Garantiert spoilerfrei.
Die Geheimorganisation MEN IN BLACK, die die Erde vor dem Abschaum des Universums schützt, eignet sich aufgrund des Themas natürlich perfekt für eine Filmreihe, bei der auch mal die Hauptfiguren wechseln können. Nachdem wir Tommy Lee Jones zweieinviertelmal und Will Smith dreimal im schwarzen Anzug sehen konnten, bekommen wir es diesmal mit Tessa Thompson und Chris Hemsworth als … äh … Women In Black zu tun.
Und – soviel will ich vorwegnehmen – auch wenn der Film nicht der ganz große Wurf ist, habe ich mich über die gesamte Laufzeit ausgesprochen gut unterhalten gefühlt.
Molly ist ein Kind, als ein kleines, blaues Alien in ihr Kinderzimmer stolpert. Die Men In Black tauchen auf und blitzdingsen, entschuldigung, neuralisieren ihre Eltern, übersehen aber das Kind. Die hilft dem putzigen Alien zu entkommen. Kommt aber nicht über ihre Begegnung und ihre Erfahrungen hinweg. Therapie, Besessenheit. 20 Jahre später versucht sie, bei der Geheimorganisation unterzukommen und wird als Agentin M auf Probezeit nach London geschickt, wo sie auf Agent H (Hemsworth) trifft. So die Kurzfassung einer dann doch etwas komplexeren Handlung, die ich hier aber nicht spoilern werde.
Ich frage mich, ob man nach AVENGERS: ENDGAME einfach jeden Film als zurückgenommen betrachtet. Denn zurückgenommen ist MEN IN BLACK INTERNATIONAL, er versucht gar nicht erst, der ganz große Blockbuster zu sein. In der Nachschau finde ich das eigentlich ganz gelungen, denn so bleibt mehr Zeit für Charakterinteraktion, statt sich in überbordenden Schauwerten zu verlieren. Das führt aber eben auch dazu, dass man irgendwie dazu neigt, ständig mehr zu erwarten als man bekommt, zumindest ging es mir so. Dabei ist das eigentlich dem Film gegenüber unfair, der mich in keiner Sekunde gelangweilt hat, aber die ganz großen Szenen, die man mit offenem Mund verfolgt, fehlen. Ich vermute: Weil man mehr Wert auf den Humor und die Handlung … naja, seien wir ehrlich: Die Handlung dreht sich um bekloppte Agenten und nicht weniger bekloppte Aliens auf der Erde – und dafür haben sich die Drehbuchautoren meiner Ansicht nach gut aus der Affäre gezogen.
Und auch der Showdown ist überraschend schnell durch. Andere Filme hätten das endlos in die Länge gezogen, bei MEN IN BLACK INTERNATIONAL wird er kurz und knackig abgehandelt, ohne haufenweise Klischees und ohne die Geduld des erfahrenen Blockbuster-Zuschauers über Gebühr zu strapazieren. Das ist so völlig anders als die schier endlosen Endkämpfe, die man von anderswoher kennt (ich schaue Dich an, AQUAMAN) …
Dafür ist die Sprüchedichte hoch, allerdings fehlen sowohl bei der Handlung als auch bei den Dialogen echte Schenkelklopfer, die Gags werden tatsächlich eher dosiert eingesetzt, was mir aber gut gefiel; auf alle Fälle besser als erzwungener Brachialhumor. Es gibt viele, kleine, auf den Punkt gesetzte, Pointen und Sprüche, insbesondere auch welche, die sich die beiden Protagonisten um die Ohren hauen – und die Rollen sind hier ein wenig anders verteilt, als man das vielleicht annehmen würde. Nein, das ist keine Feminismusnummer, auch wenn das anklingt, aber jegliche Klippen geschickt umschifft wurden. Hemsworth gibt über Strecken des Films den Vollhonk, was jedoch tatsächlich in der Figur begründet ist und aufgelöst wird. Dass er Komik kann, wissen wir nicht zuletzt seit THOR: RAGNARÖK und GHOSTBUSTERS, aber auch Tessa Thompson beweist, dass sie im witzigen Genre eine gute Figur machen kann. Eine Menge passiert über Mimik und Gestik.
MEN IN BLACK: INTERNATIONAL führt das Thema nicht ein, im Großen und Ganzen gingen die Filmmacher davon aus, dass der Kinobesucher weiß worum es geht. Das kann man bei diesem Franchise aber auch durchaus annehmen. Dennoch wurde der Hintergrund den unbedarfteren Zuschauern auf unaufdringliche Weise beigebogen. Auch wenn ich noch nie einen MIB-Film gesehen hätte, hätte ich vermutlich grundsätzlich verstanden, worum es hier geht. Dann wären mir allerdings diverse Zitate entgangen, die sich jedoch nie in den Vordergrund gedrängt haben, sondern an den richtigen Stellen und sparsam eingesetzt wurden. Und der MIB-Veteran bekommt natürlich die Tech-Gimmicks und dicken Chromwummen, die er sehen will, ohne dass denen übermäßig viel Platz eingeräumt wird. Denn dann wären das übertriebene Selbstzitate gewesen. So passt es einfach.
Ich kann es erst belegen, wenn ich die Originalversion gesehen habe, aber ich hatte den Eindruck, dass die Synchronisation ziemlich schlecht war. Man merkte Thompson und Hemsworth an, wie viel Spaß sie beim Spielen und Interagieren hatten, aber die Übersetzung transportiert das an etlichen Stellen nicht richtig. Ich hatte zudem den Eindruck, dass manche Passagen einfach deutlich weniger auf den Punkt übersetzt wurden, als sie im Englischen rüberkommen. Ich freue mich auf die englische Fassung.
Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann ist, dass solch ein Film, der dazu noch in 3D konvertiert wurde, ernsthaft nicht in Cinemascope gedreht wurde, sondern in 16:9, oder genauer in 1.85:1. Die 3D-Immersion findet zumindest bei mir nicht so richtig statt, wenn der Film rechts und links Löcher hat. Es ist mir völlig unverständlich wie man im Jahr 2019 auf das schmale Brett verfallen kann, so einen 3D-Film in diesem Format zu zeigen. Ich würde deswegen raten, sich den nur in 2D anzusehen, das reicht völlig, zumal sich die Qualität des 3D in Grenzen hält. Das kann man Handlung und Schauspielern nicht vorwerfen, Produzenten und Regisseur aber durchaus. Daraus folgt aber auch, dass man Kinofans zwar raten kann, sich den Film im Lichtspielhaus anzusehen, wer einen Beamer oder einen 50-Inch-Fernseher und eine Soundanlage hat, kann ihn aber problemlos auch einfach zuhause konsumieren, wenn er auf Konserve veröffentlicht wird. Ich sage das als Kinofan nicht leichtfertig, aber das Format 1.85:1 ist meiner Ansicht nach für diesen Film einfach völlig bekloppt gewählt.
Abschließend bleibt ein durch die gesamte Laufzeit (die auch nicht künstlich in die Länge gezogen wurde) unterhaltsamer Film, dessen gebremster Schaum nach gewissen Blockbustern eher erfrischend ist, mit sympathischen und witzigen Darstellern, den man durchaus im Kino sehen kann, der allerdings ebenso technische Schwächen aufweist, wie eine möglicherweise fragwürdige Übersetzung. Ich habe mich keinesfalls geärgert, dafür im Kino gesessen zu haben.
Ich gehe davon aus, dass der Film (trotz diverser internationaler eher mieser Kritiken, die ich so nicht nachvollziehen kann – es kann nicht jeder Popcornfilm ein AVENGERS: ENDGAME sein, es muss auch Streifen geben, die einfach nur okay und nicht brilliant sind; erinnern die Verreißer sich nicht mehr an haufenweise Machwerke aus den 80ern?) so erfolgreich sein wird, dass es eine Fortsetzung geben wird. Und ich gehe ebenfalls davon aus, dass Tessa Thompson wieder dabei sein wird. Ich halte es nicht für ausgeschlossen – und würde es auch für einen grandiosen Schachzug halten – dass die Men in Black-Agenten-Hauptfiguren in der nächsten Iteration Women In Black sein könnten. Indem die MEN IN BLACK INTERNATIONAL agieren, hat man sich eine Menge Möglichkeiten geschaffen.
p.s.: diesmal haben sie beim Cinestar sogar den kompletten Abspann laufen lassen, ohne mit dem Aufräumen anzufangen …
MEN IN BLACK INTERNATIONAL
Besetzung: Chris Hemsworth, Tessa Thompson, Kumail Nanjiani, Rebecca Ferguson, Rafe Spall, Emma Thompson, Liam Neeson, Laurent Bourgeois, Larry Bourgeois, Kayvan Novak, u.v.a.m.
Regie: F. Gary Gray
Drehbuch: Matt Holloway, Art Marcum
Produzenten: Laurie MacDonald und Walter F. Parkes
Ausführende Produzenten: David Beaubaire, Howard Chen, Edward Cheng, Barry Sonnenfeld, Steven Spielberg, Riyoko Tanaka und E. Bennett Walsh
Kamera: Stuart Dryburgh
Schnitt: Zene Baker, Christian Wagner, Matt Willard
Musik: Chris Bacon, Danny Elfman
Produktionsdesign: Charles Wood
Casting: Reg Poerscout-Edgerton, David Rubin
114 Minuten
UK/USA 2019
Promofotos Copyright Columbia Pictures, Sony Pictures Entertainment (SPE), Amblin Entertainment