+++ Spoilerfrei +++
Wenn man einen Film macht, der die 80er Jahre und deren Popkultur in zahllosen Facetten abfeiert, dann kann man vermutlich keinen besseren Regisseur für eine Umsetzung finden, als einen derjenigen, der genau diese 80er im Kino mit definiert hat: Steven Spielberg.
Angesichts dessen wundert es auch vermutlich niemanden, dass Spielberg sich nach dem großen Überraschungserfolg von Ernie Clines’ Roman READY PLAYER ONE die Rechte an einer Verfilmung gesichert hat, denn sicher hat er die Möglichkeiten erkannt, die dieses Buch bietet: Zum einen all die Nerds aus den Jahren nostalgisch ins Kino zu bekommen, zusätzlich holt man noch Computerspieler ab, und als Sahnehäubchen ist der Streifen auch für Personen interessant, die erst deutlich nach den 80ern geboren wurden, denn er hat eine eigenständige Handlung, weit über das Abfeiern der damaligen und heutigen Popkultur hinaus.
Und deswegen kann man READY PLAYER ONE ganz sicher auch ohne Kenntnis um die damalige Zeit gut finden, insbesondere da er – genau wie der Roman – eben etliche handlungsrelevante Details nebenher in der Story erwähnt, ohne dass das zu einer Geschichtsstunde wird. Aber eins muss man ganz deutlich sehen: Dieser Film ist in großen Teilen reiner Fanservice für diejenigen, die mit all dem Kram aufgewachsen sind, um den es da geht. Zum Glück.
Ich zitiere mich mal selbst aus meiner Besprechung des Buches:
Wade ist ein knapp 18-jähriger Jugendlicher in der Zukunft des Jahres 2044 (zumindest im Buch). Und da sieht es nicht gut aus, die Erde ist übelst verschmutzt, das Öl ist aufgebraucht, das Klima im Arsch, es gibt Hungersnöte und Kriege.
Das Leben wäre schier unerträglich, gäbe es da nicht OASIS, eine virtuelle Welt, die vor etlichen Jahren als eine Art MMO (Massive Multiplayer Onlinegame) begonnen hat, inzwischen aber viel mehr als das wurde und für etliche Bewohner des geschundenen Planeten wichtiger geworden ist, als die harsche reale Welt. Manch einer loggt sich nur noch aus, um zu essen und zu schlafen. Große Teile des Lebens finden in der virtuellen Realität statt.
Man kommt nicht mal ansatzweise dabei mit, all die Referenzen und Ostereier zu entdecken, die einem da ständig um die Ohren fliegen, das reicht von sehr offensichtlichen, aber eben auch haufenweise versteckten – ich bin sicher nicht mal einen Bruchteil gesehen zu haben, was sich im Film verbirgt. Das sind natürlich alles Details die Zuschauern entgehen müssen, die das alles nicht mitgemacht haben. Was die Teenager im Kino aber offensichtlich nicht daran hinderte, Spaß zu haben. Allerdings haben die an anderen Stellen gelacht, als ich … :)
Da sich große Teile des Films in der virtuellen Realität OASIS abspielen, im Prinzip eine Art gigantisches MMO mit zahllosen Welten und Themenparks, bleibt man schlauerweise auch nicht bei den 80ern, sondern mischt zusätzlich auch noch Tropes aus moderneren Computerspielen ein. In der Anfangssequenz, in der man erstmalig mit dem Hauptdarsteller durch die OASIS fliegt, kommt man auch an MINECRAFT vorbei. Und schon wieder eine weitere Nerdgruppe abgeholt. Und das macht den Film aus: Er zelebriert die Popkultur und das Nerd-Sein auf geradezu atemberaubend brilliante Weise, ohne dabei zu vergessen, dass man auch noch eine Story zu erzählen hat.
Die üblichen Verdächtigen werden READY PLAYER ONE vermutlich wieder vorwerfen, eine reine Effekt-Show zu sein, ohne tieferen Sinn. Und wer meint, dass das so ist, der sollte vielleicht besser davon absehen, sich Popcornkino anzusehen – und Popcornkino als reine Unterhaltung hat selbstverständlich seine Berechtigung, und das nicht nur als Eskapismus. Und die Krtitik ist zudem falsch, denn der Film ist auf vielen Ebenen ziemlich clever, was sich allerdings recht gut zwischen dem visuellen Overkill versteckt. Wer einen Film mit Anspruch sucht sollte auf usbekisches Autorenkino ausweichen und uns nicht vollnerven, wenn wir Spaß haben.
Popcornkino mit gigantischen Schauwerten ist es auch, was man vorgesetzt bekommt. Der Film legt ein immenses Tempo vor, Zeit zum Verschnaufen ist selten, aber das passt zum einen zum Thema und zum anderen auch zum Roman, der ganz ähnlich aufgebaut ist.
Wer den Roman gelesen hat wird feststellen, dass der Film in diversen Punkten teilweise erheblich von diesem abweicht, was aber nichts ausmacht, da der Geist, die Idee des Buches erhalten bleibt. Ganz im Gegenteil, ein paar Passagen aus dem Buch wären im Film vermutlich nicht dramatisch genug oder zu langatmig gewesen, deswegen hat Ernie Cline, der persönlich am Drehbuch mitschrieb, vermutlich auch gegen die Veränderungen nichts einzuwenden gehabt, oder war möglicherweise auch selbst dafür verantwortlich. Bemängeln könnte man, dass die Frau hinter Art3mis im Buch leicht übergewichtig ist, und man das im Film verändert hat, die Schauspielerin Olivia Cooke ist gertenschlank. Das ist aber nur ein kleines Detail in einem ansonsten grandiosen Streifen.
Ein weiterer Glücksgriff – aber eigentlich nur ebenfalls konsequent – war die Auswahl des Komponisten der Filmmusik: Den Score schrieb Alan Silvestri – und den muss man Kindern der 80er kaum groß vorstellen, denn er ist für einige der bekanntesten und eingängigsten Filmmusiken überhaupt verantwortlich, beispielsweise BACK TO THE FUTURE I – III, ABYSS, NAVIGATOR, FORREST GUMP, STUART LITTLE, CASTAWAY, CAPTAIN AMERICA, AVENGERS und jede Menge mehr.
Und er schafft das, was heutzutage selten geworden ist: Einen vermutlich auch solo hörbaren Score abzuliefern, der nicht danach klingt, als sei er im Composing-Programm zusammengeklickt worden, auch wenn seine Musik vielleicht wie so oft bei seinen Kompositionen nicht sofort eingängig ist. Es gibt sogar so etwas wie ein echtes, eingängiges, wiedererkennbares Thema, ebenfalls etwas, das in den letzten Jahren selten geworden ist. Ich habe die Filmmusik sofort gekauft, nachdem ich aus dem Kino nach Hause kam, und das passiert mir sonst nur bei STAR WARS.
Mal abgesehen von Silvestris Musik bekommt man erwartbarerweise auch noch andere Musik (nicht nur) aus dem 80ern, man hatte das ja nach den Trailern bereits erwarten können. Die zweite Soundtrack-CD mit all diesen Stücken werde ich allerdings nicht kaufen, denn die meisten davon habe ich schon. :)
Auf die Spezialeffekte muss man kaum eingehen, die sind selbstverständlich top notch. Was auch wichtig ist, denn überwiegende Teile der Handlung spielen eben in der virtuellen Realität der OASIS mit ihren nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. Und hier sieht man auch, wie sich die Möglichkeiten weiterentwickelt haben: Wo die Figuren in Animationsfilmen wie POLAREXPRESS oder TIM UND STRUPPI noch tote Augen hatten, was für mich den Spaß deutlich schmälerte, ist dieses große Problem längst Geschichte. Man versucht gar nicht erst, durch übertriebenen Realismus bei den Avataren über das Uncanny Valley zu stolpern, sondern verpasst ihnen eben keine realistischen Aussehen, Parzival und Art3mis gemahnen an Figuren aus neueren FINAL FANTASY-Inkarnationen, andere Protagonisten haben noch viel abgefahrenere Optik. Aber die Augen sind glaubwürdig, und das ist sehr wichtig. Mimik geht dank Mocap ohnehin seit Jahren problemlos.
Der Rest ist eine Mischung aus abgefahrener Irrealität und unerwarteter Realität, also genau das, was man in einem fortgeschrittenen VR-MMO erwarten würde.
Ich könnte jetzt noch viel erzählen und auf Details angehen – mache ich aber zugunsten derjenigen, die READY PLAYER ONE noch nicht gesehen haben, nicht. Anmerken möchte ich noch, dass selbstverständlich auch der Humor nicht zu kurz kommt. Logisch, ist ja ein Spielberg-Film.
Ich habe nichts, aber auch gar nichts, zu meckern. Was zugegebenerweise zu nicht eben geringen Teilen daran liegen könnte, dass ich eben 1985 20 Jahre alt war. :) Eine Menge von dem Kram, über den die da reden, habe ich live erlebt.
Spaßbremsen go home. Spielberg zeigt nochmal, wer er ist und was er kann. Ganz großes Kino. Ich feiere den Film genauso wie das Buch ab, gebe zehn von zehn Ostereiern und lege noch drei Schlüssel oben drauf. ich muss den unbedingt nochmal sehen, um vielleicht noch ein paar Referenzen mehr zu entdecken. Ach was, »vielleicht«, ganz sicher!
p.s.: 3D? Ja, unbedingt.
READY PLAYER ONE
Darsteller: Tye Sheridan, Olivia Cooke, Ben Mendelsohn, Lena Waithe, T.J. Miller, Simon Pegg, Mark Rylance, Philip Zhao, Win Morisaki, Hannah John-Kamen u.v.a.m.
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Zak Penn und Ernest Cline
Ausführende Produzenten: Christopher DeFaria, Bruce Berman, Daniel Lupi und Adam Somner
Kamera: Janusz Kaminski
Schnitt: Sarah Broshar, Michael Kahn
Musik: Alan Silvestri
Produktionsdesign: Adam Stockhausen
140 Minuten
USA 2018
Ratings:
IMDb: 7,9 von 10
Rotten Tomatoes: Audience Score 80%, Tomatometer 74%
Metacritic: Audience Score 7.6 von 10, Metascore 64%
Promofotos Copyright Warner Bros.
Mir als großer Fan des Buchs und 1970 geborener »Nerd« hat der leider nur mäßig gefallen. Die Rätsel waren viel weniger nerdig. Die Anspielungen auf die MMo-Mechaniken sind alle verschwunden. Der gesamte Dystopische Ansatz ist ebenfalls nicht vorhanden. Die Liebesgeschichte (und die Problematik einer virtuelle Liebesgeschichte) ist ziemlich eingedampft.
Als Film für sich sicherlich gelungen und spaßig. Und ich hätte als Veranwortlicher der Film sicherlich auf Mainstream getrimmt, aber ganz persönlich nicht meine Umsetzung. Der Charme des Buches ist für mich fast vollständig verschwunden.
Was der Hardcore-Fan meistens übersieht: Dass Filme mit solchem Budget nicht nur Fans ansprechen sollen, sondern ein breites Publikum. Wichtig ist für mich, dass der Geist des Buches erhalten blieb.
Niemand will sehen, wie einer stundenlang Joust spielt. Hinweise auf MMO-Mechaniken habe ich persönlich reichlich entdeckt. Den dystopischen Ansatz habe ich deutlich erkennen können.
Es bleibt der alte Spruch: »Einem jeden recht getan, ist eine Kunst die niemand kann.«
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