Jim Butcher – GHOST STORY

Nach den fast schon apo­ka­lyp­tisch zu nen­nen­den und sich über­schla­gen­den Ereig­nis­sen im Vor­gän­ger­band CHANGES frag­te ich mich, wie Autor Jim But­cher die­sen Gescheh­nis­sen um sei­nen magi­schen Pri­vat­de­tek­tiv noch eins drauf­set­zen woll­te. Zudem ende­te jener Roman mit einem Cliff­han­ger, der an Dra­ma­tik kaum noch zu über­bie­ten war – und nicht nur ich frag­te mich, wie er aus der Num­mer wie­der raus kom­men wollte.

Aber Jim But­cher wäre nicht Jim But­cher, wenn er nicht für die ein oder ande­re Über­ra­schung gut wäre und die von ihm in GHOST STORIES, dem neu­es­ten Band der HARRY DRES­DEN-Rei­he, prä­sen­tier­te Nach­fol­ge­ge­schich­te ist an Skur­ri­li­tät kaum zu überbieten.

Ach­tung! Ich möch­te die Leser die­ser Rezen­si­on aus­drück­lich dar­auf hin­wei­sen, dass ich sowohl Gescheh­nis­se in CHANGES deut­lich the­ma­ti­sie­ren muss, als auch Infor­ma­tio­nen zum neu­en Band gebe, die defi­ni­tiv Spoi­ler dar­stel­len. Wer bei­de noch nicht gele­sen hat und auch nichts wis­sen möch­te, soll­te dar­über nach­den­ken, die­se Bespre­chung nicht zu lesen. Den Dres­den-Fans dar­un­ter sage ich an die­ser Stel­le des­we­gen nur: kau­fen! (aber das wer­den die ohne­hin tun) :o)

Klap­pen­text:

Meet Har­ry Dres­den, Chicago’s first (and only) Wizard PI. Turns out the ‘ever­y­day’ world is full of stran­ge and magi­cal things – and most of them don’t play well with humans. That’s whe­re Har­ry comes in. But he’s for­got­ten his own gol­den rule: magic – it can get a guy kil­led. Which did­n’t help when he clas­hed with unknown assai­lants with his mur­der in mind. And though Harry’s con­ti­nued exis­tence is now in some doubt, this does­n’t mean he can rest in peace. Trap­ped in a realm that’s not qui­te here, yet not qui­te any­whe­re else, Har­ry learns that three of his loved ones are in dan­ger. Only by dis­co­vering his assailant’s iden­ti­ty can he save his friends, bring cri­mi­nal ele­ments to jus­ti­ce, and move on hims­elf. It would just be easier if he knew who was at risk. And had a (working) crys­tal ball. And access to magic. Ins­tead, he is unab­le to inter­act with the phy­si­cal world – invi­si­ble to all but a select magi­cal few. He’s also not the only silent pre­sence roa­ming Chicago’s alleys. Hell, he put some the­re hims­elf. Now, they’­re loo­king for payback.

Nach­dem Har­ry im letz­ten Roman nicht nur sei­ne Toch­ter vor dem Red Court der Vam­pi­re geret­tet, son­dern die­sen auch noch kom­plett aus­ge­löscht hat und dabei – vor­sich­tig aus­ge­drückt – unhei­li­ge Alli­an­zen ein­ge­gan­gen ist, frag­te man sich, gegen Ende von CHANGES schon, was denn um Him­mels Wil­len jetzt noch kom­men kön­ne. Das lös­te But­cher mit einem sehr ein­fa­chen Trick: der Cliff­han­ger am Ende des Vor­gän­ger­ro­mans besteht dar­in, dass Har­ry erschos­sen wird.

Das nen­ne ich mal einen Cliff­han­ger! Den Prot­ago­nis­ten sei­ner Serie über die Klin­ge sprin­gen las­sen. Natür­lich weiß der lang­jäh­ri­ge Anhän­ger der Serie, dass in die­sem Uni­ver­sum der Tod eine zu ver­nach­läs­si­gen­de Grö­ße sein kann und mit ihm bei­lei­be nicht alles zu Ende sein muss.

Den­noch: But­cher zieht hier eine Num­mer ab, die ich nur als abge­fah­ren und ziem­lich uner­war­tet bezeich­nen kann. In einem Zwi­schen­reich ange­kom­men, wird Har­ry Dres­den klar gemacht, dass er noch nicht so weit ist, ins Jen­seits ein­zu­ge­hen (in wel­ches auch immer) und dass er noch­mals zurück keh­ren muss, zum einen um auf­zu­klä­ren, wer ihn getö­tet hat, zum ande­ren, um drei sei­ner Freun­de zu ret­ten. Doch er kann nicht kör­per­lich zurück nach Chi­ca­go – er ist ab sofort ein Geist.

Das erklärt selbst­ver­ständ­lich den Titel GHOST STORY. Was nun aber folgt ist, wie bereits geschrie­ben, ziem­lich schräg und unter­schei­det sich doch recht deut­lich von den bis­he­ri­gen Roma­nen: als Gespenst hat er weder direkt die Mög­lich­keit mit der Welt der Leben­den zu inter­agie­ren, noch kann er mit sei­nen Freun­den kom­mu­ni­zie­ren und sei­ne magi­schen Fähig­kei­ten sind eben­falls weg. Erschwe­rend kommt hin­zu, dass die Geis­ter­welt ihre eige­nen Regeln hat – und Har­ry mag zwar ein Magi­er-Schwer­ge­wicht sein, als Gespenst ist er jedoch noch nicht ein­mal ein Lehr­ling und es feh­len ihm grund­le­gen­de Kennt­nis­se über die­sen Zustand. Das führt natür­lich zu unschö­nen Ereignissen.

Eins muss man ganz klar sagen: But­cher schal­tet nach den hoch­dra­ma­ti­schen Ereig­nis­sen in CHANGES gleich meh­re­re Gän­ge zurück, lässt sowohl sei­nen Prot­ago­nis­ten, wie auch die Leser über Ver­gan­ge­nes reflek­tie­ren und zeigt auf, wo der selbst­si­che­re Har­ry mög­li­cher­wei­se gefehlt hat, wo er fal­sche Rich­tun­gen ein­schlug. Das ist auch gut so, denn auf dem Niveau des Vor­gän­ger­ban­des hät­te es kei­nes­falls wei­ter gehen kön­nen. Durch die Intro­spek­ti­ve und Rück­schau nimmt er eine Men­ge Dri­ve aus dem Uni­ver­sum und schafft damit die Vor­aus­set­zun­gen, dem­nächst wie­der mit gebrems­te­rem Schaum in einem neu­en Band wei­ter machen zu kön­nen, ohne gezwun­gen zu sein, immer grö­ßer, höher, wei­ter, epi­scher zu schrei­ben. Und dann wie­der neu­en Höhe­punk­ten zustre­ben zu können.

Doch auch wenn sich GHOST STORY gemäch­li­cher anlässt: es ist ein typi­scher Dres­den – vol­ler flap­si­ger Sprü­che, wit­zi­ger Ideen, Pop­kul­tur-Refe­ren­zen und ins­be­son­de­re: Har­rys lako­ni­sche Gags über sei­nen Zustand zün­den wie immer.

Die eigent­li­che Sto­ry rückt dabei ein wenig in den Hin­ter­grund und ist eigent­lich auch nicht so wich­tig, hier geht es pri­mär um Har­rys Ver­gan­gen­heit und um die aktu­el­le Situa­ti­on sei­ner Freun­de, die ohne ihn zurück gelas­sen wur­den und sich mit mäch­ti­gen Fein­den kon­fron­tiert sehen, gegen die sie kaum ankom­men kön­nen – eigent­lich wür­den sie Har­rys Hil­fe drin­gend benö­ti­gen. Und es geht um das Ver­hält­nis zwi­schen ihm und die­sen Freun­den. But­cher beleuch­tet und ana­ly­siert, gibt dem Prot­ago­nis­ten die Mög­lich­keit die Gescheh­nis­se und ins­be­son­de­re sei­ne Hand­lun­gen »von außen« noch­mals zu betrachten.

Ein­zi­ger Kri­tik­punkt für mich ist, dass der (erneut action­rei­che) Show­down in GHOST STORY auf­grund der eher neben­säch­li­chen Sto­ry stel­len­wei­se ein wenig auf­ge­setzt wirkt, aber dar­über kann man ganz gut hin­weg sehen, da zumin­dest wie­der eini­ges pas­siert. Und sein Besuch im Bewusst­sein sei­nes Lehr­lings Mol­ly ist dann wie­der ein ech­ter Brül­ler – vor allem für STAR TREK-Fans. :)

Zur über­aus über­ra­schen­den Auf­lö­sung wer sei­nen Tod letzt­end­lich zu ver­ant­wor­ten hat, und zum Ende des Romans wer­de ich an die­ser Stel­le kei­ner­lei Wor­te ver­lie­ren – sie passt aber in den Seri­en­kon­text… :o)

Fazit: wie immer lie­fert But­cher mit GHOST STORY rou­ti­niert extrem kurz­wei­li­gen Lese­stoff für die Freun­de des Magi­ers aus Chi­ca­go. Für Fans gibt es gar kei­ne Fra­ge, dass man die­sen Roman lesen MUSS, ins­be­son­de­re hebt er sich her­vor, weil er einen Gang zurück schal­tet und weil viel inter­es­san­te Rück­schau betrie­ben und ein Blick auf bekann­te Ver­satz­stü­cke von außen ermög­licht wird, ohne sich dar­in zu ver­lie­ren, oder das zu übertreiben.

Wer noch nie einen Dres­den gele­sen hat, der soll­te drin­gend die Fin­ger davon las­sen, denn er wird so gut wie nichts von dem ver­ste­hen, was ihm in die­sem Roman prä­sen­tiert wird. Es zeigt sich immer mehr, dass man zumin­dest die letz­ten paar Roma­ne unbe­dingt gele­sen haben muss, um noch zu ver­ste­hen, was in den neue­ren Büchern pas­siert und war­um es geschieht. Lest die Rei­he von Anfang an, es lohnt sich mit fort­schrei­ten­der Band­num­mer immer mehr – die Aben­teu­er des Har­ry Dres­den sind wie eine TV-Serie mit über­grei­fen­dem Handlungsbogen.

Mir hat der Roman GHOST STORY ins­be­son­de­re des­we­gen aus­ge­spro­chen gut gefal­len, weil er zum einen ein völ­lig abge­fah­re­nes Set­ting auf­wei­sen kann (Har­ry ist ein Geist) und weil er zum ande­ren die bis­he­ri­gen Gescheh­nis­se der Dres­den-Aben­teu­er Revue pas­sie­ren lässt und vom mega-Epi­schen wie­der auf ein gesun­des, nied­ri­ge­res Span­nungs­ni­veau bringt. Von hier aus kann es wie­der wei­ter gehen.

Cool!

Creative Commons License

(Nach­trag: das Bild von Jim But­cher im Umschlag hat mich aller­dings umge­hau­en: Bart weg, Haa­re kurz … das kann doch nicht Dein Ernst sein, Jim?)

 

GHOST STORY
A NOVEL OF THE DRESDEN FILES
Jim Butcher
Hard­co­ver – Urban Fantasy
26. Juli 2011
496 Sei­ten, ca. 18 Euro
ISBN-10: 045146379X
ISBN-13: 978–0451463791
Roc

Cover­ab­bil­dung Copy­right Roc

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies und externe Javascripte, indem du sie im Popup am unteren Bildrand oder durch Klick auf dieses Banner akzeptierst. Damit gelten die Datenschutzerklärungen der externen Abieter.

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies und externe Javascripte, indem du sie im Popup am unteren Bildrand oder durch Klick auf dieses Banner akzeptierst. Damit gelten die Datenschutzerklärungen der externen Abieter.
Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies und externe Javascripte, indem du sie im Popup am unteren Bildrand oder durch Klick auf dieses Banner akzeptierst. Damit gelten die Datenschutzerklärungen der externen Abieter.
Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies und externe Javascripte, indem du sie im Popup am unteren Bildrand oder durch Klick auf dieses Banner akzeptierst. Damit gelten die Datenschutzerklärungen der externen Abieter.

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

3 Kommentare for “Jim Butcher – GHOST STORY”

Rashka

sagt:

Bin auch gera­de durch und hin- und her­ge­ris­sen, auf jeden Fall ist die Geschich­te im Dres­den-Con­text schon logisch.
Hat er wirk­lich ein paar Gän­ge zurück­ge­schal­tet? Es kommt mir vor als berei­tet er uns auf den nächst­grö­ße­ren Kon­flikt vor – ich bin mir auf jeden Fall sicher wie der nächs­te Band heißt. ;-)

Andreas

sagt:

Ein kur­zer Blick in Jims FAQ hilft … »Win­ter« kommt nicht im Titel vor. Aber kalt wirds schon ;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.