Dass DAS ERWACHEN DER MACHT mir gut gefallen hat, habe ich damals in einer Besprechung deutlich gemacht. Klar hatte der gewisse kleinere Schwächen, das war aber auch kein Wunder, denn er musste den Spagat schaffen, das Alte mit dem Neuen zusammen zu führen, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Er musste die Storyline der alten Filme beachten, aber dennoch genug Frisches bieten, um nicht altertümlich zu wirken und neue Fans zu gewinnen. Und das hat er getan.
Damals sagte ich, dass sie bei Episode VII noch Welpenschutz hatten und beim Nächsten, von dem damals noch niemand wusste, dass er THE LAST JEDI heißt, eine gewaltige Schippe würden drauflegen müssen.
Und – beim Kessel Run! – die haben ganze Lastwagenladungen Schippen draufgelegt.
Es ist natürlich ungeheuer schwer, diesen Film zu besprechen, ohne etwas vom Inhalt zu erzählen. Ich will es trotzdem mal versuchen, aber da ich haufenweise Informationen schlicht nicht thematisieren darf und will, ist das Folgende eher ein Stimmungsbild als eine »echte« Filmbesprechung.
Denn das ist wichtig. Ein zentraler Punkt dieses Films ist, dass er sehr virtuos mit Fan-Erwartungen spielt, und das sowohl, was solche angeht, die sich auf THE FORCE AWAKENS beziehen, als auch solche, die sich um die erste Trilogie drehen. Als gesagt wurde, dass man aus den Trailern nichts ablesen könne, was in diesem Film passiert, war das vollkommen korrekt. Die Trailerszenen sind für Handlung und Aha-Effekte völlig nichtssagend.
Immer wieder werden einem Versatzstücke vorgesetzt, bei denen man meint, sie bereits zu kennen, oder die eine erwartete Auflösung darstellen könnten, und genauso oft werden diese dann in stellenweise fast schon frech zu nennender Weise auf eine andere Art gelöst, als der Fan es erwartet – sie hauen dem STAR WARS-Anhänger seine Erwartungen rechts und links um die Ohren – um sie an anderen Stellen dennoch zu erfüllen, aber eben nicht dort, wo man es erwartet. Man möge mich nicht falsch verstehen, THE LAST JEDI ist kein Selbstplagiat, er ist handlungsmäßig um Lichtjahre eigenständiger als THE FORCE AWAKENS. Sie haben genau das getan, was ich erwartet und erhofft hatte, als ich über den Welpenschutz sprach: Sie haben etwas Neues gemacht, etwas Frisches, etwas Anderes, und das dennoch ohne das, was STAR WARS ausmacht, zu vergessen oder zu ignorieren. Im Gegenteil.
Der Film hat eine Länge von 2 Stunden 32 Minuten. Da könnte man meinen, dass er deswegen auch seine Längen haben könnte, aber das ist keineswegs der Fall. Auch wenn langsame oder ruhige Passagen durchaus vorhanden sind, stellen die die Ausnahme dar. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass in diesem Film in einer Tour die Post abgeht, die Handlung und die Bilder fliegen einem um die Ohren, dass Mund und Augen offen stehen bleiben. Und das meine ich absolut positiv, man sitzt da, ist ständig geflasht und plötzlich sind die 152 Minuten um. Einfach so. Während man sich noch die Augen reibt und verwundert fragt, was denn da gerade passiert ist.
Und einen weiteren Spagat schafft der neueste STAR WARS-Film: Auf der einen Seite bietet er visuell und von den Designs und der berühmten »Used Future« her, genau das was man kennt und was der Fan sehen will. Und trotzdem schafft er es zusätzlich mit seinem brillianten Set- und Produktionsdesign auch noch neue, wirklich ikonische Looks zu kreieren. Wer den Kampf am Ende bei der Rebellenbasis sieht, der wird verstehen, was ich meine. Das ist einfach nur grandios in Szene gesetzt, voller Opulenz und purer Kraft, wie man es seit Hoth und EMPIRE STRIKES BACK nicht mehr gesehen hat.
Cinematografie, Spezialeffekte und Farbgebung sind über jede Kritik erhaben, aber das sollte auch angesichts des Kreativteams niemanden wundern.
Und auch bei THE LAST JEDI wurde an erfreulich vielen Stellen erneut auf das bewährte Rezept zurückgegriffen, praktische Effekte statt CGI zu verwenden. insbesondere an einer ganz bestimmten Stelle hat mich das außerordentlich verwundert, aber auch außerordentlich gefreut, denn damit hatte ich nun wirklich überhaupt nicht gerechnet, obwohl es im Kontext des Films einfach nur folgerichtig war. Und glaubt mir: Ich muss mich auf meine Finger setzen, um hier nicht zu verraten, worum es dabei geht – aber das wäre einfach zu schade, und dürfte einer der größten Spoiler für diesen Film sein.
Hervorheben möchte ich bei den Schauspielern Kelly Marie Tran als Rose Tico, die mit ihrer wunderbar natürlichen Art zu spielen eine wahre Bereicherung fürs STAR WARS-Universum darstellt, ich freue mich mehr von ihr zu sehen.
Über Laura Dern sollte man ebenfalls ein Wort verlieren, denn auch was sie hier in ihrer Rolle als Vizeadmiral Amilyn Holdo gezeigt hat, ist großen Applaus wert.
Habe ich irgend etwas zu bemängeln? Im Prinzip nein, außer vielleicht die insbesondere anfangs mal wieder merklich schlechte Synchronisation, die sich auch im weiteren Verlauf noch weitere Patzer leistete, wenn beispielsweise Schilde völlig unpassend mit Rüstung übersetzt werden. Ich bin da allerdings zugegebenermaßen auch vermutlich kritischer als andere, weil ich mir viele Filme und Serien im englischen Original ansehe, statt in der oft grottigen Synchro. Aber die Synchro ist eben nur ein Problem bei der deutschen Fassung, deswegen kann und will ich sie dem Film an sich nicht anlasten.
ich las an ein paar Stellen, dass zu viel Komik bemängelt wurde, und kann das nicht nachvollziehen. Humor gehörte immer schon zu STAR WARS und meiner Ansicht nach ist der zwar vielleicht präsenter als in anderen Filmen, aber durchaus nicht übertrieben. Und man hat hier wohl auch von Marvel gelernt, wenn äußerst dramatische oder epische Szenen sinnvoll durch einen Lacher durchbrochen werden, um der Dramatik die Spitze zu nehmen. Nein, die Lacherdichte geht für mich völlig in Ordnung, Filme werden heute auch in dieser Hinsicht halt nicht mehr wie Anfang der 80er gemacht.
THE LAST JEDI ist ein ganz grandioser STAR WARS-Film, so wie STAR WARS-Filme sein sollen, und ich muss mir den ganz schnell nochmal ansehen, weil aufgrund des schieren Overkills an visuellen Eindrücken garantiert eine Menge verpasst habe (und dabei sind mir schon haufenweise Ostereier durchaus aufgefallen). Von mir aus nochmal in deutscher Sprache, viel lieber aber im Original.
Ich könnte noch so viel mehr über THE LAST JEDI sagen, auf noch so viele Dinge eingehen, aber das würde bedeuten, dass ich über den Inhalt erzählen müsste, und das will ich niemandem antun. Nachdem ich das gesehen habe, wundert mich nicht mehr, dass LucasFilm und Disney Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson die nächste Trilogie angedient haben.
Heldenmut, Böses, Exotik, Bekanntes, Erwartetes, Unerwartetes, Weinen, Lachen, Hass, Liebe – Verzweiflung und Hoffnung – alles was man will. Der Film liefert.
Zehn von zehn Lichtschwertern. Die Macht ist mit THE LAST JEDI. Und zwar gewaltig! Ich bin schwer begeistert. So kann das von mir aus mit STAR WARS weiter gehen, bis ich zum Force Ghost werde.
p.s.: Ganz wenige Lensflares.
p.p.s.: Ich bin mit meiner Meinung nicht alleine (jetzt darf ich ja nach anderen Meinungen schauen): 8,2 von 10 auf IMDB, sagenhafte 93% auf Rotten Tomatoes und 86% auf Metacritic.
p.p.p.s.: Porgs. Ich will einen.
THE LAST JEDI – DIE LETZTEN JEDI
Darsteller: Daisy Ridley, Mark Hamill, Adam Driver, Carrie Fisher, John Boyega, Kelly Marie Tran, Oscar Isaac, Domhnall Gleeson, Gwendoline Christie, Billie Lourd, Laura Dern, Benicio Del Toro, Andy Serkis, u.v.a.m.
Regie: Rian Johnson
Drehbuch: Rian Johnson
Ausführende Produzenten: J.J. Abrams, Kathleen Kennedy
Kamera: Steve Yedlin
Bildschnitt: Bob Ducsay
Musik: John Williams
Produktionsdesign: Rick Heinrichs
2:32 Stunden
USA 2017
Promofotos Copyright Disney & LucasFilm