SIN CITY 2 – A DAME TO KILL FOR

Poster Sin City 2

FRANK MILLER´S SIN CITY: A DAME TO KILL FOR – Bun­des­start 18.09.2014

Attri­bu­te wie die eines revo­lu­tio­nä­ren Fil­me­ma­chers haben immer die­sen Bei­geschmack des zu hoch Gegrif­fe­nen. Doch man muss Robert Rodri­guez zuge­ste­hen, dass dies genau auf ihn zutrifft. Er ist ein revo­lu­tio­nä­rer Fil­me­ma­cher. Einer, der mit EL MARIACHI eine Visi­ten­kar­te pro­du­zier­te, um DESPERADO rea­li­sie­renn zu kön­nen. Der mit FROM DUSK TILL DAWN zwei voll­kom­men unter­schied­li­che Fil­me insze­nier­te, die nicht bes­ser har­mo­nie­ren konn­ten. Der Ers­te, der 3D mit offe­nen Armen emp­fing, und dies voll­kom­men rich­tig umzu­set­zen wuss­te. Einer, der es wag­te, sieb­zi­ger Jah­re Explo­ita­ti­on-Fil­me mit Erfolg ins neue Jahr­tau­send zu trans­por­tie­ren. Und schließ­lich ist er der ers­te gewe­sen, der mit SIN CITY eine Gra­phic Novel ver­film­te, die tat­säch­lich den Stil und Cha­rak­ter einer Gra­phic Novel behielt. Acht Jah­re ist das bereits her, dass ein Groß­auf­ge­bot an Lein­wand-Ido­len sich zu einem opti­schen Feu­er­werk tra­fen, wel­ches Maß­stä­be setz­te. Es gibt die ein oder ande­re Ände­rung in der Beset­zung, wie Cli­ve Owens Rol­le des Dwight, die jetzt von Josh Bro­lin über­nom­men wur­de. Aber weit­ge­hend sind sie alle wie­der mit dabei. Rour­ke, Alba, Daw­son, Boot­he, Clar­ke Dun­can, Wil­lis, und wie sie alle hei­ßen. Auf alle Fäl­le ein bru­ta­les Schlach­ten­ge­mäl­de aus Blut, Schweiß und Trä­nen, das an Fas­zi­na­ti­on und Anzie­hungs­kraft nichts ver­lo­ren hat.

Vier lose in ein­an­der ver­wo­be­ne Geschich­ten hat sich Comic-Autor Frank Mil­ler die­ses Mal aus­ge­dacht, die er wie­der gemein­sam mit Rodri­guez insze­nier­te. Da ist Marv, Mickey Rour­kes exzel­lent mit Gesichts­pro­the­sen ent­stell­ter Cha­rak­ter, der mit der Hin­rich­tung von vier über­mü­ti­gen Col­le­ge-Jungs, die Ver­hält­nis­se in ‘Ba’sin City klar­stellt. Oder John­ny, der den bes­ten Poker­spie­ler der Stadt her­aus­for­dern will, um ihn vom Thron zu sto­ßen. Pech nur, dass dies sein Vater ist, der selbst bei sei­nem Sohn kei­ne Gna­de kennt, wenn es um Vor­macht­stel­lun­gen geht. Und da ist Ava, die im wort­wört­li­chen Sin­ne män­ner­mor­den­de Femme-Fata­le, die ihre Opfer im Hand­um­dre­hen zu wil­li­gen Werk­zeu­gen macht. Aber nicht zu ver­ges­sen die von Marv ver­göt­ter­te, atem­be­rau­ben­de Strip­pe­rin Nan­cy. Die­ses tan­zen­de Wun­der muss end­lich ihre Dämo­nen besie­gen, und den Mör­der ihrer ein­zig wah­ren Lie­be zur Rechen­schaft ziehen.

War SIN CITY mit sei­nem extrem arti­fi­zi­el­len Bil­der­rausch ein wirk­lich her­aus­for­dern­des, aber funk­tio­nie­ren­des Erleb­nis, schafft es Rodri­guez in der Bild­spra­che tat­säch­li­che eine wei­te­re, und eben­so über­zeu­gen­de Ebe­ne hin­zu­zu­fü­gen. Und die nennt sich tat­säch­lich 3D. Von den unzäh­lig ver­fehl­ten Bei­spie­len, die 3D als rei­nes, ledig­lich die Ein­spiel­ergeb­nis­se för­dern­des Instru­ment benutz­ten, wird der Zuschau­er bei A DAME TO KILL FOR end­lich mit einer opti­schen Reiz­über­flu­tung belohnt, die man sich ger­ne gefal­len lässt. Extrem har­te Kon­tras­te in den schwarz­weiß Bil­dern geben den Cha­rak­ter einer Gra­phic Novel trotz der beweg­ten Bil­der unver­fälscht wie­der. Com­pu­ter-inten­si­vier­te Akt­z­ent­set­zun­gen, wie Augen­par­tien oder sprit­zen­de Fleisch­wun­den erhö­hen die bild­li­che Dra­ma­tur­gie unge­mein. Dar­un­ter mischen sich oft­mals schein­bar mit Hand gemal­te Sze­nen, wel­che die Gedan­ken­gän­ge der Figu­ren unter­strei­chen. Bei Rodri­guez und Mil­ler soll immer­hin eine Bild­se­quenz den Cha­rak­ter eines ein­zel­nen Comic-Bil­des wie­der­spie­geln, was den Zuschau­er mit sehr aus­ge­feil­ten Bild­kom­po­si­tio­nen belohnt. Robert Rodri­guez ist nicht ein­fach nur auto­di­dak­ti­scher Cut­ter und Regis­seur, son­dern auch ein her­vor­ra­gen­der Kame­ra­mann, der 3D ver­in­ner­lich­te, bevor irgend­je­mand über­haupt einen Trend damit vor­aus­sa­gen konn­te. Ruft man sich die Extra­va­ganz sei­ner visu­el­len Insze­nie­rung des Ori­gi­nal SIN CITY vor, kann man unge­fähr einen Ein­druck bekom­men, wie er dies mit 3D noch zu ver­stär­ken versteht.

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Natür­lich geht dem Film jede Art von Tief­gang, oder hin­ter­grün­di­ger Bestands­auf­nah­me ab. Voll­kom­men, was auch gut so ist. Dia­lo­ge gibt es nur weni­ge. Es sind höchs­tens erklä­ren­de, vor­an­trei­ben­de Flos­keln. Die eigent­lich bestim­men­den Off-Kom­men­ta­re wür­den den alberns­ten Film-Noir stolz machen. Sät­ze wie »du tätest gut dar­an, mich jetzt zu töten«, oder »Sin City ist eine Stadt, in die du mit offe­nen Augen hin­ein gehst, oder nie wie­der her­aus kommst«, sind nicht nur wah­re Klas­si­ker des Schund­ro­mans, son­dern auch über­spitz­te, doch aus­ge­zeich­ne­te Zita­te auf den Film-Noir. Und so run­det sich auch der zwei­ten Teil von SIN CITY zu einem per­fek­ten Schatz von medi­en­über­grei­fen­den Zita­ten ab, wel­che ein Comic auch ein Comic sein las­sen, aller­dings in fil­mi­scher Form. Wo Sät­ze wie »ver­su­che mich nicht zu rächen, sonst wäre es dein Tod«, ein Gen­re nicht kari­kie­ren, son­dern als merk­li­cher Knie­fall funk­tio­nie­ren. Genau hier liegt SIN CITYs fein nuan­cier­te Beson­der­heit. Der Film kann genau­so gut Kari­ka­tur sein, wie per­fek­te Hommage.

Alba ist pure Ero­tik beim Tan­zen, und Rour­ke in Mas­ke ein Phä­no­men. Green zeigt sich in ihrer Offen­heit über­wäl­ti­gend, wo Bro­lin sich als per­fekt gebro­che­ne Opfer dar­stellt. Den­nis Hays­bert kann genau­so böse sein wie Powers Boot­he. Das wirkt natür­lich alles mit hin­ein, in die­ses per­fekt aus­ge­klü­gel­te Werk cine­phi­ler Über­spit­zung. Doch es muss jedem klar sein, dass Rodri­guez, und mit ihm Frank Mil­ler, weder dra­ma­tur­gi­sches Arthouse, noch dar­stel­le­risch beton­tes Action-Kino im Sin­ne hat­ten. Sie woll­ten ledig­lich die annä­herns­te Form eines Fil­mes an einen gra­phi­schen Roman errei­chen. Wit­zi­ger­wei­se zeigt sich A DAME TO KILL FOR damit als eine sehr dra­ma­ti­sche Varia­ti­on des Arthouse-Kinos, und zudem als extrem von den Cha­rak­te­ren bestimm­tes Action-Sze­na­rio.  Wie man es also dreht und wen­det, hat SIN CITY 2 alles was der Cine­ast begehrt, und selbst den gele­gent­li­chen Kino­gän­ger begeis­tern könn­te. Aus der Hom­mage an gleich zwei Medi­en, wie dem Film und dem gra­phi­schen Roman, gene­rier­te sich ein weit viel­schich­ti­ge­res Werk, das bei­de nicht ein­fach nur per­fekt ver­mischt, son­dern gleich­zei­tig jedem Medi­um ein­zeln Tri­but zollt. So bekommt ein mit ein­fachs­ten Dia­lo­gen und vor­her­seh­ba­ren Hand­lungs­ab­lauf insze­nier­tes Werk, doch noch einen anspruchs­vol­len Tiefgang.

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SIN CITY 2 – A DAME TO KILL FOR
Dar­stel­ler: Mickey Rour­ke, Jes­si­ca Alba, Josh Bro­lin, Joseph Gor­don-Levitt, Rosa­rio Daw­son, Bruce Wil­lis, Eva Green, Powers Boot­he, Den­nis Hays­bert, Ray Liot­ta u.v.a.
Regie: Frank Mil­ler, Robert Rodriguez
Dreh­buch: Frank Miller
Kame­ra & Bild­schnitt: Robert Rodriguez
Musik: Robert Rodri­guez, Carl Thiel
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Caylah Eddel­blu­te, Ste­ve Joyner
102 Minuten
Russ­land – USA 2014

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AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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