Bandit bespricht: GHOSTBUSTERS: LEGACY

GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE – Bun­des­start 18.11.2021

Die Zuschau­er ver­las­sen am Ende des Films den Saal. Sie sind nicht ganz so dumm, war­ten die ers­ten Titel mit den Namens­nen­nun­gen noch ab, denn danach kommt nicht sehr über­ra­schend eine über­ra­schen­de Sze­ne. Man kennt das mitt­ler­wei­le, der Oha-Moment, der nichts bedeu­ten muss, aber die Nerds zu unheim­lich viel Spe­ku­la­ti­on antreibt. Danach strö­men die Zuschau­er zum Aus­gang und Haupt­dar­stel­le­rin Mcken­na Grace singt ihren selbst­ge­schrie­be­nen Song »Haun­ted House« in Dol­by Atmos. Ein breit­schult­ri­ger Mann, der schon vor dem Film durch laut­star­ke Bemer­kun­gen als Film-Buff auf­ge­fal­len war, infor­miert über den Film­ton hin­weg sei­ne eben­so männ­li­che Beglei­tung beim Hin­aus­ge­hen, dass die Macher da ja alles rich­tig gemacht hät­ten. Sein Ton ist dabei extrem gön­ner­haft, dass man ver­sucht ist eben­so gön­ner­haft hin­ter­her­zu­ru­fen, er wür­de gera­de gar nichts rich­tig machen. Denn sechs Minu­ten spä­ter ist der gut besuch­te gro­ße Saal fast leer und gera­de ein­mal vier Zuschau­er ver­fol­gen nach dem Abspann eine sehr aus­ge­dehn­te und durch­aus prä­gnan­te Szene.

Von der Groß­stadt ins Hin­ter­land. Die hoch­be­gab­te Außen­sei­te­rin Phoe­be und ihr Bru­der, der Tes­to­ste­ron-Neu­ling Tre­vor, haben sich das wirk­lich anders vor­ge­stellt. Phoe­be woll­te in der Anony­mi­tät der Stadt wei­ter unauf­fäl­lig blei­ben und Tre­vor muss von vor­ne anfan­gen, sei­nen sozia­len Sta­tus in den jugend­li­chen Gefil­den neu zu erar­bei­ten. Ein wenig här­ter trifft es die allein­er­zie­hen­de Mut­ter Cal­lie, die ein­fach nur die finan­zi­el­len Hin­ter­las­sen­schaf­ten ihres ent­frem­de­ten Vaters in Sum­mer­vil­le, Okla­ho­ma abho­len woll­te. Doch außer der her­un­ter­ge­kom­me­nen und teil­wei­se ver­fal­le­nen Farm erbt die voll­kom­men über­schul­de­te Cal­lie nur zusätz­li­che Schul­den. Aber auch ein Fami­li­en­ge­heim­nis, dem zuerst die neun­mal­klu­ge Phoe­be auf die Spur kommt.

 

Es wäre absurd zu glau­ben, kei­ner der Zuschau­er könn­te erah­nen, was die Geschich­te in GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE bereit­hal­ten wür­de. Und schon aus cine­as­ti­scher Ver­ant­wor­tung und purem Trotz wird an die­ser Stel­le auf den deut­schen Titel ver­zich­tet, weil Ver­lei­her in die­sem Land ent­we­der aus Dumm­heit, Igno­ranz oder Inkom­pe­tenz, oder einer unge­sun­den Mischung aus allem, das Wort »Lega­cy« in jede Fort­set­zung zu pres­sen ver­su­chen. Ein eng­li­sches Wort durch ein eng­li­sches Wort zu erset­zen wird dadurch noch bizar­rer, wenn es weit weni­ger Sinn ergibt. Wer GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE in sei­ner tech­ni­schen sowie künst­le­ri­schen Gesamt­heit ver­steht, braucht nicht viel um zu begrei­fen das AFTERLIFE kein schnit­ti­ger Titel, son­dern ein auf das Wesen des Films bezo­ge­ner phi­lo­so­phi­scher Begriff ist.

Das sind mar­ki­ge Wor­te für einen Block­bus­ter, dem 36 Jah­re hin­ter­her gerannt wur­de, um mäch­tig viel Geld in den Rachen des Colum­bia Pic­tures Inha­bers Sony zu schau­feln. Doch über die Jah­re sind die Ghost­bus­ters nicht nur als Finanz­ma­gnet gewach­sen, son­dern auch als ech­te Her­zens­an­ge­le­gen­heit für vie­le Men­schen, mit diver­sen Moti­va­tio­nen. Vie­le der grund­le­gen­den Ideen von Mit-Schöp­fer Dan Aykroyd blie­ben für das Dreh­buch von Regis­seur Jason Reit­man und Gil Ken­an erhal­ten. Wie zum Bei­spiel auch ein neu­es Team von Geis­ter­jä­gern, das hier von der zwölf­jäh­ri­gen Phoe­be ange­führt wird, eine unglaub­lich sen­si­ble und über­zeu­gen­de Mcken­na Grace. Es ist eine Schan­de, dass Grace in der Namens­nen­nung nicht ganz oben steht.

 

Mit ihrem über­pro­por­tio­na­len Ver­stand und enor­men wis­sen­schaft­li­chen Kennt­nis­sen ist Phoe­be nicht nur die klas­si­sche Außen­sei­te­rin. In Insze­nie­rung, Spiel und Cha­rak­ter­zeich­nung macht sie auch sehr ein­dring­lich klar die tech­ni­schen Din­ge und kau­sa­len Zusam­men­hän­ge in Ver­bin­dung mit dem nur schein­bar wert­lo­sen Farm­haus zu ver­ste­hen. Mcken­na Grace ist aber zu kei­nem Zeit­punkt die unan­ge­neh­me Bes­ser­wis­se­rin, son­dern im Cha­rak­ter extrem sen­si­bel, weil sie sich ihrer even­tu­ell ein­schüch­tern­den Bega­bung bewusst ist. Jason Reit­man ver­schwen­det kei­ne Zeit, um dem Publi­kum ver­ständ­lich zu machen, war­um die Kin­der in kür­zes­ter Zeit die Funk­ti­ons­wei­se des Pro­ton Pack und Bedie­nung des Ecto­mo­bils beherr­schen. Für man­chen mag dies viel zu über­stürzt abge­han­delt sein, aber der Film gibt dabei selbst die ver­ständ­lichs­te Ant­wort in Form von You­Tube. Man ein­fach muss nur die kau­sa­len Zusam­men­hän­ge von Gese­he­nem und Gesche­he­nem verstehen.

Wich­tig ist das Timing und Jason Reit­man hat durch­aus das Talent sei­nes Vaters, in dem nicht nur die ein­zel­nen Sze­nen auf den Punkt insze­niert sind, son­dern auch alle Sequen­zen im aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis ste­hen. Lacher blei­ben nie für eine erwei­ter­te Auf­merk­sam­keit ste­hen, son­dern sind im dyna­mi­schen Fluss des Erzäh­lens. Über­haupt ist auf­fäl­lig, dass AFTERLIFE auf jede Aus­rich­tung von Schen­kel­klop­fern ver­zich­tet. Das extrem anspruchs­vol­le Humor­le­vel besticht durch intel­li­gen­ten Sar­kas­mus, nach­voll­zieh­bar absur­den Dia­lo­gen und inspi­rier­te Situa­ti­ons­ko­mik. Hier kommt Jason dem Ori­gi­nal GHOSTBUSTERS sei­nes Vaters Ivan nicht nur sehr nahe, Hand auf Herz, hier sind sie eben­bür­tig. Das ist umso erstaun­li­cher, weil das Ori­gi­nal sei­nen bestechen­den Charme und ori­gi­nel­len Humor haupt­säch­lich den Impro­vi­sa­tio­nen der Haupt­dar­stel­ler wäh­rend der Dreh­ar­bei­ten gewon­nen hat.

Dass Kom­po­nist Rob Simon­sen den Stil und die Kom­po­si­tio­nen von Elmer Bern­stein auf­greift und damit einen mit dem ers­ten Film kohä­ren­ten Sound­track schafft, sorgt umge­hend für das soge­nann­te »Fee­ling«. Aber Simon­sen bringt durch­aus auch sei­ne ganz eige­nen, eben­so ein­gän­gi­gen Klän­ge mit ein. Eines der vie­len Kom­po­nen­ten, die GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE zu einem unbe­stimm­ten Hybri­den machen, der sich der Fest­le­gung auf Fort­set­zung genau­so ent­zieht, wie der eines Neu­starts. Selbst­ver­ständ­lich ist er bei­des, aber zu kei­nem Zeit­punkt hat man das Gefühl. Dass sich wesent­li­che Ele­men­te aus dem Ori­gi­nal von ’84 wie­der­ho­len, ist nicht Nach­ah­mung son­dern rele­vant. AFTERLIFE demons­triert die sel­te­ne Kunst, dass ein Film direk­te, extrem geglück­te Fort­set­zung, aber gleich­zei­tig auch ein per­fekt unter­hal­ten­der, aber eigen­stän­di­ger Film sein kann.

 

Gera­de bei einer Wei­ter­füh­rung oder Neu­auf­la­ge eines belieb­ten und ver­ehr­ten Wer­kes spre­chen Fans und Enthu­si­as­ten ger­ne von einem bestimm­ten »Fee­ling«. Es ist jenes unde­fi­nier­ba­re Ding, wel­ches einem bei wie­der­hol­tem Genuss des sel­ben Erzeug­nis­ses über­kommt. So unde­fi­nier­bar die­ses »Fee­ling« auch schei­nen mag, bei GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE wird man davon fast schon über­wäl­tigt. Dass dies über 120 Minu­ten anhält, ist dem sehr sel­te­nen Umstand zu ver­dan­ken, dass alle Ele­men­te und Gewer­ke in sich selbst und im Zusam­men­wir­ken stim­mig sind.

Die Ver­le­gung des Hand­lungs­or­tes folgt einer erzäh­le­ri­schen Logik. Die Zau­be­rer der Visu­al- und Spe­cial-Effects haben sich auf die damals schon über­wäl­ti­gen­den Mög­lich­kei­ten von 1984 beschränkt. Die Dar­stel­ler spie­len ohne den Anschein von »Spiel« und agie­ren beein­dru­ckend natür­lich mit­ein­an­der. In dem Zusam­men­hang fällt sicher jedem auf, wie schnell Tre­vor in die Grup­pe der Jugend­li­chen auf­ge­nom­men wird, ohne das sonst so übli­che Ver­satz­stück, sich bewei­sen zu müs­sen. Dem Über­na­tür­li­chen ist immer eine rea­lis­ti­sche Natür­lich­keit gegen­über­ge­stellt und so funk­tio­niert es dann auch. Zudem wer­den alle Stim­mun­gen, ob Action-Sequen­zen, sen­ti­men­ta­le Momen­te, gru­se­li­ge Augen­bli­cke oder Cha­rak­ter-Ent­wick­lun­gen gleich­wer­tig behan­delt und aus­ge­spielt. Meist kaum trenn­bar inein­an­der ver­wo­ben, doch immer mit die­sem herr­lich herz­li­chen Humor.

Und wer auf die Lein­wand­zeit bestimm­ter Dar­stel­ler ach­tet, und das ist jetzt ech­ter Nerd-Kram, dem wird auf­fal­len, dass die Hand­lung nicht mit Beginn des Abspanns abge­schlos­sen sein kann. Kür­zer gefasst könn­te man dem armen Kerl im Kino zustim­men, dass die Macher da ja alles rich­tig gemacht hät­ten. Aber zum Glück mach­te die­se laut­star­ke Type den Ein­druck, die­sen Film nach dem ers­ten Mal nicht das letz­te mal gese­hen zu haben. So wie der Ver­fas­ser die­ser Zeilen.

GHOSTBUSTERS: AFTERLIFE
Dar­stel­ler: Mcken­na Grace, Finn Wolf­hard, Logan Kim, Car­rie Coon, Paul Rudd and Dan Aykroyd, Ernie Hud­son, Bill Mur­ray, Annie Potts Sigour­ney Wea­ver (alpha­be­tisch) u.a.
Regie: Jason Reitman
Dreh­buch: Jason Reit­man & Gil Kenan
Kame­ra: Eric Steelberg
Bild­schnitt: Dana E. Glau­ber­man, Nathan Orloff
Musik: Rob Simonsen
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Fran­cois Audouy
Kana­da – USA / 2021
124 Minuten

Bild­rech­te: SONY PICTURES INTERNATIONAL

AutorIn: Bandit

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