Eigentlich wollte ich mir den neuesten Bond gar nicht im Kino ansehen. CASINO ROYALE und A QUANTUM OF SOLACE waren auch nur über den Beamer geflimmert und hatten mir nicht wirklich gefallen. Der Grund ist einfach: wenn ich einen Bond sehen möchte, möchte ich einen Bond sehen – und nicht einen einfachen Agentenfilm, denn davon gibt es ohnehin schon genug. Die beiden ersten Streifen mit Craig hatten für mich zu wenig mit dem zu tun, was man aus fast fünfzig Jahren 007-Film kennt, hätte man den Namen »Bond« gegen einen anderen ausgetauscht, hätte das kaum jemand bemerkt. Insbesondere störte mich die fast völlige Abwesenheit von Humor, weniger das Fehlen der für die Reihe typischen Tech-Gimmicks.
Und so war der Plan, auf die DVD-Veröffentlichung zu warten und dann drüber zu Meckern. Eigentlich ein guter Plan, der nun leider an zwei Dingen scheiterte: zum einen Bandits Besprechung (die mir zu denken gab) und zum zweiten, dass ein Freund mich unter anderem für einen gemeinsamen Kinoabend besuchen kam. Und da nichts anderes Interessantes im Lichtspielhaus lief, wurde es eben der neue Bond.
Ich habe es nicht bereut.
Die Eröffnungssequenz (die haben wir früher in Anlehnung an Didi Hallervorden immer »den gespielten Witz« genannt) zeigte bereits, dass man sich bei diesem Bond wieder auf dünneres Eis begab, als in den beiden Vorgängern, was abstruse, unrealistische Situationen anging. Und so gehört sich das meiner unmaßgeblichen Ansicht nach auch. Sogar die Bond-Selbstfindungsphase nach einem Nahtoderlebnis war nicht so übertrieben wie befürchtet (es war die Rede davon, der Film habe »psychologischen Tiefgang«) und danach ging es gut rund.
Schon bei der im klassischen Stil gehaltenen aber mit modernsten Mitteln aufwendig gestalteten Titelsequenz geht dem Fan das Herz auf, Adeles Titelsong bekomme ich ohnehin kaum noch aus den Ohren.
Trotz einer Spielzeit von 143 Minuten konnte ich keine Längen feststellen, zu vielfältig waren die Szenarien und der Wechsel zwischen diesen. Dabei bekommt der Kinobesucher ein paar ganz wunderbar cinematographierte Szenen zu sehen. Herausheben möchte ich hierbei eine Kampfsequenz in einem dunklen Hochhausraum in Shanghai, nur beleuchtet durch die außen an der Fassade blinkende hypermoderne Leuchtreklame mit Videoeffekten. Vor der Kulisse konnte man die beiden Widersacher – Bond und einen Assassinen – nur als Schattenrisse kämpfen sehen. Das ist einfach modernste Kinokunst und eine solch genialee Schnitt- und Szenenfolge habe ich schon lange nicht mehr gesehen – darüber konnte man vergessen, dass der Kampf an sich nur Durchschnitt war. Aber wir haben schon derart viele Zweikämpfe gesehen, dass man hier gefühlt ohnehin bereits jeden möglichen Angriff und jede Verteidigung kennt. Das mit dieser Kulisse zu hinterlegen war ein gelungener Kunstgriff.
Der neue Q war ob seines Alters eine Überraschung. Schön war hier die Szene, in der Bond als Ausstattung nur eine Beretta und einen kleinen Sender erhielt und auf seinen skeptischen Blick den Spruch gedrückt bekam: »Explodierende Stifte haben wir nicht mehr.« Sich über sich selbst und bekannte Versatzstücke lustig zu machen bekommt einem Film wie SKYFALL außerordentlich gut und schafft Sympathien – zumindest bei mir. Wenn Bond dann noch zusammen mit M in Connerys altem Aston Martin flieht, inklusive Schleudersitz und MGs hinter den Scheinwerfern, weil der im Gegensatz zu den modernen MI5-Kutschen keinen GPS-Sender hat, mit dem man verfolgt werden könnte, ist die Freude einfach groß.
Kein Bond ohne einen Gegenspieler. Den klassischen »Bösewicht«. Bei SKYFALL haben wir es nicht mit einem Irren zu tun, der die Welt auslöschen möchte, sondern mit einem Irren auf einem persönlichen Rachefeldzug. Wer aber jetzt meint, wegen dieses vergleichsweise kleinen Fokus’ wäre auch der Bösewicht nur ein kleiner Wicht, der irrt. Javier Bardem als Raoul Silva ist fraglos der beste Bond-Böse seit Langem, denn er spielt so irre, so abgedreht, dass es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzusehen.
Es ist Regisseur Mendes gelungen, eine äußerst passende und unterhaltsame Symbiose aus modernem Bond und klassischem Bond zu erschaffen, die die Kritiken an den letzten beiden Filmen gehört und verstanden hat. Die die Defizite in Sachen Humor beseitigt hat, ohne auf Einlagen nahe am Slapstick zurückzugreifen, wie man sie beispielsweise aus den Roger Moore-Filmen kennt. Die den Helden gleichzeitig modernisiert und dennoch in »alte Zeiten« zurück führt. Am Ende des Films wird wortwörtlich eine Brücke zurück zu sehr viel früher geschlagen – und damit meiner Ansicht nach ein Versprechen gegeben, dass Bond-Filme ab sofort wie SKYFALL sein werden: eine perfekte Symbiose aus altem und neuem Bond, in der Lage, altgediente Fans zufrieden zu stellen und dennoch vom filmischen Handwerk und der Erzählweise her mit beiden Beinen im Heute zu stehen.
Ich halte Daniel Craig nach wie vor nicht für die ideale Bond-Besetzung, auch wenn ich ihn ansonsten als Schauspieler eigentlich schätze. Man muss allerdings neidlos zugestehen, dass er für die neue Bond-Rolle mit den gezeigten Schwächen, Ecken und Kanten sicherlich eine durchaus gut geeignete Besetzung ist. Nach SKYFALL gebe ich ihm Chancen für die weiteren Filme, für die er unterschrieben hat. Erfreulich, dass Hollywood nicht mehr auf ganz junge Actionhelden setzt (von den Rentnerbands in EXPENDABLES mal abgesehen – aber das ist ja ohnehin fast eher parodistisch zu betrachten).
SKYFALL konnte mich überzeugen, ich würde ihn mir durchaus nochmal im Kino ansehen (und das sage ich nicht oft). Sobald er auf DVD erscheint, ist er gekauft.
Ich gebe fünf von fünf Berettas.
SKYFALL
Darsteller: Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem, Ralph Fiennes, Naomie Harris, Berenice Marlohe, Ben Whishaw, Albert Finney, Rory Kinnear, Ole Rapace u.v.a.
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan
Kamera: Roger Deakins
Bildschnitt: Stuart Baird
Musik: Thomas Newman
Titelsong: Adele
Produktionsdesign: Dennis Gassner
zirka 143 Minuten
Großbritannien 2012
Promofotos Copyright Sony Pictures
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