Nun mögen die Meinungen über Markus Heitz – beziehungsweise seine Bücher – auseinander gehen, insbesondere die Anspruchsfanatiker im altgedienten SF- oder Fantasy-Fandom lassen ja gern mal kein gutes Blatt an ihm (was außer denen keinen wirklich interessiert), aber meiner Ansicht nach liefert der Autor regelmäßig sehr lesbare und vor allem sehr kurzweilige phantastische Werke ab, die vor allem eins wollen: unterhalten.
Und daran kann ich beileibe nichts Verwerfliches finden.
Infotext des Verlags:
In Leipzig hütet ein Bestatter ein grausames Geheimnis, in Minsk führt eine skrupellose Wissenschaftlerin tödliche Experimente durch, in Paris rast ein Airbus ungebremst in ein Flughafenterminal … Die Ermittlungen zu dem Unglück beginnen sofort – aber die Ergebnisse sind rätselhaft: Sämtliche Insassen waren schon tot, bevor das Flugzeug auf das Gebäude traf. Was die Polizei jedoch nicht herausfindet, ist, dass es einen Überlebenden gibt. Konstantin Korff, der Bestatter aus Leipzig, kommt diesem Überlebenden hingegen schnell auf die Spur, ebenso wie die Wissenschaftlerin – denn diese drei Menschen tragen denselben tödlichen Fluch in sich. Einen Fluch, der sie zu einer Gefahr für jeden in ihrer Umgebung macht …
ONEIROS ist im Prinzip »nur« ein Thriller, dem man streng genommen noch nicht einmal einen übersinnlichen Hintergrund unterstellen kann, sondern den man im Großen und Ganzen auch mit Wissenschaft zu erklären versuchen könnte. Natürlich mit Grenzwissenschaft, aber Heitz hebt nicht dermaßen ab, dass wir uns in den Bereichen von beispielsweise US-Mystery-Serien wie AKTE X bewegen würden. Das Schöne daran aber ist vor allem, dass sich der Leser seine Gedanken zum Hintergrund, zum Thema des Romans auch prima selbst machen kann, denn der Autor lässt im Prinzip viele – wenn nicht alle – Richtungen offen, macht Andeutungen zu Mystik, Esoterik, aber auch zur Wissenschaft, so dass man in seiner Interpretation frei bleibt.
Auch gibt sich Markus Heitz trotz eines existenten Hauptcharakters nicht mit diesem zufrieden, sondern beleuchtet zudem noch diverse weitere Figuren recht intensiv, manch einem mögen hier zu viele Handlungsebenen bedient werden, mir hat das ausgesprochen gut gefallen, insbesondere bei einem Ziegelstein von 624 Seiten lockert das ungemein auf und lässt keine Langeweile aufkommen.
Die Charaktere sind erfreulich eckig, haben alle irgendwelche düsteren Flecken in ihrer Historie. Zudem wird bei scheinbar »bösen« Figuren der Hintergrund beleuchtet, so dass die Motivationen für ihre Handlungen zwar nicht entschuldbar, aber doch zumindest in Teilen verständlich und nachvollziehbar werden. Ganz große Klasse.
Ebenfalls erwähnen muss man die ehrliche Sprache, der die Figuren sich bedienen, das sind keine gestelzten Pseudo-Dialoge, wie man sie sonst gern mal findet, nein, die Charaktere sprechen wie Du und ich und dazu gehört auch der ein oder andere Fluch.
An ein paar Stellen hat man den Eindruck, als könne der Autor sich nicht ganz entscheiden, ob er seine Helden (oder Antagonisten) nun an Übersinnliches oder Flüche glauben lassen will, oder doch lieber an Wissenschaft, aber das ist Gemecker auf hohem Niveau, ein anderer Rezensent mag ihm das vielleicht zugute halten, da er hiermit eventuell auch die (Selbst-) Zweifel der der Charaktere angesichts der schwer verständlichen Umstände aufzeigen möchte. Das ist dann meiner Ansicht nach allerdings nicht so richtig gelungen.
Die Vorbilder zu diesem Thriller sind deutlich zu erkennen, Markus Heitz orientiert sich an den Erzählweisen und auch an Versatzstücken, wie wir sie zumeist aus US-amerikanischen Fernsehserien kennen, schafft es aber erfreulicherweise, dem Ganzen dennoch ein teilweise deutsches, teilweise europäisches Flair zu verleihen, was den Roman von ähnlichen Vertretern aus den USA positiv abhebt.
Dieses Anlehnen an Erzählweisen wie wir sie aus Film und Fernsehen kennen, mit Cliffhangern an den richtigen Stellen, um die Spannung zu steigern, macht das Buch zu einem echten Pageturner, den man nur ungern aus der Hand legt, denn man möchte eigentlich doch nur noch ein paar Seiten lesen, um zu erfahren, wie das Ganze weiter geht.
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass ich mich zurück halte, was den Inhalt, die Story, angeht. Das hat auch seinen Grund, denn es wäre äußerst schade, hier Details vorweg zu nehmen – also zu »spoilern«, wie man auf Neudeutsch sagen würde. Allerdings habe ich für mich erfreut festgestellt, dass Heitz sich hier zwar bei mehr und weniger bekannten Mythen und Märchen bedient hat, aber dennoch ein sehr eigenständiges Szenario erschuf, das mir so noch nicht unter gekommen ist. Er ist in der Lage, einen neuen, einen innovativen Hintergrund zu schaffen, einen den man noch nicht kennt. Das ist etwas völlig anderes als die zehnten Aufgüsse lange ausgelutschter Themen, die man uns anderswo als Neuerscheinung andrehen will.
Die Betrachtungen zum Inhalt möchte ich damit abschließen, den Roman Phantastik- und Thriller-Freunden ausdrücklich als kurzweiligen Lesestoff mit einem höchst interessanten und vor allem neuen Szenario abseits ausgetretener Pfade zu empfehlen.
Anmerken möchte ich allerdings noch etwas zur Bearbeitung. Publikumsverlage werden es nicht müde immer wieder zu betonen, dass sie im Gegensatz zu Selfpublishern in Sachen Büchern neben der Werbung vor allem die Dienstleistung des »Veredelns« anbieten, also durch Lektorat und Korrektorat einen Text verbessern.
Beim Lektorat kann ich mich nicht beschweren, das ging wohl in Ordnung, wobei ich natürlich nicht weiß, wie qualitativ die Texte sind, die der Autor liefert und ob da noch viel nachbearbeitet werden muss.
Beim Korrektorat allerdings muss Knaur sich sagen lassen, dass es in ONEIROS Defizite gibt. Ich lasse mir ja Text- oder orthografische Fehler, die eine Textverarbeitung nicht auf Anhieb erkennen kann, vielleicht gerade noch gefallen, auch wenn das bei einem »professionellen Produkt« nicht passieren sollte. Dass aber beispielsweise an zig Stellen im Text ein offensichtlicher Copy&Paste- (oder Makro-) Fehler wie »unbarHmerzig« (und ähnliche) weder entdeckt noch ausgemerzt wird, ist peinlich. Auch ein paar andere Patzer sind derart offensichtlich, dass man hier nur davon ausgehen kann, dass das Korrektorat nicht mit der nötigen Intensität durchgeführt wurde. Und das ist bei einem Taschenbuch für 15 Euro nicht akzeptabel, immerhin begründet man die meiner Ansicht nach überhöhten Buchpreise auch immer wieder damit, dass man dafür dann aber auch Qualität erhält.
Letztendlich hilft einem der kurzweilige und erfrischend andere Inhalt dann aber doch darüber hinweg und das wäre auch weniger ärgerlich, wenn Verlagsvertreter nicht ständig über Qualität schwadronieren würden.
Alles in allem also eine deutliche Kaufempfehlung.
ONEIROS – TÖDLICHER FLUCH
Markus Heitz
phantastischer Thriller
Taschenbuch, broschiert
2, Mai 2012
624 Seiten
14,99 Euro (Taschenbuch)
12,99 Euro (Kindle)
24,99 Euro (Hörbuch)
ISBN-10: 3426505908
ISBN-13: 978–3426505908
Knaur
Cover ONEIROS Copyright 2012 Knaur
Bild Markus Heitz auf dem PERRY RHODAN-Weltcon 2011 in Mannheim von mir, CC BY-NC-SA
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Ich staune über Deine Fähigkeit, einen halben Verriß mit zitierfähiger Lobhudelei auszustatten. Bringst Du mir das bei? :-)))
Nein :)
Übrigens ist Oneiros, wie jeder Bewohner der Welt Azeroth weiß, eigentlich ein Teil der Insel Feralas… ;)