Nun ist es also vollbracht. Vielen Filmfreunden und Fans wird lange ein Lächeln im Gesicht bleiben. Feuilletonisten können wieder über weltfremde Menschen schreiben, die sich eine Ersatzreligion geschaffen haben. Doch diese besonders in Deutschland immer wieder selbsternannten Kritiker für die Vernunft werden merklich weniger. Langsam erkennt man an, dass KRIEG DER STERNE keine Spinnerei ist, oder war, sondern ein kulturhistorisches Phänomen. Als Steven Spielberg mit DER WEISSE HAI sozusagen den Blockbuster erfand, da wurde der Weg frei für das alles überlagernde Mainstream-Kino. Tentpoles, Zeltstangen, wie man in der Branche sagt. Ein Film der so konzipiert ist, dass ein die größte Bandbreite an Zuschauern ansprechender Erfolg die kleineren und riskanteren Produktionen eines Studios finanziell mit auffangen konnte. Vor KRIEG DER STERNE 1977 wusste man das noch nicht. Erst nachdem das vielfach abgelehnte Projekt von George Lucas schließlich in die Kinos kam.
Jetzt hat das Wunderkind J.J. Abrams die Produktion der oftmals erwähnten, von George Lucas gerne abgestrittenen, dritten Trilogie gestartet. Und Abrams selbst warnte sein begieriges Publikum, dass es viele enttäuschte Menschen geben würde, weil niemand wirklich die Erwartungen erfüllen kann, die mit einem derartigen Projekt einhergehen. Damit schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: Er nahm den negativen Kritiken vorweg den Wind aus den Segeln, konnte aber auch einen eventuellen Jubel mit Genuss entgegen nehmen. Ein Jubel, der J.J. Abrams allerdings nicht alleine gehört. Da sind mit Daisy Ridley und John Boyega zwei fantastische Jungdarsteller, welche die Schauspieler aus der Ur-Trilogie erst einmal gar nicht vermissen lassen. Allerdings wird letztendlich die Chemie zwischen Ridley und Harrison Ford zu einem bestimmenden Merkmal in den Charakterzeichnung. Abrams inszeniert ihre Interaktionen oftmals nur mit Blicken. Etwas, das Lucas vielleicht nicht gewagt hätte.
Und dann ist da natürlich das einmalige Drehbuch selbst. Die drei Autoren schufen einen wilden Mix von Neuinterpretation, Fortsetzung, Hommage, und einen unglaublichen Zitatenschatz. Immer wieder ertappt sich der geneigte Fan bei Vergleichen zum ersten Film EPISODE IV. Natürlich ist jetzt alles schneller, etwas lauter, und viel aufwendiger. Doch dabei machten die Leute hinter und vor der Kamera alles richtig. Sie wussten auf was sie sich einlassen, und mussten dem gerecht werden. Jedem war klar, was den sensationellen Erfolg von KRIEG DER STERNE von 1977 ausmachte. Im Übrigen der erste Film, der computeranimierte Grafiken verwendete. Nicht die holprigen Dialoge, oder die dünne Geschichte wollten die Menschen sehen, sondern eine fremdes Universum, das durch sein Aussehen tatsächlich atmete, und nicht durch ungelenke Spezial-Effekte immer wieder aus dem Handlungsverlauf riss. Nach fast vierzig Jahren Kinoentwicklung kann DAS ERWACHEN DER MACHT diesen Effekt des Staunens nicht wiederholen. Was er aber konnte, war einen Schritt zurück zu treten, und alles mit praktischen Effekten umsetzen, wo nicht zwangsläufig ein visueller Effekt von Nöten war.
An dieser Stelle kommt Bildgestalter Daniel Mindel mit den Konzeptdesignern ins Spiel, die einige bemerkenswerte Bildmomente eingefangen haben, welche tatsächlich ikonischen Charakter haben. Wenn Kylo Ren den roten Strahlen einer Waffe am Fenster seines Kommandodecks nachblickt. Oder die TIE-Fighter im Gegenlicht der aufgehenden Sonne, die nicht von ungefähr an APOCALYPSE NOW erinnern. Nicht zu vergessen die im Wüstenboden vergrabenen Wracks von gigantischen Sternenzerstörer, als Mahnmal eines fast schon vergessenen Krieges. Bilder, die bereits jetzt zu einem Zitatenschatz für zukünftige Produktionen werden.
Der Film funktioniert am Anfang, weil er sich jeder Länge verweigert. Selbst die stillen, ruhigeren Moment sind auf den Punkt an Dauer inszeniert. Dann, erst im letzten Drittel, beginnt sich der Film langsam von seinem Vorbild zu lösen, und etwas Eigenständiges aufzubauen. Aber das geht wunderbar zusammen, weil die ersten zwei Akte dem Fan, dem Cineasten, und sogar dem Kritiker in die Hände spielen. Es ist wie eine Zeitreise, und doch ein vollkommen neues Kinoerlebnis. Und dann ist man in der Welt von STAR WARS, an der EPISODE I – III scheiterten. Nicht unbedingt die schlechtesten Filme, aber im Allgemeinen hatte man etwas anderes erwartet. DAS ERWACHEN DER MACHT gibt dem Zuschauer, was er erwartet. Und transformiert sich dann zum Schluss doch noch zu dem Erlebnis, welches einen Staunen lässt. Wer sich dann noch wundern sollte, warum hier kein Wort zur Handlung geschrieben steht: Weil es nichts zur Sache tut. Der Film ist im Gesamten eine spannende Erzählung, in der sich Wortwitz, Action, Versatzstücke und Hommage unentwegt ineinander verschränken. Und dass dann dabei auch noch der unbedarfte Zuschauer nicht außen vor bleibt, das ist schon immer die eigentliche Kunst im Kino gewesen.
STAR WARS – DAS ERWACHEN DER MACHT – THE FORCE AWAKENS
Darsteller: Harrison Ford, Daisy Ridley, John Boyega, Carrie Fisher, Oscar Isaac, Adam Driver, Billie Lourd u.a.
Regie: J.J. Abrams
Drehbuch: Lawrence Kasdan, J.J. Abrams, Michael Arndt
Kamera: Daniel Mindel
Bildschnitt: Maryann Brandon, Mary Jo Markey
Musik: John Williams
Produktionsdesign: Rick Carter, Darren Gilford
135 Minuten
USA 2015
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