Ein Genre-Mix funktioniert nur dann, wenn man die entsprechenden Genres auch beherrscht. Autor und Regisseur Joe Cornish lebte selbst in Süd-London. Mit von Gangs regierten Straßen und Wohnblocks voller Sozialhilfeempfängern kennt er sich also aus. Und nach ATTACK THE BLOCK kann man ihm auch bescheinigen, das er seine Hausaufgaben in Sachen Alien-Invasion gemacht hat. Es ist kein lustiger Film, keiner, der in jeder zweiten Zeile einen Reißer bringt, sondern seinen Ansatz ernst nimmt. Und genau das macht ATTACK THE BLOCK auch zu dieser durchweg unterhaltsamen Kurzweil. Der eigentliche Spaß ergibt sich allein aus der wundersam anmutenden Mischung von Sozial-Drama und Alien-Invasion. Mit den Stilmitteln beider Genres zauberte Cornish einen sehr geradlinigen und aufs Wesentliche konzentrierten Film. Hier ist die Atmosphäre genauso gelungen wie das schnörkellose Tempo.
Auch wenn die Macher von SHAUN OF THE DEAD werbewirksam als Zugpferde eingesetzt werden, will sich ATTACK THE BLOCK zu keiner Zeit auf dieses Pferd setzen. In seiner Gesamtheit, und selbst in seinen zwei langsam ineinander fließenden Genres, überrascht den Zuschauer ein sehr eigenständiger Film. Joe Cornish braucht keine plattgewalzten Klischees oder Versatzstücke, ihm gelingt tatsächlich, etwas Neues zu erzählen. Dabei sind besonders die Außerirdischen und der Grund ihrer Invasion eine mehr als gelungene Überraschung. Mary und Mike Elizalde haben Kreaturen geschaffen, die man so noch nicht gesehen hat. Da sind zum Beispiel ihre in der Dunkelheit drohend leuchtenden Augen, die sich … Aber das ist wirklich ein Effekt, an dem der Genre-Freund seine helle Freude hat. Und sollte es in der Science-Fiction schon einmal einen ähnlich gelagerten Grund für eine Invasion gegeben haben, dann ist es längst überfällig gewesen ihn noch einmal zu verwerten.
Der Film spielt nicht nur in England, sondern macht den örtlichen Straßen-Slang zu einem wichtigen Bestandteil der Geschichte und seiner Atmosphäre. Weit über die Hauptrollen von John Boyega und Jodie Whittaker hinaus, sind die Figuren allesamt hervorragend besetzt. Und selbst Nick Frost als bekannterer Name wird auf angenehme Art dem Ensemble untergeordnet. Die Protagonisten werden wunderbar eingefangen von Tom Townends klar strukturierten Bildern. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, dass Bildaufbau und –führung stark an Jan de Bonts Arbeit in DIE HARD erinnern. Dazu überzeugt Townend mit eher längeren Einstellungen, als sich zu dem Trend eines schnelleren, unübersichtlicheren Schnitts hinreißen zu lassen. Und der kontrastreich, in satten Farben präsentierte Wyndham Tower weckt in der Tat immer wieder Erinnerungen an Nakatomi-Plaza. Letztendlich kommt das allerdings ATTACK THE BLOCK nur zugute.
Dieser Film ist wirklich eine dieser unscheinbaren Perlen, weil er in sich komplett stimmig ist, in allen technischen wie künstlerischen Bereichen überzeugt, und genau versteht, wann er sich selber ernst genug nehmen muss. Doch am meisten Freude bereitet er damit, sich allen aktuellen Trends zu verweigern und damit seine filmische Eigenständigkeit weiter auszubauen. So ein Genre-Mix kann nur funktionieren, wenn man als Autor und Regisseur seine Hausaufgaben gemacht hat. Und dann darf selbst der erfahrenste Kinogänger noch eine derart angenehme Überraschung erleben, wie ATTACK THE BLOCK.
ATTACK THE BLOCK
Darsteller: John Boyega, Jodie Whittaker, Alex Esmail, Franz Drameh, Leeon Jones, Simon Howard, Luke Treadaway, Nick Frost, Jumayn Hunter, Danielle Vitalis, Paige Meade, Sammy Williams, Michael Ajao
Regie & Drehbuch: Joe Cornish
Kamera: Tom Townend
Bildschnitt: Jonathan Amos
Musik: Steve Price, Felix Buxton, Simon Ratcliffe
Musikauswahl: Nick Angel
Alien-Design: Mary Elizalde, Mike Elizalde
Großbritannien 2011
zirka 87 Minuten
Poster und Szenenfotos Copyright Capelight Pictures