Bandit bespricht: Mike Cahills BLISS

BLISS – Ama­zon Prime Video

Fil­me über alter­na­ti­ve Par­al­lel­wel­ten wer­den stets ihre Fas­zi­na­ti­on behal­ten, so wie das Kon­zept des ein­zel­nen Tages in einer Zeit­schlei­fe. Als Fil­me­ma­cher und Autor hat Mike Cahill das mit sei­nen zwei vor­an­ge­gan­ge­nen Kino­fil­men schon prak­ti­ziert und bewie­sen. BLISS könn­te zu ANOTHER EARTH und I ORIGINS nicht unter­schied­li­cher sein – und gestal­tet sich den­noch so art­ver­wandt. Die Wer­ke von Cahill als Sci­ence Fic­tion zu bezeich­nen, wäre nur eine ober­fläch­li­che Beschrei­bung, selbst wenn man tie­fer in die intel­lek­tu­el­len Aus­wüch­se des Gen­res vor­stößt. Denn was der vom Leben offen­sicht­lich ent­täusch­te Greg Witt­le durch­lebt und in wel­che Bah­nen sein Weg gelenkt wird, lässt sich schwer beschrei­ben. Auf alle Fäl­le ändert es sich, als er die ver­schro­be­ne und etwas her­un­ter­ge­kom­me­ne Isa­bel trifft. Es dau­ert etwas, aber letzt­end­lich kann sie Greg davon über­zeu­gen, dass er nur in der Schein­welt einer Simu­la­ti­on lebt.

Sicher­lich in krea­ti­ver Kor­re­spon­denz mit dem Regis­seur, hat sich Kame­ra­mann Mar­kus För­de­rer eini­ges Prä­gnan­tes ein­fal­len las­sen, um die bei­den Wel­ten optisch zu tren­nen. Die Welt in der Simu­la­ti­on, in der sich Greg und Isa­bel ken­nen­ler­nen, ist in trost­lo­sem Blau und Grau gehal­ten, alle ande­ren Far­ben ver­wa­schen. Die Rea­li­tät, in die Isa­bel ihren ver­meint­li­chen Kol­le­gen zurück­holt, hat kraft­vol­le Far­ben. Durch Fil­ter ver­wan­deln sich blen­den­de Licht­ein­streu­er in leuch­ten­de Farbstreifen.

Das sind ein­fa­che und schon sehr oft ver­wen­de­te Mit­tel um den Zuschau­er nicht nur zu ori­en­tie­ren, son­dern ihn auch emo­tio­nal zu beein­flus­sen. Aber es funk­tio­niert immer wie­der und auch hier erreicht es wir­kungs­voll sein Ziel. Ansons­ten muss sich För­de­rer den Vor­wurf gefal­len las­sen, nicht viel mehr zu einer erwei­ter­ten Erzähl­ebe­ne bei­zu­tra­gen und er sich eher auf einen soli­den Stan­dard in der Bild­ge­stal­tung beruft.

Es über­rascht nicht, das Mike Cahill eine ande­re Geschich­te erzählt, als man anfäng­lich und auch durch das Mar­ke­ting for­ciert, zu erle­ben hoff­te. Nur wie er sie erzählt ist nicht wirk­lich gelun­gen. Das liegt aber an der nüch­ter­nen Ein­bin­dung der fan­tas­ti­schen Ele­men­te. Genau­so unbe­darft wie Greg sich von Isa­bels Erklä­run­gen beein­dru­cken lässt, so wird auch für den Zuschau­er das Prin­zip der zwei Wel­ten schnell nach­voll­zieh­bar und von ihm akzep­tiert. Dass am Ende dann doch etwas ganz ande­res dabei her­aus kom­men soll, ist dann längst ent­rückt und nur noch schwer greifbar.

Für Greg geht es in ers­ter Linie dar­um, her­aus­zu­fin­den wel­che die­ser bei­den Wel­ten die rea­le ist. Bleibt er der her­un­ter­ge­kom­me­ne Obdach­lo­se, oder muss er nur ein­fach sei­ne Iden­ti­tät als revo­lu­tio­nä­rer Wis­sen­schaft­ler wie­der fin­den. Wenn sich aller­dings dem Zuschau­er am Ende die Rea­li­tät offen­bart, hat die Hand­lung als Rät­sel­la­by­rinth ver­sagt. Denn was zar­te Hin­wei­se auf Sein und Schein sein soll­ten, ent­pup­pen sich als fal­sche Fähr­ten. Wie jener Fuß­gän­ger im kaum wahr­ge­nom­men Hin­ter­grund, der sich wie ein Feh­ler in einer Com­pu­ter­si­mu­la­ti­on plötz­lich ver­drei­facht. Nur pas­siert dies in der rea­len Ebene.

Viel­leicht mag die­ses Bei­spiel auch ein künst­le­risch ver­spiel­ter Trick sein, der für Mike Cahill eine beab­sich­tig­te Des­ori­en­tie­rung lie­fern soll. Die­se Erkennt­nis käme aber eben­falls viel zu spät, erst mit der Auf­lö­sung. Da hat man sich längst ver­lo­ren zwi­schen dem was man erwar­ten hat, was man erlebt, und wel­ches Ende es nimmt. Den Kern der Geschich­te könn­te man wesent­lich kon­kre­ter umset­zen, aber auch noch viel meta­phy­si­scher aus­ge­stal­ten. Mike Cahill hat es aber auf die­se Art gewollt, und so auch umgesetzt.

 

Dass die Erzäh­lung noch einen par­al­le­len Hand­lungs­strang ein­bin­det, macht die intel­lek­tu­el­le Erfah­rung nicht inter­es­san­ter, son­dern ver­wir­ren­der. Die­ses Neben­gleis macht offen­sicht­lich, was die pri­mä­re Hand­lung im Rät­sel­spiel ver­heim­li­chen möch­te. Das wie­der­um wür­de nur funk­tio­nie­ren, wenn kon­kret gefasst wäre, wes­sen Geschich­te tat­säch­lich erzählt wird.

Die tem­pe­ra­ment­vol­le Mexi­ka­ne­rin und der lako­ni­sche Ame­ri­ka­ner geben ein unge­wöhn­li­che aber inter­es­san­tes Paar. Es wäre sicher­lich eine sehens­wer­te Erfah­rung, Sal­ma Hayek und Owen Wil­son ein­mal in einer gewöhn­li­che­ren, emo­tio­nal tie­fer grei­fen­den Bezie­hungs­ge­schich­te erle­ben zu dürfen.

In BLISS jeden­falls scheint Wil­son nicht wirk­lich moti­viert, obwohl der ers­te Ein­druck von sei­nem Cha­rak­ter der voll­kom­men rich­ti­ge ist. Gebro­chen, trau­rig und ohne Antrieb schleppt sich die­ser Greg durch die Sze­ne­rie. Doch selbst wenn sei­ne Figur Auf­wind bekommt, das auf­re­gen­de Mys­te­ri­um ihn mit Leben erfül­len soll, spie­gelt Wil­son ein Abbild zwi­schen Ahnungs­lo­sig­keit und Melancholie.

Greg wird nicht wirk­lich greif­bar, bleibt emo­tio­nal undurch­sich­tig, dabei wür­de man von die­sem Kerl ger­ne mehr erfah­ren, ihn ein­schät­zen ler­nen. Doch Wil­son spielt ihn zu undif­fe­ren­ziert und sta­tisch, was beson­ders die Auf­lö­sung der Geschich­te beeinträchtigt.

Dass auch Sal­ma Hayek cha­rak­ter­lich nicht sehr in die Tie­fe gehen kann, ist zwei­fel­los dem Hin­ter­ge­dan­ken des Films geschul­det. Doch ihre Isa­bel ist schlicht­weg zu domi­nant, was Greg auch in ers­ter Linie zu ihr hin­zieht. Hayek gibt ihr kei­ne Lie­bens­wür­dig­keit, kein Gefühl von Herz­lich­keit. Dass Isa­bel ein undurch­sich­ti­ger Cha­rak­ter sein soll, passt the­ma­tisch, lässt aber Empa­thie ver­mis­sen, wel­che die Fas­zi­na­ti­on für ihre Figur erklä­ren könnte.

Immer wie­der baut Mike Cahill inter­es­san­te Momen­te und Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten auf, die er aber mit selbst auf­er­leg­ter Über­hö­hung von Inhalt, sub­ver­si­ver Deu­tung und Meta­pho­rik hin­ter­geht und in Fra­ge stellt. Ohne Zwei­fel ist es eine neue und ori­gi­nel­le Vari­an­te über alter­na­ti­ve Par­al­lel­wel­ten, sie wird aller­dings dem eigent­li­chen Kern­the­ma um Greg Witt­le kaum gerecht.

BLISS
Dar­stel­ler: Owen Wil­son, Sal­ma Hayek, Nes­ta Coo­per, Jor­ge Len­de­borg Jr.m Ron­ny Chi­eng, Ste­ve Zis­sis u.a.
Regie & Dreh­buch: Mike Cahill
Kame­ra: Mar­kus Förderer
Bild­schnitt: Troy Takaki
Musik: Will Bates
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Kas­ra Farahani
103 Minuten
USA 2021

Bild­rech­te: AMAZON STUDIOS

AutorIn: Bandit

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