Bandit bespricht: THE STAND – erste Episode

THE STAND – Starz­play via Ama­zon Prime, ab 03.01.2021 wöchent­lich

Wie will man objek­tiv urtei­len, wenn man die Roman­vor­la­ge kennt, oder die Film­ad­ap­ti­on von 1994. Schlim­mer noch, man ist begeis­ter­ter Anhän­ger von bei­dem. Man soll­te nicht etwa im Sin­ne des Wor­tes urtei­len, wie eigent­lich ein geneig­ter Leser immer zu erwar­ten haben soll­te, son­dern nüch­tern und prag­ma­tisch rezen­sie­ren. Wel­che Recht­fer­ti­gung hat also der Rezen­sent, wenn er sich als ehr­furchts­vol­ler Ver­eh­rer des Romans zu erken­nen geben muss? Zudem er geste­hen soll­te, auch Sym­pa­thi­sant der vier­tei­li­gen Mini-Serie zu sein. Übri­gens mit den­sel­ben Vor­be­hal­ten, die auch Mis­ter King selbst umtrei­ben. Dem umsich­ti­ge Leser ist zumin­dest gewahr, dass er nega­ti­ve, oder viel­leicht sogar posi­ti­ve Kri­tik, als durch­weg sub­jek­ti­ve Mei­nung bewer­ten muss. Denn THE STAND, von und Ben­ja­min Cavell kon­zi­piert, macht schon in der ers­ten von neun Fol­gen alles falsch, was man nicht falsch machen soll­te.

Epi­so­de 1 – DAS ENDE: Für Ken­ner des Buches ist es nicht schwer, die aus der Chro­no­lo­gie geris­se­nen Sze­nen zeit­lich ein­zu­ord­nen. Für unbe­darf­te Zuschau­er wird es nicht ein­fach, den stän­dig wech­seln­den, min­des­tens drei Zeit­ebe­nen zu fol­gen. Viel­leicht hat­ten die Macher einen krea­ti­ven Hin­ter­sinn, der wird aller­dings weder sicht­bar noch span­nungs­tech­nisch rele­vant. Es macht kei­nen Sinn, um es ver­ein­facht aus­zu­drü­cken. Schon die ers­ten 58 Minu­ten zei­gen, wel­che Cha­rak­te­re die beschwer­li­che Rei­se zum Ziel Boulder/​Colorado erle­ben wer­den und auch wel­che Rol­le ihnen im letz­ten Gefecht zuge­stan­den wird. Es wäre natür­lich span­nend gewe­sen, wür­den sich die zeit­li­chen Sprün­ge gegen­sei­tig im Hand­lungs­ver­lauf beein­flus­sen. So aller­dings hat es einen will­kür­li­chen Effekt.

Gute Span­nungs­mo­men­te gibt es kaum und das Grau­en der sich rasant aus­brei­ten­den Pan­de­mie und den Fol­gen wird sel­ten spür­bar. Die Macher schei­nen sich dabei zu sehr auf das Kopf­ki­no des Zuschau­ers zu ver­las­sen (Regie Boo­ne und Dreh­buch Boo­ne und Cavell selbst). Und sie set­zen auch exzes­siv auf die cha­ris­ma­ti­sche Wir­kung diver­ser Dar­stel­ler. Hamish Link­la­ter als Dok­tor des Seu­chen­zen­trums wird her­vor­ra­gend ein­ge­führt, um letzt­end­lich nur zum Hand­lungs­spiel­zeug für die Flucht von Mars­dens Stu Red­man zu ver­kom­men.

In nur einer Sequenz bestrei­tet J.K. Sim­mons als Befehls­ha­ber des Seu­chen­zen­trums die ein­dring­lichs­te und bewe­gends­te Sze­ne. Sein beein­dru­ckend gespiel­ter Mono­log erfasst genau die Stim­mung, wel­che die­se ers­te Fol­ge eigent­lich über sei­ne gesam­ten 58 Minu­ten füh­ren soll­te. Doch dann kommt Who­o­pi Gold­berg als hun­dert­vier­jäh­ri­ge Abi­ga­il Free­mant­le, die zen­tra­le Figur des Kamp­fes gegen das Böse. Doch was soll man über ihren sehr kur­zen Auf­tritt in die­ser Ein­stiegs­epi­so­de sagen, es ist ein­fach Who­o­pi Gold­berg die vor­gibt eine Hun­dert­vier­jäh­ri­ge zu spie­len. Nach die­sem ers­ten Blick zu urtei­len, soll­ten sich King-Fana­ti­ker und Lieb­ha­ber der ers­ten Ver­fil­mung von der güti­gen, ein­neh­men­den Abi­ga­il ver­ab­schie­den, die glaub­haft ihr vor­ge­ge­be­nes Alter und deren Weis­heit ver­kör­pert.

Owen Teague ist ganz sicher eine ganz aus­ge­zeich­ne­te Beset­zung für den debi­len Harold Lau­der. Auch ihn kann man als schau­spie­le­ri­schen Licht­blick sehen. Aber es stellt sich die Fra­ge, war­um es sei­ner Figur nicht gegönnt ist, den cha­rak­ter­li­chen Wan­del von über­stra­pa­zie­ren­der Lie­bens­wür­dig­keit zu psy­cho­ti­scher Gefähr­lich­keit über einen linea­ren Ver­lauf der Hand­lung beob­ach­ten zu kön­nen. Die eigent­li­che Span­nung im Cha­rak­ter­auf­bau geht ver­lo­ren.

Boo­ne und Cavell haben sich eini­ge lus­ti­ge Insi­der ein­fal­len las­sen, am auf­fal­lends­ten ist der Brief des Ceme­tery Dance Ver­la­ges, ein publi­zie­ren­der Lieb­ling von Ste­phen King. Aber die­se Ein­streu­er trös­ten kaum dar­über hin­weg, dass THE STAND mit »Das Ende« kei­nes­wegs der Auf­hän­ger für eine Serie gelun­gen ist, die wie kaum eine ande­re erwar­tet wur­de. Der Urva­ter selbst, der bereits 1994 das Dreh­buch ver­fass­te und auch mit Pro­du­zent war, zeig­te sich im Vor­feld begeis­tert, weil nun viel mehr Lauf­zeit und ein wesent­lich höhe­res Bud­get zur Ver­fü­gung stan­den.

Zu sehen ist davon in die­sem Auf­takt wenig. Bei einer Adap­ti­on ergibt sich zwangs­läu­fig die Not­wen­dig­keit von Ver­än­de­rung. Das müs­sen selbst schärfs­te Kri­ti­ker zuge­ste­hen. Und auch gegen­über einer bereits vor 25 Jah­re gelun­ge­nen Erst­ver­fil­mung kön­nen neue Inter­pre­ta­tio­nen nicht aus­blei­ben, um nicht selbst obso­let zu wer­den. Aber die bis hier­hin sicht­ba­ren Ände­run­gen in Hand­lungs­struk­tur, Insze­nie­rung und Moti­va­ti­on wir­ken eher unbe­hol­fen anstatt inno­va­tiv, gewöhn­lich anstel­le von inter­es­sant.

Dafür dass man nicht mehr an alte Sen­de­mus­ter und alters­be­ding­te Beschrän­kun­gen gebun­den ist, zudem die Mög­lich­kei­ten visu­el­ler Effek­te fast gren­zen­los gewor­den sind, ist »Das Ende« spär­lich insze­niert. Es mag sei­ne Vor­tei­le haben, weil Ste­phen Kings eigent­li­che Schreib­stär­ken immer auf sei­nen Figu­ren lagen. Sie sind es auch die das Buch bestim­men und die Geschich­te in Form brin­gen. Das ist nach 58 Minu­ten THE STAND abso­lut nach­voll­zieh­bar und eben­so fokus­siert. So redu­ziert sich die Dimen­si­on des Schre­ckens auch auf kam­mer­spiel­ar­ti­ge Dia­lo­ge. Das ist aber zu wenig.

In den letz­ten Jah­ren hat sich mehr und mehr gezeigt, dass sich King gegen­über Adap­tio­nen sei­ner Wer­ke immer vor­be­halt­lo­ser und nicht immer sehr glaub­haft eupho­risch zeigt. Gute Publi­ci­ty von sei­ner Sei­te ist selbst­ver­ständ­lich auch gute Bewer­bung der eige­nen Bücher. Das war bei der Neu­ver­fil­mung von ES genau­so, wie nun bei Josh Boo­nes und Ben­ja­min Cavells THE STAND. Als Buch reiht es sich wegen sei­ner immensen Kom­ple­xi­tät in eine sehr kur­ze Lis­te der am schwie­rigs­ten zu ver­fil­men­den, dadurch span­nends­ten, Vor­la­gen der letz­ten vier­zig Jah­re. Trotz der Restrik­tio­nen durch Pro­gramm­sche­ma, Bud­ge­tie­rung und mora­li­sche Selbst­be­schrän­kung ist aber bereits Mike Gar­ris 1994 eine den Umstän­den ent­spre­chend vor­treff­li­che Ver­fil­mung gelun­gen.

Mit den vor­an­ge­gan­ge­nen 900 Wor­ten ist offen­sicht­lich, dass der Rezen­sent eigent­lich kein tie­fe­res Ver­lan­gen ver­spürt, die­se Serie wei­ter zu ver­fol­gen. Zumin­dest ist eine Emp­feh­lung nicht zu erwar­ten. Was den wei­te­ren Kon­sum wahr­schein­lich macht, ist die Mög­lich­keit auf ein selbst­ge­rech­tes »ich habe es doch gesagt«. Und die Aus­sicht, dass King selbst die letz­te Epi­so­de in Dreh­buch­form gebracht hat, mit einem neu­en, abge­än­der­ten Schluss.

THE STAND
Dar­stel­ler: James Mars­den, Odes­sa Young, Owen Teague, Jovan Ade­po, Alex­an­der Skars­gård, Who­o­pi Gold­berg, Amber Heard, Nat Wolff, Ezra Mil­ler, Gor­don Cor­mier u.v.a.
Regie: Josh Boo­ne, Bridget Sava­ge Cole, Dani­elle Kru­dy, Tucker Gates, Chris Fisher, Vin­cen­zo Nata­li
Dreh­buch: Josh Boo­ne, Ben­ja­min Cavel­le, Jill Kil­ling­ton, Owen King, Kna­te Lee
nach dem Roman von Ste­phen King
Kame­ra: Elie Smol­kin, Tho­mas Yats­ko
Bild­schnitt: Matthew Run­dell, Robb Sul­li­van, Rob Bonz, Marc Clark
Musik: Mike Mogis, Nate Wal­cott
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Aaron Haye
9 Epi­so­den
je ca. 55 Minu­ten
USA 2020

Bild­rech­te: STARZPLAY /​ CBS All Access

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