THOR: LOVE AND THUNDER – Deutschlandstart am 06.07.2022
Disclaimer: Ich habe ob einer gewissen Ratlosigkeit eine Woche benötigt, um eine Besprechung verfassen zu können. Dafür ist die spoilerfrei.
Wie bereits bei THOR: RAGNAROK hat Taika Waititi bei der neuesten Inkarnation und dem aktuellsten Film des Marvel Cinematic Universe die Rolle des Regisseurs übernommen. Für mich war das zuerst einmal eine gute Nachricht, denn zum einen schätze ich Waititi als Regisseur wie Schauspieler und zum anderen hatte er dem etwas drögen Charakter Thor durch RAGNARÖK eine humoristische Komponente hinzufügen können, die vermutlich auch mit dem Fähigkeiten Chris Hemsworths zusammenpasste. Der hat in der Vergangenheit in diversen Produktionen bewiesen, dass er auch in diesem Fach zuhause ist. Deswegen war ich bei THOR: LOVE AND THUNDER guter Dinge, dass die Kombination aus MCU, Waititi, Thor und Hemsworth einen unterhaltsamen Film ergeben würde.
Das ist aber leider nur in Teilen wahr. THOR: LOVE AND THUNDER ist ein durchaus unterhaltsamer Film mit zahllosen größeren und kleineren Gags, der Film krankt allerdings leider während des gesamten Verlaufs daran, dass er nicht weiß, ob er Komödie oder Drama sein möchte. Zum einen Gorr der Götterschlächter, der theoretisch einen passablen Gegenspieler hätte abgeben können, aber hinter den Erwartungen zurück bleibt, zum anderen diverse teils platte Gags oder Götter wie Zeus, die als ziemliche Volltrottel dargestellt werden.
Das passt in der Abfolge und auch der Handlung nicht gut zusammen. Ständig weiß man nicht, was sie just von der Zuschauerin wollen. Ist jetzt gerade Drama und der Gag war fehlplatziert, oder ist jetzt Comedy und wo kommt auf einmal das Drama her? Normalerweise hat man bei Marvel ein feines Gespür dafür, an welchen Stellen man die teils überbordende Dramatik durch wohlplatzierte Gags durchbrechen muss. Bei LOVE AND THUNDER hat man oft eher den Eindruck, dass jetzt aber man wieder ernsthafte Story die Witze durchbrechen muss, weil der Regisseur mehr Bock auf Comedy hat.
Christian Bale hatte nach der DARK KNIGHT-Trilogie zu Protokoll gegeben, dass er mit Superhelden durch sei, hier aber mit der Darstellung von Gorr dem Götterschlächter ein Angebot bekommen habe, das er nicht ausschlagen konnte (was auch wieder die Macht des Geldes beweist). Angesichts dessen muss man sich allerdings fragen, warum er zum einen so mies spielt und zum anderen, warum es sich bei Gorr um einen der am schlechtesten motivierten und begründeten Gegenspieler des MCU überhaupt handelt. Dazu kommt erschwerend die unfassbar schlechte deutsche Übersetzung. In Teilen ist Gorrs Stimme so drüber oder daneben gesprochen, dass es nicht mehr dramatisch oder eindrucksvoll wirkt, sondern einfach nur noch grotesk lächerlich.
Bleiben wir bei der Synchronisation: Ich meckere ja regelmäßig über deutsche Übersetzungen von englischsprachigen Filmen, so oft, dass es den PhantaNews-Leserinnen vermutlich schon aus den Ohren kommt. Bei THOR: LOVE AND THUNDER ist das Ausmaß an schlechter Übersetzung allerdings eine »Qualität« erreicht, die ich erschreckend finde. Bei einem Streifen, der nicht zuletzt durch zwischen den Figuren knapp ausgetauschte Gags lebt, in der Übersetzung derart schlechtes Timing zu installieren ist das erste Problem. Das zweite, gewichtigere, ist, dass die Übersetzungen zum Teil wahrhaft grottenschlecht sind. Ich saß im Kino, wusste ob der deutschen Fassung, was im Original vermutlich gesagt worden war und merkte sofort, dass das leider völlig daneben war. Warum spart man bei Multimillionen Dollar-Blockbuster-Produktionen am Ende an der Übersetzung, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn? Oder war es etwa Zeitdruck, immerhin startete THOR in Deutschland gleich mehrere Tage vor den USA? Trotzdem: Wenn man so unverschämt viel Geld an der Hand hat, wie Disney, sollte man sich doch gute Übersetzer und Sprecher leisten können, dazu eine Synchronregie, die erkennen kann, wenn was nicht funktioniert?
Der Film hat ohnehin Probleme durch die fehlende Stringenz und durch das nicht funktionierende Zusammenspiel von Komödie und Drama. Wenn einem dann auch noch eine miese Synchro mit in Teilen grotesk overactenden Sprechern (Gorr) dazu geboten werden, dann sinkt der Spaß deutlich.
Und auch bei Thor selbst weiß man offensichtlich nicht, wie man ihn darstellen möchte. In den frühen Filmen war er ein »ernsthafter« Charakter, jedenfalls soweit man bei einem Branagh-channelnden Wikinger-Alien-Superhelden von »ernsthaft« sprechen kann. Ab RAGNAROK wurde er mehr und mehr zu Party-Thor und einem ziemlichen Kindskopf – und das trotz all der Dinge, die er im Zusammenhang mit den Infinity-Steinen erlebt hat, und die einen Charakter eigentlich weiser machen sollten. Es hätte mir deutlich besser gefallen, wären die Gags gerade im Zusammenhang mit der Hauptfigur sparsamer, zielgerichteter und weniger klamaukig angelegt worden. Dass man das bei Marvel beherrscht wissen wir ebenso, wie dass Chris Hemsworth das drauf hat. Vielleicht hätte Kevin Feige hier Taika Waititis Kette etwas kürzer nehmen sollen, gerade auch in Sachen Korg, oder bei ultraplatten, wie aus der Zeit gefallen wirkenden Peniswitzen mit dem nackten Thor.
Weiterhin werden zentrale Aspekte des Films nur kurz angerissen, obwohl ihnen eigentlich mehr Raum hätte eingeräumt werden müssen, wie das in anderen MCU-Produktionen auf der großen Leinwand wie dem kleinen Screen immer wieder gut funktioniert hat. Beispielsweise hätte man gut auf ein paar mindergute Gags verzichten und dafür Jane Fondas, entschuldigung, Jane Fosters (Natalie Portman) Werdegang zu Mighty Thor besser beleuchten können – das kam in meinen Augen deutlich zu kurz. Im Zusammenhang mit diesem Charakter war ich Drehbuch und Regie auch kurz böse, zumindest bis zur Szene nach den Rollcredits.
Gorr hat dasselbe Problem: man versteht schon grundsätzlich, worum es geht und wodurch er zum God Butcher wurde (Spoiler: eigentlich zufällig), aber danach wird er nicht weiter sauber motiviert. Andere MCU-Filme haben das mit ihren vielschichtigen Antagonisten um Längen besser gemacht (so weit, dass man Thanos fast dabei zustimmen wollte, es sei eine gute Idee, das halbe Universum wegzuschnipsen), hier beschränkt man sich darauf, Gorr hin und wieder auftreten zu lassen, in seiner miserablen Synchronstimme pseudo-Schwerwiegendes abzusondern und den ein oder anderen Gott zu schlachten.
Sieht man von oben genannten Defiziten mal ab will ich nicht verhehlen, dass LOVE AND THUNDER ein durchaus unterhaltsamen Film ist und etliche der Gags ziemlich gut, darunter ein paar echte Schenkelklopfer. Auch Russel Crowe als übergewichtiger, überkanditelter, ähem, »klassisches« Outfit tragender Zeus zeigt, dass sich er auch mal für ein paar Gags und ein kokettes Röckchen-zur-Seite-schwingen nicht zu schade ist.
Und ja, es gibt auch zahllose wirklich gute, überraschende, witzige Ideen in diesem Film, insbesondere auch die schnell rekrutierte Superhelden-Horde am Schluss (wobei ich mich auch hier fragte, warum Thor den Trick mit dem Übertragen der Kräfte nicht schon früher mal angewandt hat).
Und vor allen Dingen sehr gut, dass durch die Bank weg alle Darsteller sichtbar viel Bock auf diesen Film hatten. Na gut, bis auf Christian Bale vielleicht.
Alles in allem lässt mich THOR: LOVE AND THUNDER insbesondere als erklärten Fan des Marvel Cinematic Universe etwas ratlos zurück. Auf der einen Seite hat er alle nötigen Versatzstücke für einen Marvel-typischen Blockbuster. Auf der anderen Seite fragt man sich, wo diese Produktion in Details so schief gegangen ist? Beim Drehbuch? Bei den Dreharbeiten? Beim Schnitt? War es eine Mischung aus allem?
Nochmal: Der Film ist äußerst unterhaltsam und sein Eintrittsgeld fürs Kino allein aufgrund der Schauwerte allemal wert und zahllose gelungene Lacher gibt es ebenfalls. Für die Eingeweihten bedient er sich tief und ausgiebig an bereits bekannten Comicserien und Heften. Aber in der Reihe der MCU-Filme ist er meiner Ansicht nach in Sachen Inszenierung nicht einer der besseren. Ich freue mich allerdings sehr auf die Originalfassung und gehe davon aus, dass die um Längen ansprechender ist, als die deutsche Version.
Den Szenen am Ende nach zu urteilen darf man allerdings wieder sehr gespannt sein, wie sie die Figur(en) weiter führen wollen.
p.s.: Gruß an Michael Giacchino und Nami Melumad: Sehr geile Filmmusik.
p.p.s.: Vielleicht ist das alles aber auch ein gigantischer Mindfuck. Multiversum und so. Die Zukunft wird es weisen.
Besetzung: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Christian Bale, Tessa Thompson, Taika Waititi, Russell Crowe, Jaimie Alexander, Chris Pratt, Dave Bautista, Karen Gillan, Pom Klementieff, Sean Gunn, Vin Diesel, Bradley Cooper, Carly Rees, Ben Falcone u.v.a.m.
Regie: Taika Waititi
Drehbuch: Taika Waititi, Jennifer Kaytin Robinson
Produzenten: Kevin Feige, Brad Winderbaum
Ausführende Produzenten: Victoria Alonso, Brian Chapek, Louis D’Esposito, Todd Hallowell, Chris Hemsworth
Kamera: Barry Baz Idoine
Schnitt: Peter S. Elliot, Tim Roche, Matthew Schmidt, Jennifer Vecchiarello
Musik: Michael Giacchino, Nami Melumad
Produktionsdesign: Nigel Phelps
Casting: Sarah Finn, Danish Maniyar
118 Minuten
USA 2022
Promofotos Marvel Studios & Walt Disney Pictures