THE FLASH – Deutschlandstart 14.06.2023
Das DC Expanded Universe (DCEU) hat es bekanntermaßen nicht leicht. Wo Marvel einen Hit nach dem anderen ablieferte und sogar die mäßigeren Filme noch erfolgreich waren, leistete man sich bei DC und Warner einen Patzer nach den anderen. Und auf Highlights wie WONDER WOMAN und AQUAMAN, die vieles richtig machten, folgte sogleich wieder ein unsäglicher Streifen wie WONDER WOMAN 1984, der das zuvor geleistete wieder zunichte machte. Auch der Director’s Cut von JUSTICE LEAGE war nur so-so. Das ging so weit, dass man Zack Snyder mit seinem grimdark-Zeugs irgendwann absägte und der Job des Head-Honcho kürzlich von James Gunn übernommen wurde, der bei der Konkurrenz mit der GUARDIANS OF THE GALAXY-Trilogie und bei DC mit dem leidlich erfolgreichen und halbwegs witzigen THE SUICIDE SQUAD bewiesen hatte, das er ein Händchen dafür hat, Themen abgefahren, schräg und intelligent neu zu erfinden.
THE FLASH war als eine Art Universums-Reset geplant, der erfolgreiche Teile des DCEU wie Diana Prince und Adam Curry beibehalten sollte, aber eben auch den Weg freimachen für eine andere Ausrichtung.
Der Film THE FLASH hat eine bewegte Geschichte, ursprünglich war geplant, dass er bereits 2018 in die Kinos kommen sollte, also vor sage und schreibe fünf Jahren. Danach wurde es … durcheinander, Drehbuchautoren und Regisseure kamen und gingen, es wurde was gedreht, es wurde neu gedreht und umgeschnitten und nochmal alles geändert. Dazu kamen dann in letzter Zeit auch noch diverse Skandale um FLASH-darstellendes Ezra Miller (Miller ist nonbinär und möchte im Englischen als they/them angeredet werden, im Deutschen fehlen uns dafür leider noch die Sprachkonstrukte). Dass einem Film so etwas nicht gut tun kann, dürfte klar sein. Dennoch bin ich verblüfft, was für eine Katastrophe dabei heraus gekommen ist.
Die Grundgeschichte ist im Prinzip bekannt: FLASHPOINT ist die Story, in der Barry Allen in der Zeit zurück reist, um den Mord an seiner Mutter zu verhindern (Im Film wird übrigens stattdessen von »Schnittpunkten« geredet. Ob sie den deutschen Zuschauern das Wort »Flashpoint« nicht zumuten wollten, weiß ich nicht). Dass das keine wirklich gute Idee ist, wissen nicht nur die Leserinnen der Comics oder die Anhängerinnen der CW-Serie aus dem Arrowverse, das wissen wir alle aus zahllosen Zeitreise-Plots. Damit ist die Prämisse klar und aus der könnte eigentlich auch ein prima Film entstehen.
Leider stehen sich Warner und DC massiv selbst dabei im Weg und scheitern grandios darin, die Genialität Marvels zu kopieren, deren Ganzheitlichkeit aus neuen, abgefahrenen Ideen, Humor und Fanservice. Sie scheitern dabei auf so vielen Ebenen und so krachend, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Es sagt schon eine Menge über einen FLASH-Film, wenn die Highlights darin Batman und Supergirl sind …
Das Problem beginnt schon damit, dass Barry Allen als ziemlicher Depp dargestellt wird. Und das sogar zweimal und einer schlimmer als der andere. Daraus soll Humor entstehen, aber leider sind etliche der Gags monofilamentflach, klamaukig oder einfach nicht witzig bis zur Grenze zum Fremdschämen. Gute Gags stammen in aller Regel von anderen Figuren als den Barry Allens, die geradezu verzweifelt versuchen lustig zu sein und es in fast allen Fällen nicht schaffen. Wer das nicht gesehen hat, macht sich kaum eine Vorstellung, wie der Versuch die Dramatik mit Humor zu entschärfen immer und immer wieder schief geht.
Dann möchten sie Coolness herstellen, scheitern dabei aber schon daran, wie peinlich es wirkt, wenn FLASH sich zum Start in Pose stellt. Die »Flash rennt«-Szenen sehen einfach nicht gut aus, wenn Miller sich ganz langsam bewegt und um ihn herum alles rasend schnell abläuft, da passt die Bewegung absolut nicht zum Rest. Das haben wir im Fernsehen schon mehrfach besser umgesetzt gesehen, warum bekommen die das bei einem Multimillionen-Dollar-Film nicht so hin, dass es zeitgemäß oder vielleicht auch einfach nur gut aussieht? Und warum muss sich Flash erst gefühlt minutenlang in eine Pose stellen, bevor er losrennt (wenn es wenigstens in Zeitlupe gewesen wäre)? Vor allem, wenn die auch noch peinlich aussieht, besonders wenn der Superheldenanzug eh schon durch einen »Arsch frisst Hose«-Effekt die Grenze zur Peinlichkeit ohnehin überschritten hat?
Überhaupt: Manche der VFX gehören zu den schlechtesten, die ich in den letzten Jahren im Kino gesehen habe, es ist mir schleierhaft, wie es manche davon ins Kino schaffen konnten. So groß kann der Zeitdruck doch gar nicht gewesen sein? Bei einigen der Fanservice-Szenen, die durch verschiedene Universen oder Zeitlinien motiviert sind, habe ich unfassbar schlecht umgesetzte Deep Fake-Gesichter gesehen, das können Skriptkiddies zuhause mit Open Source Software und einer mittelschweren Nvidia-Grafikkarte besser. Ehrlich, ich mag mich anhören, als würde ich übertreiben, aber es ist wirklich so, seht es euch selbst an, wenn ihr mir nicht glaubt, es ist einfach unfassbar, dass man sich traut einen Film in diesem Zustand ins Kino zu lassen.
Die Handlung ist ziemlich zerfahren, hätte mit ein wenig handwerklichem und inhaltlichem Geschick beim Drehbuch deutlich ansprechender werden können. Tatsächlich wird der Film ab dem Moment etwas besser, als Michael Keaton als Batman auftaucht (was nun wirklich kein Spoiler ist).
Wie oben schon erwähnt: Sasha Calle als Supergirl und Michael Keaton als gealterter Batman sind wirklich von ihren Darstellungen her die Highlights des Films und insbesondere bei Kara hoffe ich, dass wir sie im resetteten DCEU wiedersehen werden, möglich ist das allemal. Keaton gibt einen desillusionierten aber immer noch fitten Dark Knight und der macht auch wirklich Spaß. Wenn nur nicht immer die beiden Barry Allens nervend dazwischen herumstolpern würden.
Und dann ziehen die Macher in Sachen Batman den Fanservice und die Hommage an die 80er noch nicht mal konsequent durch. In der Bat-Höhle sehen wir das Batmobil aus dem 1989er BATMAN, warum aber der Batsuit und Batwing dann anders aussehen, erschließt sich mir nicht, auch wenn das eben Jahre nach der Handlung im Film spielt. Das sind ebenfalls Punkte an denen man erkennt, dass DC nicht wissen, wie man Fanservice originell und Emotionen generierend inszeniert.
Wie geschrieben: Sasha Calle als Kara gefiel mir außerordentlich gut, insbesondere auch darstellerisch. Aber natürlich musste sie unbedingt ein hautenges Kostüm tragen? Wo sie bei Marvel es im MCU schaffen die Kostüme der Heldinnen an moderne Zeiten anzupassen und eben nicht mehr übersexualisiert darzustellen wie in der Vergangenheit in den Comics, fällt denen bei DC nur einfach was Hautenges ein? (Man muss beinahe froh sein, dass es kein Miniröckchen gab). Und dann auch noch mit einem schlecht gemachten VFX-Cape? Seriously?
DC und Warner wollten so sehr einen Film machen, der sich auf einem Niveau mit Marvel bewegt, dass sie es an allen Ecken und Enden übertreiben, dass sie an den eigenen übergroßen Ansprüchen und dem Wollen größer und besser zu sein als Marvel krachend scheitern. Der Humor ist drüber und oft einfach nicht witzig oder sogar ziemlich peinlich. Die Epik ist stellenweise grotesk überzogen, der Fanservice mit Verneigungen an frühere Filme oder Serien ist nicht cool, sondern entweder übertrieben, in your face oder einfach nur peinlich. Dabei gehen dann auch noch die paar wirklich guten Ideen entweder unter, oder sie werden im verzweifelten Versuch, cool zu sein, so übertrieben, dass es am Ende daneben geht. Dass die Hauptfigur ein Unsympath ist, verschlimmert das Ganze noch (und ich meine Barry Allen, nicht Ezra Miller, über Letzteren kann man anderswo mehr lesen, als man möchte).
Die Auflösung des Film ist von vorneherein klar und macht das in den knapp über zwei Stunden vorher Geschehene noch sinnloser, denn die gesamte Handlung bleibt ohne Konsequenzen, mal davon abgesehen, dass Barry Allen kurz vor Ende doch noch erkennt, dass er vielleicht ein wenig doof ist. Wäre da nicht ein Logikloch in der Handlung, so groß, dass man gleich mehrere Universen durchschubsen könnte …
Kurz vorm Abspann kommt dann nochmal eine wirklich gute Bruce Wayne-Szene, die vermutlich das Highlight des gesamten Films darstellt.
Und dann verkacken sie auch noch die After-Credits-Szene, die so komplett überflüssig, nicht lustig und peinlich ist, dass es fast schon körperlich weh tut. Das hätte es nicht benötigt, nur um darzustellen, dass AQUAMAN in diesem Teil des Multiversums noch existiert, das hatten wir schon dadurch geahnt, dass Momoa die Rolle in der Fortsetzung spielt.
Es tut mir wirklich leid, aber ich kann es nicht anders sagen: Dieser Film scheitert auf so ziemlich allen Ebenen. Wie blöd kann man eigentlich sein, angesichts dessen, was Marvel und Sony gerade abziehen, ausgerechnet ebenfalls auf das Thema Multiversum zu setzen? Und wo MULTIVERSE OF MADNESS und ganz besonders NO WAY HOME zeigen, wie man das Trope inklusive Fanservice auf kreative brilliante Weise umsetzen muss, und ACROSS THE SPIDER-VERSE mit seiner innovativen Umsetzung als Animationsfilm nochmal einen draufsetzt, versemmeln Warner und DC das auf beinahe vollständiger Linie bei dem Versuch, nicht nur ihr DCEU zu retten, sondern das auch noch auf eine Art zu tun, um dem großen Konkurrenten etwas entgegen zu setzen. Ja, ein Multiversum ist auch bei DC schon lange Teil des Lore, geschenkt.
Oh, Mann!
James Gunn wird alle Hände voll zu tun haben, nach diesem Desaster das DCEU wieder auf Spur zu bringen. Ein oder zwei Hinweise dass das klappen könnte habe ich in der Katastrophe gesehen. Nehmt doch einfach Grant Gustin als Speedster …
THE FLASH
Besetzung: Ezra Miller, Sasha Calle, Ben Affleck, Michael Keaton, Michael Shannon, Ron Livingston, Antje Traue, Jeremy Irons, Temuera Morrison, Kiersey Clemons, Saoirse-Monica Jackson, Maribel Verdú, u.v.a.m.
Regie: Andy Muschietti
Drehbuch: Christina Hodson nach einer Story von Joby Harold
Produzenten: Michael Disco, Barbara Muschietti
Ausführende Produzenten: Toby Emmerich, Walter Hamada, Marianne Jenkins, Galen Vaisman
Kamera: Henry Braham
Schnitt: Jason Ballantine, Paul Machliss
Musik: Benjamin Wallfisch
Produktionsdesign: Paul D. Austerberry
Casting: Rich Delia, Kate Ringsell
144 Minuten
USA 2023
Promofotos Copyright Warner Bros.
Hier in Tokyo laufen sowohl Across the Spider-Verse und The Flash an. Gut, dass ich mir für Spidey entschlossen hatte. Das hört sich ja wirklich nicht gut an. Hatte mich insbesondere auch auf Batman gefreut…