Endlich ist es so weit. Strom erweckt die Relais zu summendem Leben. Jahrhunderte im Schlaf und dennoch sofort einsatzbereit, erheben sich die Kampfanzüge der Kampfgruppe drei. Sicherheitsabspannungen lösen sich wie Nabelschnüre und ohne weitere Vorbereitungen schreiten die Streiter zur Tat. Dafür sind sie gemacht, die Zeit ist da, der Mond ist gefallen. Der Drache erwacht erneut.
Drachentöter geht als erster, gefolgt von Freischütz. Sie sind nahe des Kraters gelandet und die Luft ist voller Staub und Miasmen. Die Oni sind nahe. Drachentöter spürt das. Marduk fliegt über sie hinweg. »Aktivität im Westen, Schwarmbewegungen«, hört Drachentöter die Stimme seines Spähers. »Im Norden eine Rotte im Aufbau, kaum Bewegungen. Nordwestlich noch unbestimmbare Aktivität.«
Es kümmert ihn nicht, Drachentöter interessiert sich nicht für irgendwelches Geschmeiß. Hier ist der Kampf auf den er gewartet hat, direkt vor ihm. Hunderte von Jahren im Schlaf, nur ab und zu unterbrochen von Wartungsarbeiten. Alles läuft reibungslos. Er geht vorwärts. Ein Blitz zuckt rechts an ihm vorbei: Freischütz hat
einen Oni getroffen, der hinter einem Geröllberg aufgesprungen war! So etwas wie Begeisterung erfüllt Drachentöters Schaltkreise. In seinem Visor bewegen sich zahllose Gestalten – sicher allesamt abartiges Gewürm aus dem Schleim des Drachens geboren. Götter nannten sich die Oni, und behaupteten, Tsukuyumi wäre ihr Oberster. Es durfte nicht sein! Drachentöter befahl den Erzengel heran.»Die Brut vermehrt sich explosionartig«, meldet Marduk. »Sind sie eine Gefahr?«, fragt Drachentöter. »Nein. Die Rotte sind Schweine. Sie verbarrikadieren sich. Keine Gefahr.« »Erzengel soll Ragnarök aufladen«, befiehlt Drachentöter. Kein Herumspielen. Keine Gnade. Sie würden die Oni mit einem mächtigen Schlag vernichten. Danach war Zeit genug, sich um die anderen zu kümmern.
»Ein Drache erhebt sich im Nordwesten!« Marduks Interkom ist durch Statik gestört. Oder ist es Erregung? Drachentöters Schaltkreise evaluieren die Situation. Der Drache ist weit weg und hier, direkt vor ihm, war die widerliche Brut des größten aller Drachen. Nein – sein Ziel blieb klar. Marduk fliegt über ihnen und bedeutet den kürzesten Weg. Sie rücken schnell vorwärts, gehen in Stellung und zünden die Bombe. Drachentöter empfindet so etwas wie Glück, als die glühend rote Wolke sich wie ein Pilz über dem Schlachtfeld erhebt.
“Status?”, fragt er, als die Sicht sich langsam klärt.
“Die Rotte ist aus ihren Tunneln und Barrikaden heraus gebrochen und greift und von Norden her an! Die Insekten sind an der Westlichen Flanke! Ein Drache hat unsere Basis zerstört!”
Drachentöter dreht sich kurz um. Die Basis? Sie war nicht wichtig. Wichtig war nur noch, zurückzuschlagen. Er findet Beowulf, der sich rechtzeitig aus dem Schiff begeben hatte, und befiehlt ihm, sich gegen die Insekten zu wehren. Die Verbindung zu Erzengel ist abgebrochen, vermutlich hat der Kampfanzug die Radioaktivität nicht überstanden. Marduk wirft sich in die Rotte und tötet die infernalisch grunzenden Schweine.
Drachentöter hebt sein Schwert. Sie würden untergehen. Aber bevor sein Leben erlosch, wollte er den Mond für sich beanspruchen. Sein Schwert in die Widerwärtigkeit rammen. Er macht einen Rundumschlag und durchtrennt einige der Borstenviecher, dann stößt er seine Waffe tief in den Boden und entlässt seine Macht. Metallteile und Fleischfetzen spritzen um ihn herum, dann erlöschen seine Schaltkreise nach und nach. Zuletzt hört er nur noch Beowulf, der letzte von ihnen, der übrig bleiben würde.
Dann stirbt er. Die Drachen siegen, aber es sind nur kleine geflügelte Würmer – im Vergleich zu dem, was in dem weißen Ei schlummert und bald schlüpfen würde. Drachentöter hat versagt. Die Welt wird untergehen.
Das war der Spielbericht der gestrigen fünfstündigen Runde TSUKUYUMI – FULL MOON DOWN, aus der Spieleschmiede King Racoon Games von Felix Mertikat. Wir durften das Spiel testspielen. Ab dem 29. September 2017 startet dafür ein Crowdfunding auf der Plattform Kickstarter. Ich kann euch das nur wärmstens ans Herz legen. Das Spiel ist saugeil, extrem komplex und herausfordernd, und bietet epische Momente. Es gibt keine Würfel, was ich persönlich sehr gut finde, da es nichts Blöderes gibt, als ein misslungener Würfelwurf, der alles kaputt macht. So ist es im Zweifelsfall nur eigene Blödheit (wie bei mir) oder die taktische Klugheit der anderen, die einen verlieren lässt. Ich finde das Spiel jedenfalls extrem abwechslungsreich und spannend, obwohl ich verloren habe. Also, sofort Seite auf Facebook liken und auf den Kickstarter warten. Und dann dabei sein!
Anja Bagus
Alle Promoillustrationen Copyright King Raccoon Games
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