Amazing! SPIDER-MAN: NO WAY HOME

SPIDER-MAN: NO WAY HOME – Deutsch­land­start 16.12.201

»Mein Spin­nen­sinn reagiert nicht auf Brot«

Ich weiß nicht, ob es irgend­wo im Mul­ti­ver­sum eine par­al­le­le Rea­li­tät gibt, in der das Mar­vel Cine­ma­tic Uni­ver­se nicht erfolg­reich ist. Ich weiß auch nicht, ob es eine Rea­li­tät gibt, in der SPIDER-MAN: NO WAY HOME ein Flop gewor­den ist. In unse­rem klei­nen, beschau­li­chen Teil des Mul­ti­ver­sums ist jeden­falls das Gegen­teil der Fall, das kann man bereits jetzt ein­deu­tig feststellen.

Ver­mut­lich wer­den den­noch die Nörg­ler erneut zu ver­neh­men sein, die immer wie­der Mal laut­stark die Ansicht ver­tre­ten, das mit den Super­hel­den wäre jetzt aber wirk­lich mal über und müs­se nun end­lich und end­gül­tig ein Ende finden.

Offen­sicht­lich ken­nen die Mar­vel schlecht. Denn die kön­nen das­sel­be Kon­zept, das seit Jahr­zehn­ten in den Comics funk­tio­niert, näm­lich ins­be­son­de­re im Ver­gleich zur Kon­kur­renz äußerst drei­di­men­sio­na­le Super­hel­den immer wie­der mal neu erfin­den, um das The­ma inter­es­sant zu hal­ten, ganz offen­sicht­lich auf das Medi­um Kino – oder bes­ser: Bewegt­bild – über­tra­gen. Und sie haben eine schier unüber­seh­ba­re Men­ge an Stoff auf den sie ein­fach nur zurück­grei­fen und ihn neu oder halb­neu adap­tie­ren müssen.

Über­haupt: Wer der Ansicht ist, dass das mit den Super­hel­den im Kino doch nicht ewig so wei­ter gehen kann, der mag viel­leicht Recht haben, aber wenn wir mal auf ande­re Gen­res schau­en, ist die Sache viel­leicht nicht mehr ganz so klar. Der Wes­tern war über Jahr­zehn­te ein domi­nan­tes Gen­re, nicht nur im US-Kino und ‑Fern­se­hen. Und Kri­mis oder Thril­ler kom­men eben­falls seit Jahr­zehn­ten in die Licht­spiel­häu­ser. So gese­hen sind Super­hel­den eben auch nur ein ande­res Gen­re, das man mit aus­rei­chend Varia­ti­on in immer neu­en krea­ti­ven Ite­ra­tio­nen lan­ge prä­sen­tie­ren kann, bevor sich Ermü­dungs­er­schei­nun­gen ein­stel­len – erst recht, wenn man sich immer neue Köp­fe mit fri­schen Ideen ins Boot holt.

Dass das Mul­ti­ver­sum in der nächs­ten Pha­se – oder den nächs­ten Pha­sen – des MCU eine zen­tra­le Rol­le spie­len wird, soll­te inzwi­schen auch der Aller­letz­te mit­be­kom­men haben. Wenn man dann die Trai­ler zu SPIDER-MAN: NO WAY HOME gese­hen hat, war schon klar, in wel­che Rich­tung das Gan­ze gehen wür­de. Und des­we­gen kann man sich schon grob vor­stel­len – und das ohne zu spoi­lern -, was pas­sie­ren wür­de, wenn wir bereits im Vor­gu­cker Bös­wat­ze aus gleich meh­re­ren ver­gan­ge­nen Kino-Inkar­na­tio­nen des freund­li­chen Netz­schwin­gers aus der Nach­bar­schaft und aus den letz­ten 20 Jah­ren zu sehen bekom­men, aus Tri­lo­gien, in denen Tobey McGui­re oder Andrew Gar­field den Spin­nen­mann dar­stell­ten, den heu­te Tom Hol­land gibt.

Was Mar­vel-Super­hel­den­fil­me so beson­ders macht ist auch in die­sem Fall, dass das Leben auch für ver­meint­li­che Super­hel­den eben nicht immer ein­fach ist, selbst wenn sie gera­de nicht gegen lila­far­be­ne Tita­nen kämp­fen müs­sen, die das hal­be Uni­ver­sum ent­völ­kern wol­len. Wie schon in den Comics sind die Hel­den mit den immensen Super­kräf­ten eben doch auch nur Men­schen mit Pri­vat­le­ben, mit mensch­li­chen Pro­ble­men zusätz­lich zu den Pro­ble­men, die aus dem Super­hel­den­tum erwach­sen. Die­se Mischung hält das Gan­ze frisch und das tut es auch in die­sem Fall, wenn der Film über ganz per­sön­li­che und pri­va­te Pro­ble­me Peter Par­kers damit berich­tet, dass sei­ne Geheim­iden­ti­tät öffent­lich gemacht wur­de. Na gut, dann eben nicht mehr pri­vat. Das ist abso­lut kein Spaß, weder für ihn, noch für sei­ne Freun­de und Familie.

Tom Hol­land stellt über die Fil­me über­aus bra­vou­rös eine Meta­mor­pho­se dar, vom Teen­ager, der zufäl­lig Super­kräf­te bekommt und eigent­lich hap­py-go-lucky alles ganz cool fin­det, trotz aller lila­far­be­nen Tita­nen, denn am Ende hat man selbst den schließ­lich in den Griff bekom­men, was soll da noch fol­gen? Und trotz aller vor­her­seh­ba­rer Epik, die in ihrer Mischung sogar etli­che frü­he­re MCU-Fil­me in den Schat­ten stellt, ist immer wie­der Zeit für stil­le, nach­denk­li­che Momen­te. Hol­land lässt sein Alter Ego all das durch­lau­fen und aus dem kinds­köp­fi­gen Spi­der-Kid wird jemand, der offen­bar nun end­lich tat­säch­lich die Trag­wei­te sei­ner Fähig­kei­ten, und der ande­rer Hel­den, erkennt. Gran­di­os gespielt, durch den gesam­ten Film in all sei­ner Band­brei­te an Gefüh­len und Facetten.

Erfreu­li­cher­wei­se hat man ihm mit Jacob Bata­lon als Ned und Zen­da­ya als MJ Figu­ren an die Sei­te gestellt, die nicht nur gegen ihn anspie­len kön­nen, son­dern die eben nicht nur Staf­fa­ge und Stich­wort­ge­ber im Super­hel­den-Zir­kus sind, son­dern ech­te Auf­ga­ben haben (aber auch das zeich­net MCU-Fil­me aus: dass sie mit ver­meint­li­chen Neben­fi­gu­ren äußerst fair umge­hen). Das­sel­be gilt auch für Mari­sa Tomei als May Par­ker, der eine klei­ne aber bedeu­ten­de Rol­le in die­sem Film zuge­mes­sen wur­de, weit mehr als bisher.

Aber natür­lich sind auch die ver­meint­li­chen Böse­wich­ter her­vor­zu­he­ben, ins­be­son­de­re Alfred Moli­na als Doc Ock und natür­lich Wil­lem Dafoe als Nor­man Osborn ali­as Green Goblin. Bei­de geben in ihren Rol­len erwart­bar alles – und das ist deut­lich mehr, als man sich viel­leicht den­ken wür­de, denn auch hier sind die Bösen wie aus MCU-Fil­men gewohnt äußerst viel­schich­tig und eben nicht nur böse. Uner­war­tet erhal­te­ne Super­kräf­te kön­nen aus einer Per­son einen Super­hel­den machen, aber manch­mal hät­te es viel­leicht nur win­zi­ger Abwei­chun­gen bedurft, um das in eine ganz ande­re Rich­tung zu kip­pen. Statt Gut-Und-Böse-Abzieh­bil­dern, wie beim gro­ßen Comic-Kon­kur­ren­ten, zeigt Mar­vel erneut, dass es viel mehr Grau gibt, viel mehr Abstu­fun­gen, als nur Schwarz oder Weiß. Und dass es Grün­de dafür gibt, böse zu wer­den – oder sich zu ent­schei­den es zu lassen.

In mei­nen Augen ein wenig ver­schwen­det war Jamie Foxx als Elec­t­ro, der gegen die bei­den Schwer­ge­wich­te Moli­na und Dafoe nicht anspie­len kann, obwohl er es könn­te, fai­rer­wei­se gesagt aller­dings vom Dreh­buch auch nicht unbe­dingt die Mög­lich­keit dafür bekam.

Der Film beschäf­tigt sich zudem damit, dass Ent­schei­dun­gen Kon­se­quen­zen haben, egal aus wel­chen Beweg­grün­den, sei­en sie auch noch so hehr oder nie­der. Die Dreh­buch­au­to­ren Chris McKen­na und Erik Som­mers haben es geschafft, neben aller Action eben auch eine Men­ge mora­li­scher und ethi­scher Fra­gen nicht nur auf­zu­wer­fen, son­dern auch Lösun­gen dafür anzu­bie­ten, ohne die aller­dings dem Zuschau­er mit dem Dampf­ham­mer ein­zu­ar­bei­ten. Den­noch füh­ren die zu eini­gen der dra­ma­tischs­ten und emo­tio­nals­ten Szenen.

Knapp zwei­ein­halb Stun­den hält SPIDER-MAN: NO WAY HOME die Kino­be­su­che­rin in den Sit­zen und kei­ne Sekun­de davon ist lang­wei­lig oder ver­schwen­det, ganz im Gegen­teil. Neben Epik und Dra­ma­tik beschert der Film der erfreu­ten Zuschaue­rin zudem auch noch einen gan­zen Hau­fen wirk­lich per­fekt plat­zier­ter klei­ne­rer und grö­ße­rer äußerst unplat­ter Gags. Erneut beweist Mar­vel, wie vir­tu­os sie mit dem The­ma Super­hel­den umge­hen kön­nen und dass das Ende der Fah­nen­stan­ge mit INFINITY WAR und ENDGAME noch nicht erreicht sein war. Noch lan­ge nicht. Es klingt inzwi­schen wie eine Pla­ti­tü­de, aber sie ver­mö­gen es wirk­lich, immer noch einen draufzusetzen.

Wenn Mar­vel es dann mit der Mul­ti­ver­sums-Num­mer auch noch schafft, ver­gan­ge­ne und ver­lo­ren geglaub­te offe­ne Enden zu ver­knüp­fen und mit die­sem Super- … ent­schul­di­gung … Spi­der-Fan­ser­vice ver­mut­lich eine Men­ge Spi­der-Man-Fans sehr glück­lich machen dürf­ten, dann grenzt das – erneut – an Genialität.

Den obli­ga­to­ri­schen Hin­weis auf After-Cre­dits-Sze­nen kann man sich im Prin­zip seit ca. zehn Fil­men erspa­ren, wenn­gleich die ers­te dies­mal als wirk­lich außer­ge­wöhn­lich bezeich­net wer­den darf, wenn man sich erin­nert, dass Sony und Mar­vel sich vor nicht all­zu lan­ger Zeit noch um die Rech­te gestrit­ten haben. Übri­gens könn­te man auch in die Gescheh­nis­se des Show­downs gewis­se real­welt­li­che Kon­se­quen­zen aus die­sem Zusam­men­hang inter­pre­tie­ren. Ob die­se Inter­pre­ta­ti­on stimmt, oder man bei den Stu­di­os nur mit dem Inter­net und des­sen Hang aus kleins­ten Details Din­ge zu lesen spielt, wird die Zukunft zeigen.

Und ange­sichts der Tat­sa­che, wel­che Rol­le Doc­tor Stran­ge in NO WAY HOME gespielt hat und wel­cher MCU-Film als nächs­tes ansteht, dürf­ten die erstaun­lich umfang­rei­chen Sze­nen nach dem Roll-Abspann nicht wirk­lich uner­war­tet kom­men, las­sen die Zuschaue­rin dann inhalt­lich auf­grund gewis­ser Details aller­dings doch mit offe­nem Mund zurück: Die mei­nen das mit dem MCU über alle Medi­en hin­weg offen­sicht­lich ernst. Das bedeu­tet für die­je­ni­ge, die wirk­lich alles sehen und ver­ste­hen will aller­dings auch zwin­gend, dass ein Disney+-Abo her muss.

Gran­dio­se Kino­un­ter­hal­tung. Mehr­fa­chen Sze­nen­ap­plaus im Kino­saal hat­te ich schon ziem­lich lan­ge nicht mehr. Unbe­dingt noch schnell anse­hen, bevor die scheiß Omi­kron-Vari­an­te die Kinos in die­sem völ­lig unbe­deu­ten­den Teil des Mul­ti­ver­sums wie­der schließt.

SPIDER-MAN: NO WAY HOME
Beset­zung: Tom Hol­landZen­da­yaBene­dict Cum­ber­batch, Jacob Bata­lonJon Fav­reauJamie FoxxWil­lem DafoeAlfred Moli­naBene­dict WongJ.K. Sim­monsRhys IfansTony Revo­lo­riChar­lie CoxTho­mas Haden ChurchMari­sa Tomei u.a.
Regie: Jon Watts
Dreh­buch: Chris McKen­na & Erik Som­mers nach Moti­ven von Stan Lee und Ste­ve Ditko
Pro­du­zen­ten: Kevin Fei­geAmy Pas­cal
Aus­füh­ren­de Pro­du­zen­ten: Vic­to­ria Alon­soAvi AradLou­is D’Es­po­si­toRachel O’Con­norJoAnn Per­rita­noMatt Tol­mach
Kame­ra: Mau­ro Fiore
Schnitt: Leigh Fol­som BoydJef­frey Ford
Musik: Micha­el Giacchino
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Dar­ren Gilford
Cas­ting: Sarah FinnChris Zara­go­za
148 Minuten
USA 2021

Pro­mo­fo­tos Copy­right Mar­vel Stu­di­os und Sony Pictures

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