Seit gestern kann man die ersten beiden Episoden, also den Piloten, der neuen STAR TREK-Serie DISCOVERY ansehen. Ganz legal, einen Tag nach der US-Ausstrahlung, Netflix sei es gedankt. Was hätten wir Fans uns das in den 80ern oder 90ern gewünscht, heute ist es Realität.
Auf den ersten Blick wird klar: DISCOVERY unterscheidet sich in Cinematographie und auch erzählerisch grundlegend von dem, was man man früher von STAR TREK-Serien kannte. Und leider ignoriert man auch zahllose als gegeben angenommene Eckpunkte und Historie des Franchise. Das stößt dem Fan sauer auf, aber die Show ist eben nicht nur für Fans gemacht, sondern soll die heutigen TV-Zuschauer allgemein ansprechen.
Handwerklich ist am Piloten, bestehend aus den Folgen THE VULCAN HELLO und BATTLE AT THE BINARY STARS, sicherlich nicht allzu viel auszusetzen, das Ganze kommt daher wie eine moderne SF-Serie aus dem zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Nervig sind die überflüssigen Lensflares (»Die macht jetzt jeder! Ehrlich!«), ansonsten geht auch die Cinematographie in Ordnung, selbst wenn schräge Kamerawinkel stellenweise ein wenig gezwungen innovativ wirken und bei einer STAR TREK-Serie irgendwie stören.
In Sachen Handlung sieht das Ganze leider etwas anders aus, das Drehbuch hätte an einigen Stellen dringend nochmalige Reviews benötigt, es gibt ein paar Logiklöcher und insbesondere die Tatsache, dass die Captess der U.S.S. SHENZOU völlig überflüssigerweise mit ihrem ersten Offizier auf eine Hochrisikomission geht, nur weil es die Dramaturgie so erfordert, hat mich geärgert. Denn es macht an der Stelle überhaupt keinen Sinn, den XO hätte ein Team aus spezialisierten Sicherheitsleuten begleiten müssen. Das dramaturgische Ziel, welches man mit dem Einsatz des Captains erreichen wollte, hätte auf anderem Weg erreicht werden müssen. Diese wirklich dumme und zudem sinnlose Vorgehensweise hat mich geärgert.
Der andere Punkt, der mich wirklich geärgert hat, sind die Klingonen. Die sprachen zwar das von früher bekannte Klingonisch (wenn auch völlig anders ausgesprochen und betont), sehen allerdings vollständig unterschiedlich wie die bisherigen Darstellungen aus. Hier hat man die bekannten Wege und Plots völlig verlassen, denn die Kriegerrasse ist bei DISCOVERY vom Creature-Design her sehr Alien-artig und weit weg von dem, was man aus TOS oder TNG und Nachfolgern kannte. Das macht in der Serienkontinuität überhaupt keinen Sinn und ist in meinen Augen auch völlig überflüssig und pure Effekthascherei, um zu zeigen, was man heute in einer TV-Serie an Prothetik so alles kann. Zudem invalidiert es in früheren Serien aufgebaute Szenarien (insbesondere, da man in vergangenen Serien auch noch erfolgreich Kontinuität zur Darstellung der Kriegerrasse in TOS hergestellt hatte). Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Gesellschaft der Klingonen anders dargestellt wird als früher – und die Schiffe überhaupt keine Ähnlichkeit mit Bekanntem mehr aufweisen – und das obwohl das Design der Sternenflottenschiffe dagegen durchaus vertraut ist. Und man beraubt sich mit dieser deutlichen Abkehr vom menschenähnlichen Klingonen leider auch diverser möglicher Interaktionsplots, die man von früher kennt. Eine biologische Kompatibilität zwischen Menschen und Klingonen möchte man nach dem, was man in den ersten beiden Episoden sehen konnte, ausschließen. Also nix mit B’Elanna Torres oder anderen »Mischlingen«.
Und das ist es auch, was mich so zwiespältig macht, wenn ich diese neue STAR TREK-Serie beurteilen soll. Auf der einen Seite geben sie sich mit vielen kleinen Details in Ausstattung, Optik und Sound große Mühe, ein TREK-Feeling herzustellen, auf der anderen Seite treten die Macher völlig überflüssig eine Menge von dem, was vor ihrer neuen Show erschaffen wurde, mit Füßen (die Insignia waren zu der Zeit beispielsweise ganz andere und sahen nicht wie der »Enterprise-Fisch« aus). Bei den Hardcore-Fans wird ihnen das keine Freunde machen, eher im Gegenteil. Zuschauer die neu im Thema sind. wird das eher nicht stören, falls es so etwas überhaupt gibt, immerhin sind die verschiedenen TREK-Iterationen seit über 50 Jahren Teil der Popkultur. Und ich als seit dem Alter von sieben Jahren großer aber eher gemäßigter Fan ärgere mich über Änderungen, die einfach nicht nötig gewesen wären und meiner Ansicht nach nur daraus resultiert haben können, dass die Autoren und Produzenten auf Biegen und Brechen etwas Eigenes machen wollten.
Und ich rede nicht von der gezeigten Technik, sei es beim Raumkampf oder in den Sternenflotten-Schiffen. Ich kann damit leben, dass man hier modernere Herangehensweisen zeigt, als sie in vergangenen Serien zu sehen waren, denn wir haben nicht mehr die Neunziger. Deswegen sind die moderne Brücke, Displays oder Holokommunikation für mich völlig in Ordnung und die haben mich überhaupt nicht gestört.
Man verstehe mich nicht falsch: Das ist alles nicht schlecht und kann sicherlich eine gute SF-Serie werden, wenn die Macher es schaffen, eine neue Zielgruppe zu erreichen. Zudem abzusehen ist, dass es nach dem Piloten absehbar völlig anders weiter gehen wird. Ich werde mir das auch sicherlich weiter ansehen. Trotzdem hätte ich mir persönlich dringend mehr Kontinuität im Kontext des bekannten Serienuniversums gewünscht.
Die Titelmusik ist der Rede nicht wert, leider fehlt hier – wie neuerdings im US- Film und ‑Fernsehen so oft – ein eingängiges Thema, das Ganze liegt irgendwo zwischen FRINGE und WESTWORLD und versucht seine eigenen Defizite und seine Beliebigkeit durch das ausführliche Zitieren des TOS-Themas zu verschleieren. Das hilft allerdings nicht wirklich, weil dem Theme die Seele fehlt. Deutlich besser ist das bei der Musik in den Episoden sowie beim Abspann. Das lässt sich hören, passt und macht Spaß.
Mir fiel auf, dass die beiden Episoden an manchen Stellen nicht ganz lippensynchron waren, und bisweilen fand ich die Tonmischung gruselig und unterhalb moderner Standards (ich hab hier eine 5.1‑Anlage). Was einen weiteren schlechten Eindruck hinterlässt, als wären Teile des Piloten »made in Eile«.
Werde ich das weiter anschauen? Ganz sicher, insbesondere da nach dem Piloten abzusehen ist, dass sich ab sofort einiges ändern wird. Die U.S.S. DISCOVERY kam noch gar nicht vor, ebenso wenig deren Crew und am Ende von BATTLE AT THE BINARY STARS scheint die Lage für die Hauptfigur Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) aussichtslos – wenn auch in einer anderen Form, als der geneigte Leser vielleicht annehmen möchte.
Vermutlich wäre es sinnvoll, wenn irgendwann erklärt wird, dass sich all das wegen der Inkonsistenzen zum Serienuniversum (von denen die Macher ja vorab sagten, dass es sie nicht geben werde) in noch einer weiteren parallelen Realität abspielt, ähnlich wie die Kelvin-Zeitlinie in J.J. Abrams‘ Kino-Reboot-Filmen. Dann könnten Klingonen auch völlig un-klingonisch sein.
Und so ist mein Fazit auch gespalten: Alleinstehend und ohne den STAR TREK-Kontext ist es eine eher schöne und ansprechend gemachte SF-Serie mit kleineren Defiziten bei Drehbuch und Logik, über die man allerdings in vielen Fällen hinwegsehen kann (abgesehen vom Captain auf total überflüssiger Risikomission, und dass man das auf einfache Weise viel logischer hätte lösen können). Und technisch auf hohem Niveau.
Betrachte ich DISCOVERY als STAR TREK-Serie, ärgere ich mich über die Missachtung von vielen Details, die frühere Macher dem Universum hinzugefügt haben, und die ohne echten Grund, ohne echte Notwendigkeit, ignoriert werden. Und freue mich dennoch an vielen kleinen Details wie Phaser, Kommunikatoren oder Geräuschen. Hardcore-Fans werden die Show hassen, vermutlich noch mehr als die J.J. Abrams-Filme, die bemühten sich wenigstens (und erfolgreicher), die Fans mit einer Menge Fanservice bei der Stange zu halten (die gefielen mir persönlich übrigens sehr gut).
Bevor ich eine abschließende Wertung abgebe möchte ich mir weitere Episoden ansehen. Die kommen jeden Montag auf Netflix.
Im Moment halte ich allerdings Seth MacFarlanes THE ORVILLE trotz der Gags für die bessere STAR TREK-Serie.
Promofotos STAR TREK DISCOVERY Copyright CBS & Netflix
Ging mir an vielen Stellen recht ähnlich.
Ich finde die Zusammenfassung hat es gut getroffen. Allerdings war es schon immer bei Star Trek üblich, das bei gefährlichen Missionen immer die wichtigsten Personen des Schiffes (Captain, Arzt, 1. Offizier etc.) sich auf den Planeten/ das Schiff gebeamt haben. Von daher eher sehr Star Trek like statt unnötig ;)
Jein. Erstens haben sie das ja im Prinzip schon bei TNG abgeschafft. Zweitens hatten sie in den bisherigen Serien ab TNG in der Regel eine nachvollziehbare Erklärung, warum der Captain mitging (und die Offiziere haben es ihnen oft genug ausgeredet). »Enterprise« ist raus, das spielte ja Kontext-zeitlich lange vor den Vorserien.
Im Fall von Discovery war es logisch und dramaturgisch völliger Blödsinn, nur weil sie Georgiou unbedingt auf dem Klingonenschiff haben wollte. Die hätten sie auch anders da hin kriegen können, da fallen mir haufenweise bessere Ideen ein, als mal eben zu zweit ohne Sicherheitler rüberbeamen, um den Oberklingonen zu entführen. :)