(Achte und vermutlich letzte Unterbrechung der Sommerpause, Anm. d. Red.)
Disney kann sich glücklich schätzen, dass sie sich die Marvel-Studios unter den Nagel reißen konnten. Denn was das Maus-Haus an Filmen unter dem eigenen Label auf den Markt bringt, birgt so seine Schwächen, was allein an fehlenden Zuschauern zu ermessen ist. Allein in den vergangenen 14 Monaten waren da die als finanzielle Sicherheiten angedachten JOHN CARTER und OZ THE GREAT AND POWERFUL, die zusammen fast 500 Millionen Dollar an Produktions- und Werbekosten verschlangen. Jetzt kommt THE LONE RANGER, dem man ebenfalls geschätzte 250 Millionen gönnte. CARTER hat sein Geld nicht eingespielt, ein Fiasko. OZ holte zumindest das Doppelte seiner Kosten, blieb aber ganz weit hinter den Erwartungen. CARTER und OZ sind als Filme so konzipiert, dass sie ein Vielfaches ihres Wertes einspielen sollten, um den gesamten Apparat von Studio zu stützen. So können auch riskantere Projekte umgesetzt werden, bei denen eine Zuschauer-Akzeptanz nicht einzuschätzen ist. Ausgerechnet diese sogenannten sicheren Gewerke entpuppen sich als Dollargräber. Hier dachte man, den Zuschauer einschätzen zu können, und man lag falsch. Ein Dilemma übrigens, das nicht nur die Disney-Studios betrifft, diese aber besonders hart. Und nun kommt auch noch der LONE RANGER, und vergaloppiert sich.
Dies ist die Geschichte von Tonto, dessen indianische Herkunft von Hörspielen über die Serie bis hin zum Film immer wieder variiert. Es ist 1933, nicht ganz zufällig das Jahr, als der Lone Ranger das erste Mal im Radio zu hören war. Im Establishing Shot von San Francisco ist natürlich die im Bau befindliche Golden-Gate-Bridge zu sehen. Ähnlich der Tower-Bridge in SHERLOCK HOLMES. Eines der typischen Merkmale für einen Film dieser Art. Hinzu kommt als Identifikationsfigur ein kleiner Junge, der sich von einem mit viel Make-up gealterten Tonto die wahre Geschichte von John Reid erzählen lässt, der durch tragische Umstände zum Lone Ranger wurde.
Die Beziehung von Tonto und dem rechtschaffenden John Reid ist anfänglich von sehr viel gegenseitiger Abneigung geprägt, welche in einer ersten großen Action-Sequenz gipfelt. Diese funktioniert weitaus besser und ist bei weitem witziger, als die Trailer einem vorzumachen versuchten. An diesem Punkt ist der Zuschauer überzeugt, einen um Längen besseren Film zu sehen, als Nörgler und nörgelnde Kritiker glauben machen wollten. Doch nach und nach zerfällt der Film in viel zu langsam inszenierte und das Tempo brechende Sequenzen. Mal wird überfrachtetes Actionkino zelebriert, dann möchte LONE RANGER knallharter Western sein. Für den konstanten Wechsel von Ton und Stimmung beweist der Regisseur aber kein glückliches Händchen. Dabei entbehren Drehbuch und Regisseur nicht einer gewissen Besonderheit mit ihrem Witz. Das führt ebenfalls die anfängliche Hetzjagd auf den Dächern der Zug-Waggons vor. Und eine subtilere Art zeigt sich in der Puppe, die es aus einem Fenster weht. Es ist also alles vorhanden, was einen gelungenen Film ausmachen würde. Armie Hammer ist als Lone Ranger wandlungsreicher als man glauben möchte, und Johnny Depp als Tonto viel weniger Aufguss von Captain Jack Sparrow als Spötter im Vorfeld ausposaunen mussten.
Es gibt einige unnötig brutale Szenen, die eindeutig gegen eine Freigabe ab zwölf Jahre sprechen. Dazu gehören unschöne Todesarten, wie ein Mann der von Pferden überrannt wird, oder der qualvolle Tod eines dem Lone Ranger nahestehenden Menschen. Etwas mehr Familienfreundlichkeit wäre hier angebracht gewesen, bei einem Streifen der sowieso nie vorgibt, mehr zu sein, als reines Popcorn-Kino. Nichtsdestotrotz wollte Regisseur Gore Verbinski einen Film machen, der fast 150 Minuten Laufzeit hat. Man mag sich nicht vorstellen, was eine vernünftigere Laufzeit von 120 Minuten gebracht hätte. Den alle Erfolgszutaten für einen gelungenen Blockbuster-Film sind vorhanden. Vielleicht hätte Hans Zimmers Musik etwas mehr Thema und Lautstärke vertragen, wie man es von einem sonst gewohnten Hans-Zimmer-Soundtrack kennt.
Neben seinen perfekten technischen Attributen ist THE LONE RANGER einer der ganz wenigen Filme, die 3‑D in einem dem Medium angemessenen Rahmen ausnutzen. Und das bedeutet Bojan Bazelli benutzt den stereoskopischen Effekt, wie er in der puren Unterhaltung viel zu selten genutzt wird. Weder Kamera, noch Regie, geizen mit Effekten, die dem Zuschauer alle möglichen Dinge um die Ohren fliegen lassen. Da es Filmemacher außerhalb von Animationsfilmen nicht gelingt, 3‑D als zusätzliche Erzählebene zu integrieren, sollte man zumindest im reinen Effekte-Bereich mit den Möglichkeiten des Mediums offensiver umgehen. Und LONE RANGER, beziehungsweise Bojan Bazelli als Kameramann, versteht es sehr gut, die Effekte für den reinen Unterhaltungswert zu nutzen. Warum auch nicht. All die großen Hollywood-Produktionen, die 3‑D als reine Erhöhung des Eintrittspreises nutzen, anstelle des zu erwartenden Spaßfaktors, sollten einen genauen Blick auf LONE RANGER werfen.
THE LONE RANGER zerfällt in seiner Hälfte, weil die Regie weit mehr wollte, als es einzelne Szenen hergeben würden. Den knallharten Western kann Verbinski genauso inszenieren, wie die losgelöste Farce. Dass beides am Ende keine homogene Handlung findet, ist den unterschiedlichen Stimmungen der jeweiligen Absicht geschuldet. Das ist eine traurige Tatsache, die dem Rhythmus und dem Gehalt für den Film letztendlich schaden. Lediglich 3‑D bringt THE LONE RANGER dorthin, wo er sich auch selbst wissen möchte, zum reinen Spaßkino. Dieses Spaßkino gelingt Verbinski in seiner Inszenierung anfänglich ausgezeichnet, wird trotz weiterer guten Ideen und Sequenzen, im späteren Verlauf aber dröge und verliert seinen Schwung. Dennoch sollte LONE RANGER nicht der Ausfall sein, der ihm zu drohen scheint. Da hat die Industrie schon mit ganz anderen Platzpatronen das Publikum aufgeschreckt. Was Disney letztendlich hier falsch gemacht hat, sollten sie sich von ihren Experten erklären lassen. Trotz offensichtlicher Schwächen, wird der Misserfolg nicht wirklich verständlich.
THE LONE RANGER
Darsteller Johnny Depp, Armie Hammer, William Fichtner, Tom Wilkinson, Ruth Wilson, James Badge Dale, Bryant Price, Barry Pepper, Mason Cook, Helena Bonham Carter u.a.
Regie: Gore Verbinski
Drehbuch: Justin Haythe, Ted Elliot, Terry Rossio
Kamera: Bojan Bazelli
Bildschnitt: Craig Wood, James Haygood
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Jess Gonchor, Crash McCreery
zirka 149 Minuten
USA 2013
Promofotos Copyright Walt Disney Studios Motion Pictures