Weitgehend spoilerfrei
Der erste DEADPOOL war ein absoluter Überraschungserfolg, und das trotz der Freigabe ab 16. Das machen Studios normalerweise nicht so gerne, weil man dann die Comic-affine Ziegruppe ab 12 außen vor hat, was sich meist negativ auf die Einspielergebnisse niederschlägt. Dennoch zeigte der erste Teil, dass man trotzdem einen Riesenerfolg landen kann – wenn man sich nur Mühe gibt, und damit eben die erwachsenere Zielgruppe ins Kino bekommt.
Doch man muss sich natürlich immer fragen: Werden die Macher in der Lage sein, die Nummer in DEADPOOL 2 nochmal durchzuziehen? Denn die ganzen Gags wie das Durchbrechen der vierten Wand oder Seitenhiebe auf Genre und Popkultur können bei einem nicht-Origin-Film schwerlich nochmal über zwei Stunden tragen. Oder doch?
Wird das jetzt wieder so eine strunzenangweilige Filmbesprechung wie sonst auch?
Wie? Was? Wer bist du denn, und was machst du in meiner Rezension?
Was du schon hochtrabend »Rezension« nennst, du Laberprinz … Wer ich bin? Das sollten dir die äußerst stylische schwarz-rote Kluft, die beiden Klingen und der attraktive Knackarsch sagen.
Deadpool?
Blitzmerker.
Na super, jetzt sabbeln mich die Filmhelden schon bei den Besprechungen voll. Kann ich jetzt weiter machen?
Ich bitte geradezu darum. Schließlich will ich wissen, was du von mir hälst.
Du meinst, was ich von diesem Film halte, in dem du zufällig vorkommst?
Kann es sein, dass du ein Klugscheißer bist?
Da bin ich ja in guter Gesellschaft … Und überhaupt: wenn du einen echten Klugscheißer lesen willst, dann google mal nach »Suchsland« und »Telepolis«.
Ne, danke, kenn’ ich, da lass’ ich mich lieber in der Mitte zerreißen oder spreng’ mich in die Luft …
Wo war ich? Ach ja:
Tatsächlich ist es verblüffend zu sehen, mit welcher Chuzpe uns die Macher im Prinzip dasselbe Zeug wie im ersten Teil nochmal vorsetzen.
He, das ist jetzt aber nicht fair, weil …
Lass mich ausreden. Noch verblüffender daran ist es allerdings, dass sie es nicht nur schaffen, das sogar noch auszubauen und noch mehr dusslige …
He!
… Sprüche zu klopfen als in Teil eins. Nein, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, zeigen sie auch noch einen Film mit eigenständiger und nachvollziehbarer Handlung. Sofern man bei einer Antihelden-Comic-Verfilmung und insbesondere bei Deadpool von Handlung eben sprechen kann …
Sag mal, wo ich Dich schon hier habe, Deadpool, Du müsstest doch Fachmann für sowas sein? Spielt Josh Brolin jetzt eigentlich die Antagonisten in allen Marvel-Blockbustern?
Woher zum Geier soll ich das wissen? Überhaupt: Falsches Studio. Und ich rede hier nicht über Sony. Du meinst diese Heinis, die das schon seit zehn Jahren abziehen, die mit diesem »High Fidelity War« oder wie der heißt. Ich hoffe, dass wir die Deadpool-Kuh auch mindestens so lange totreiten können. »Junge Schauspieler, die ein Franchise lange tragen können« und so, du weißt …
Na dann … Das mit dem Studio ist allerdings ein gutes Stichwort …
Danke.
Bitte.
Die Gags im Film sind ein grandioser Rundumschlag in alle Richtungen. Dabei bekommen es Marvel-Filme desselben Produzenten ebenso ab, wie die anderer Studios, und natürlich gibt es auch Seitenhiebe in Richtung des Konkurrenz-Comic-Universums. Also das (bis auf WONDER WOMAN) unerfolgreiche grimdark-Zeugs.
»Du bist so düster, ich dachte du wärst von DC …«
Nanana, wir wollen hier doch nicht spoilern!
Ach was, mein Film ist derart abwechslungsreich und da ist dermaßen viel los, und ein schieres Feuerwerk an Bonmots, insbesondere von mir, nein, ausschließlich von mir, den kann man mit einem Satz gar nicht spoilern.
Na ich weiß nicht, wenn ich jetzt beispielsweise erzählen würde, dass gleich am Anfang deine …
Das geht jetzt aber wirklich zu weit!
Sag ich doch. Und da das Ganze im X‑Men-Umfeld spielt, bekommen auch die natürlich ihr Fett ausreichend weg, das sind für Kenner der Materie einige der besten Lacher im Film, aber auch Muggles werden ausreichend bedient. Mit dabei sind natürlich auch wieder Colossus, Negasonic Teenage Warhead (wie immer erfreulich mies drauf) und ganz neu: deren Freundin (lies Freundin bitte als: Lover; danke, Drehbuchautoren!).
Bei solchen Streifen kann man natürlich ohne zu spoilern nicht viel zur Handlung sagen, aber nehmen wir einfach mal an, dass DP …
Das bin ich.
Ja, das wissen die Leser, die sind nämlich nicht blöd. … dass DP sich mit einem jungen, übergewichtigen Mutanten namens Russell anfreundet, der in einer … hm … Aufbewahrungsanstalt … kaserniert wird, wie so viele andere Kinder mit Superfähigkeiten im X‑Universum. Dort werden die Kids allerdings für abnorm gehalten und entsprechend drangsaliert, so dass Russel sich irgendwann wehrt und seine immensen Feuerkräfte einsetzt, was zu einem Großaufgebot an Cops führt und die X‑Men auf den Plan ruft. Na gut … Teile davon … also … die zweite Garde.
Und der gehöre ich ich zufällig gerade an, weil mein Kumpel Colossus mich unter seine Fittiche genommen und in die Schule von diesem Patrick- Stewart-Klon geholt hat, um mich nach einem … äh … Schicksalsschlag wieder aufzupäppeln.
Du bist ein X‑Man in Ausbildung.
Jaja, Klugscheißer.
Das sagt der, der danach einen Haufen Volltrottel als Superhelden-Team anheuert … na gut mit einer Ausnahme …
Aber Deadpool bleibt nicht lange ein X‑Trainee, denn er kann und will sich nicht an Regeln halten. Total zufällig stolpert auch noch ein Supersoldat der Zukunft namens Cable (Josh Brolin, siehe oben) per Zeitreise in die ohnehin nicht unkomplizierte Handlung. Der will den Tod seiner Frau und Tochter rächen, die in einer dystopischen Zukunft von einem Mutanten getötet wurden. Dabei ist er in der Wahl seiner Mittel wenig zimperlich.
»Zimperlich«! Tolles Wort! ich liebe solche deutschen Wörter, auch »Kindergarten« oder »Zeitgeist«.
Jaja, »Zeitgeist« … Warum schreibst du hier eigentlich in deutsch? Aber lassen wir das … Sag mal, Deadpool, stellenweise ist der Plot ja schon ein wenig vorhersehbar. Also … sehr vorhersehbar.
Ja, was willst du denn? Ich weise doch selbst im Film ein paar Mal darauf hin, dass sie sich im Drehbuch an ein einigen Stellen zu leicht aus der Affäre ziehen. Was soll ich denn sonst noch machen?
Dubstep tanzen?
Nein.
Gut. Kennt ja in der Zukunft eh keine Sau mehr. Ansprechen sollte ich vielleicht nochmal, dass der Film eine Freigabe ab 16 hat, zumindest wurde nichts anderes angekündigt. Es wird also nicht nur äußerst bunt und kreativ gestoben …
Und das macht eine Menge Spaß!
Du machst ein paar Mal den Eindruck, als wäre es nicht spaßig.
Das nennt man Schauspielerei.
Äh … Ach so. Wo war ich? Ach ja: Es wird also nicht nur äußerst bunt und kreativ gestorben …
Und ständig!
Ja, verdammt, kann ich jetzt bitte mal ausreden?
Okay, okay, bin schon ruhig.
Es wird also nicht nur äußerst bunt und kreativ gestorben, die Sprache ist zudem mit … äh … blumigen Metaphern geradezu gespickt. Aber auch das kennen wir bereits aus dem ersten Teil, hier also nichts Neues.
Dennoch aber die klare Ansage: für zart Besaitete ist dieser Film definitiv nichts, auch dann nicht, wenn die Gewaltszenen derart grotesk überhöht und meist gleich wieder mit Gags entschärft werden, dass man sie im Prinzip gar nicht ernst nehmen kann. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass DEADPOOL 2 bei den üblichen Verdächtigen unter Popkultur-Kritikern oder bigotten Politikern wieder für pochende Adern sorgen dürfte.
Ach, die sollen sich nicht so anstellen. Es wird keiner durch das Ansehen irgendwelcher Kinofilme brutalisiert. Irgendwas ist doch angeblich immer schuld. Rock’n’Roll in den 50ern, Horrorfilme in den 70ern, Metal in den 80ern, Computerspiele. Jedes Mal versucht man den schwarzen Peter einer beschissenen Gesellschaft irgendwelcher Popkultur zuzuschieben. Und das obwohl es inzwischen reichlich Studien von schlauen Eierköpfen gibt, die belegen, dass das nicht so ist und Erziehung oder Umfeld hier weitaus schwerer wiegen.
Jungejunge. Bist Du unter die PR-Leute gegangen? Oder hast Du gar eine Message?
Ist doch wahr! Du hast doch damals auch diesen Dirty Harry oder irgendwelche Slasher-Horrorstreifen angeguckt oder Doom geballert und bist nicht zu einem Psychopathen geworden.
Die einen sagen so, die anderen sagen so …
Oh …
Und selbst aus vermeintlichen Splatterszenen werden noch gute Gags sublimiert, beispielsweise, wenn es den Helden in der Mitte zerreißt (das geht aber eh nicht als Splatterszene durch, weil er die ganze Zeit weiter sabbelt). Und was vorhersehbar nicht von Dauer ist (deswegen kein Spoiler) und er danach an den entsprechenden Stellen Gaffertape am Kostüm trägt, weil er es da wieder zusammengeklebt hat. Es ist halt nicht so leicht, mitten im Film ein neues Kostüm zu bekommen. Achtet mal drauf.
Wäre auch nicht mehr im Budget gewesen.
Ich denke, ich sollte hier mal zu einem Ende kommen.
Das denke ich allerdings auch.
Schnauze.
Alles in allem ist DEADPOOL 2 wie bereits sein Vorgänger ein ganz grandioses Camp-Movie ohne jegliche Längen und mit einem schieren Feuerwerk an zahllosen Gags, darunter auch ziemlich geschmacklose, die aber trotzdem zünden (oder gerade deswegen). Insbesondere wie die von Deadpool schnell gecastete Superheldentruppe X‑Force … aber das erzähle ich besser auch nicht. Wegen Spoilern.
Sie haben es tatsächlich geschafft das Konzept des ersten Teils auch in DEADPOOL 2 nochmal frisch zu halten, und eigentlich sogar noch einen drauf zu setzen. Und dabei zeigt der Söldner mit dem losen Mundwerk diesmal sogar fast so etwas wie menschliche Züge und … ein Herz.
Awwwww. Das hast du gemerkt?
Meinst du ich bin blöd?
Ich habe das Recht zu schweigen.
Wäre auch besser!
Also: Wer mit comichaft überzogenen Gewaltszenen leben kann (die in den allermeisten Fällen auch sofort mit einem Lacher entschärft und ins Groteske gezogen werden), bekommt einen äußerst unterhaltsamen und … äh … totwitzigen DEADPOOL 2 mit haufenweise Seitenhieben auf andere Marvel-Helden, Kultur und Popkultur. Ansehen.
Danke!
Bitte.
Ich habe den Film in der Pressevorführung übrigens im englischen Original gesehen und das ist auch ganz sicher gut so, denn die … äh … farbige Sprache wird vermutlich nicht brauchbar ins Deutsche übertragen werden, ebensowenig glaube ich an eine vernünftige Übersetzung der unzähligen Gags.
Ja, ihr seid in der Hinsicht ganz schöne Spießer und Stümper, da in Krautland.
Ich würde jetzt als Antwort auf »Spießer« fast über Amerikas Puritaner referieren, aber der Film wurde aus Kanada produziert … Bin gespannt was die Amis zu deinem zwergenhaften Pullermann sagen werden.
He! … der wächst noch!
Sicher. Übrigens lohnt es sich auch hier, wie so oft bei Filmen, auf denen »Marvel« steht, nicht gleich zu Beginn des Abspanns das Kino zu verlassen. Da passiert noch ’ne Menge, unter anderem mit Ryan Reynolds.
Mit wem?
Ryan Reynolds. Kennst Du nicht. Hat GREEN LANTERN gespielt.
Scheißfilm.
Eben.
Wenn ich so drüber nachdenke: »PhantaNews« wäre auch ein toller Name für einen Superhelden.
Nein.
Saftsack.
Klugscheißer.
DEADPOOL 2
Besetzung: Ryan Reynolds, Josh Brolin, Zazie Beetz, Julian Dennison, Morena Baccarin, Brianna Hildebrand, Shioli Kutsuna, Stefan Kapicic, Karan Soni, Rob Delaney, Leslie Uggams, u.v.a.m.
Regie: David Leitch
Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick, Ryan Reynolds basierend auf den MArvel-Comics von Rob Liefeld und Fabian Nicieza
Produzenten: Simon Kinberg, Lauren Shuler Donner und Ryan Reynolds
Ausführende Produzenten: Jonathon Komack Martin, Kelly McCormick, Rhett Reese, Ethan Smith, Aditya Sood, Paul Wernick und Stan Lee
Kamera: Jonathan Sela
Schnitt: Craig Alpert, Elísabet Ronaldsdóttir, Dirk Westervelt
Musik: Tyler Bates
Produktionsdesign: David Scheunemann
Besetzung: Marisol Roncali und Mary Vernieu
144 Minuten
USA, Kanada 2018
Promofotos Copyright Twentieth Century Fox
p.s.: Die Überschrift ist nicht SEO-optimiert, der Text ohnehin nicht, deswegen hier nochmal: DEADPOOL 2, DEADPOOL 2, DEADPOOL2 und verdammt nochmal: DEADPOOL 2!