THE FLASH – Bundesstart 14.06.2023
Die beste Szene von THE FLASH kommt am Ende zum Titelabspann – und sie ist überhaupt nicht für die Handlung relevant. Was sagt das über diesen Film? Eben jene Szene ist gleichsam der witzigste Moment in THE FLASH. Was sagt das über die Drehbuchschreiber? Ebenso ist sie der einzige überzeugende visuelle Effekt in diesem Film …
Was ist nur los bei Warner, die einen fertig gedrehten Batgirl-Film in die Tonne werfen, aber dieses Monster an planloser Filmgestaltung auf ein bisher immer noch hoffnungsvolles, aber gegenüber dem DCEU weiterhin kritisches, Publikum loslassen? Die verantwortlichen Produzenten Jon Berg und Geoff Johns hatten fast 20 Jahre Zeit. Ernsthafte Überlegungen gab es seit Nolans Sensation BATMAN BEGINS 2005. Konkretere Drehbuchfassungen und Verhandlungen seit 2014. Und schließlich Vorproduktion 2020. Und dann kommt so etwas dabei heraus …
Zuerst muss Barry Allen als Superheld Flash wieder einmal für Batman bei einer wortwörtlichen Baby-Dusche die Kohle aus dem Feuer holen. Und später rennt er in einem ungebremsten (Kalauer beabsichtigt) Wutanfall so schnell, dass er in der Zeit rückwärts läuft. Er könnte also die Vergangenheit ändern, seine Mutter vor der Ermordung retten, und damit seinen fälschlicherweise als Mörder verurteilten Vater aus dem Gefängnis holen. Trotz aller Warnungen lässt es Barry nicht bleiben, und trifft in der Vergangenheit nicht nur auf sich selbst, sondern befindet sich auch noch in einer anderen Zeitlinie. Willkommen im Multiversum.
Das gut gemeinte Drehbuch von Christina Hodson nach Joby Harolds Ausarbeitung, erwähnt zwar sehr ausführlich ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT, ohne aber davon gelernt zu haben. Der Film ist über Maß vollgestopft mit Anspielungen und Querverweisen auf Filme und Comics, so dass wirklich nur eingefleischte Nerds die Versuche in Witz und Plausibilität verstehen können. Wie eben Eric Stoltz als Hautdarsteller in oben aufgeführtem Zeitreise-Klassiker (Stoltz war vorgesehen, und hatte schon Szenen abgedreht bevor er durch Michael J. Fox ersetzt wurde). Das gesamte Konzept von DCEUs Multiversum ist auf Wiedererkennung ausgelegt.
Was daran falsch sein soll? Selbst wenn ein normaler Kinogänger alle Filme des DC Extended Universe gesehen hat, wird er die Szene mit Nicolas Cage im Superman-Kostüm nicht verstehen. Abgesehen davon, dass eben diese gesamte Sequenz grundsätzlich unbefriedigend ist. Als Höhepunkt schlecht konzipiert, schlecht inszeniert, und mit richtig schlechten Effekten. Eigentlich sind Zuschauende verwöhnte Blagen, was Visual Effects im Kino betrifft, so ehrlich muss man sein. Wenn aber nicht einmal der Mindeststandard bei einem auf Effekte ausgelegten Film erfüllt ist, wird es für das Publikum zum echten Ärgernis. Denn Markenname und Budget versprechen mehr.
Das Multiversum wird mit bunten Kugel dargestellt, als hätte man den mit Boccia-Bällen nachgebildeten Entwurf verwendet. Die Gesichter der bekannten Figuren im Multiversum sind nicht einmal Deep-Fake Aufnahmen, sondern schlichte, kaum wiederzuerkennende Computergrafiken. Michael Shannon und Antje Traue machen den Eindruck, als hätte die Macher lediglich Fotoausdrucke ihrer Gesichter hinter die Visiere ihrer Helme geklebt. Und was die Bewegungen von Flash im Hyperspeed-Modus anbelangt, sind diese nicht im Geringsten überzeugend. Zeitraffer und Zeitlupe zu kombinieren erweist sich als optische Katastrophe.
Tom Hanks lässt in seinem neuen Roman eine Figur sagen, dass es keine schlechten Filme gibt, weil jeder Film mit Anstrengung und Hingabe gemacht ist. Das trifft auch auf FLASH zu, bei dem man aber auch wirklich alle Bemühungen zu spüren vermag. Es fehlt nicht an Humor, nur dass es für einen zündenden Gag mindestens drei schreckliche Fehlzündungen gibt. Die einzelnen Action-Settings sind gewaltig, nur sind diese ohne jedes Gespür für Rhythmus, Tempo und Spannungsaufbau inszeniert. So wechselt der Film während eines entscheidenden Momentes einer Szene einfach zu einem anderen Schauplatz. Es ist schlicht eine katastrophale Dramaturgie.
Dann hat FLASH zwar ausgezeichnete Schauspieler, nur die Rollen sind grauenhaft umgesetzt. Michael Keaton bringt echt Klasse in den Film. In einer Einstellung in der Bat-Höhle, da fährt die Kamera langsam auf sein Gesicht zu und die Leinwand vibriert förmlich, weil Keaton den verhohlenen Stolz von Bruce Wayne tatsächlich »spüren« lässt, wieder als Batman gebraucht zu werden. Und Sasha Calle bringt eine atemberaubende Energie in die Rolle des Supergirl. Doch was bringt es, wenn die Hauptfigur nur ein nervender Trottel ist. In beide Richtungen, als Barry Allen aus der Gegenwart und, tatsächlich noch schlimmer, als Barry aus der Vergangenheit.
Für Ezra Miller war die Doppelbelastung sicher nicht einfach, das wird anderorts gerne lobend hervorgehoben. Aber Paul Rudd in LIVING WITH YOURSELF, oder Mark Ruffalo bei I KNOW THIS MUCH IS TRUE haben das wesentlich eindringlicher und differenzierter glaubhaft gemacht. Der eine ist nicht in der Lage sich mitzuteilen oder durchzusetzen, der andere ist unfähig auch nur die simpelsten Zusammenhänge zu begreifen. Miller und sein Regisseur beanspruchen die Geduld des Zuschauenden sehr schnell, weit über Gebühr. Was für ein Film ist das, in dem die Nebendarsteller um Längen interessanter sind und viel mehr Freude bereiten.
In diesem Sinne sind Batmans Aufritte pure Gänsehaut, wenn Danny Elfmans Thema von 1989 ertönt, und man ein subjektives Gefühl bekommt, was für ein mitreißender Film FLASH sein könnte. Hingegen lässt man bei den Action-Einlagen der Hauptfigur Rocksongs über die Dolby-Atmos Anlage plärren, die atmosphärisch absolut unpassend sind und bereits beim zweiten Einsatz Aggressionen auslösen. Die Absicht eines Zugeständnisses an das junge Publikum ist unverkennbar. Allerdings lässt es zeitgleich die Vermutung aufkommen, dass die erforderlichen Erfahrungen für die Gestaltung einer schlüssigen Filmdramaturgie nicht gegeben sind.
Da darf ein Wort (oder auch zwei) über Alexandra Byrnes nicht fehlen, die für das Kostüm-Design verantwortlich ist. Aber Byrne hat sicherlich nicht zu verantworten dass diese Kostüme für die Leinwand abgesegnet wurden. Flashs Anzug ist grenzwertig und es ist absurd, wie man sich dabei im Film noch selbstreferenziell darüber lustig macht. Aber für Kara Zor-Els Supergirl-Anzug gibt es weder Ausrede noch Entschuldigung. Auf der einen Seite verzichtet man auf den unzeitgemäßen Minirock, schafft aber mit der neuen Bekleidung ein sexistisches Meisterwerk. Es ist grotesk wie man mit einem Kostüm mehr zeigen als verhüllen kann.
Soweit ist dieses Jahr für Genre-Freunde und Nerds ein wahrgewordener Traum. GUARDIANS 3, SUPER MARIO BROS. MOVIE, JOHN WICK 4, EVIL DEAD RISE, DUNGEON & DRAGONS, COCAINE BEAR und natürlich ACROSS THE SPIDER-VERSE. Dass FLASH zu den sonst in der Überzahl befindlichen Ausfällen zählt, wäre grundsätzlich verschmerzbar. Das stillt aber nicht die Neugierde, wie es soweit kommen konnte, einen Film auf den Markt zu bringen, bei dem nichts zusammen passt. Bis zum schwindelig werden wechselt Regisseur Andy Muschietti nach Belieben Ton und Ausrichtung. Nicht die Spur von kohärenter Dramaturgie.
Es ist der erste Film seit dem Standard mit Post-Credit-Scenes, bei dem man ruhigen Gewissens das Kino während des Abspanns verlassen kann (wenn man die Mitarbeiter des Films nicht würdigen möchte), weil die letzte Minute nur ärgerlicher Unsinn ist. Alles in allem geht es um ein Multi-Millionen-Dollar-Franchise. Und das DCEU hechelt dem Mitbewerber Marvel noch immer mit hochgerechnet dreißig Prozent weniger Kassenerfolg hinterher. Jon Berg und Geoff Johns sind als führende Produzenten bereits abgelöst, dennoch soll FLASH als Neuausrichtung für das DC Extended Universe stehen. Das weckt berechtigte Sorgen.
Nichtsdestotrotz bleibt nach wie vor die Szene während der ersten Abspanntitel die Beste. In Großaufnahme sieht man lediglich den Hund aus der unsäglichen »Baby Dusche« vom Anfang, und wie er im freien Fall auf vorbeifliegende Dinge reagiert. Weder im Presseheft noch im Abspann wird der Name des Hundes erwähnt, der mit seinem Geschirr zumindest als Therapy Dog auszeichnet ist. Wie viel mehr kann man eigentlich falsch machen? Doch findige Fans und Freunde werden sicherlich noch während der Niederschrift dieses Textes alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um zu ehren, wem Ehre gebührt.
THE FLASH
Darsteller: Ezra Miller, Sasha Calle, Michael Shannon, Ron Livingston, Maribel Verdú, Michael Keaton, Kiersey Clemons, Antje Traue u.v.a.
Regie: Andy Muschietti
Drehbuch: Christina Hodson, Joby Harold (Story)
Kamera: Henry Braham
Bildschnitt: Jason Ballatine, Paul Machliss
Musik: Benjamin Wallfisch
Produktionsdesign: Paul D. Austerberry
USA 2023
144 Minuten
Bildrechte: WARNER BROS