischees«?