Patrick S. Tomlinson: THE ARK – CHILDREN OF A DEAD EARTH Book 1

Nach­dem ich Patrick S. Tom­lin­sons GATE CRASHERS und STARSHIP REPO gele­sen hat­te (bei­de Fun­ny SF im Stil erin­nernd bei­spiels­wei­se an Robert Asprins Cha­os-Kom­pa­nie, bei­de äußerst unter­halt­sam, wenn man auf das Gen­re steht und auch mit ein wenig Kla­mauk leben kann, der zwei­te noch mehr als der ers­te), war mir umge­hend klar, dass ich von dem Autor noch mehr lesen möch­te, denn die bei­den Roma­ne waren schon mal der Knüller.

Eines der The­men, die bei Sci­ence Fic­tion-Roma­nen immer wie­der mal auf­tau­chen ist es, bekann­te Ver­satz­stü­cke aus dem Heu­te in die Zukunft zu ver­set­zen. Genau das tut Tom­lin­son in THE ARK, denn es gilt einen klas­si­schen Kri­mi­nal­fall durch einen Poli­zis­ten zu lösen, aller­dings in einem ganz ande­ren Umfeld als bei Kri­mis sonst üblich, SF eben.

Wer­be­text:

When a gene­ti­cist goes mis­sing aboard a genera­ti­on ship, it’s up to sports star-tur­ned detec­ti­ve Bryan Ben­son to sol­ve the mys­te­ry befo­re landfall.
Human­kind has escaped a dying Earth and set out to find a new home among the stars aboard an immense genera­ti­on space­ship, affec­tio­n­a­te­ly named the Ark. Bryan Ben­son is the Ark’s grea­test living sports hero, enjoy­ing reti­re­ment working as a detec­ti­ve in Ava­lon, his home modu­le. The hours are good, the work is easy, and the perks can’t be beat.
But when a crew mem­ber goes mis­sing, Ben­son is thrust into the cen­ter of an ever-expan­ding web of decep­ti­on, secrets, and vio­lence that over­turns ever­ything he knows about living on the Ark and threa­tens ever­yo­ne aboard. As the last rem­nants of huma­ni­ty hurt­le towards their sal­va­ti­on, Ben­son finds hims­elf in a despe­ra­te race to unra­vel the con­spi­ra­cy befo­re a mad­man turns mankind’s home into its tomb.

Das umschreibt die Hand­lung auch schon ganz gut. Lese­rin­nen die pro­gres­si­ve, neue Ideen suchen sind hier sicher falsch, denn Tom­lin­son bedient eher klas­si­sche Ver­satz­stü­cke des Gen­res und tut das auch sehr souverän.

Bryan Ben­son war mal der Star des Zero, ein Sport, der in Mikro­gra­vi­ta­ti­on gespielt wur­de. Und das auf der Arche, ein Genera­tio­nen­schiff, das vor drei­hun­dert Jah­ren von der Erde star­te­te, um die letz­ten 50000 Men­schen zu einem Pla­ne­ten des Sys­tems Tau Ceti zu brin­gen. Auf­grund sei­ner Popu­la­ri­tät, die sich die Schiffs­lei­tung zunut­ze machen woll­te, wur­de er zum Chief Cons­ta­ble, also zum Poli­zei­chef der Enkla­ve Ava­lon, unge­fähr der Hälf­te der Bewoh­ner. Mor­de gibt es auf der Arche nicht, denn jedes Leben ist wert­voll. Als doch jemand ver­misst wird, ver­wi­ckelt das Ben­son in einen Fall, der grö­ßer wird, als er anfangs erwar­tet – und am Ende steht das Über­le­ben aller 50000 Archen-Bewoh­ner auf dem Spiel.

Man hat sich auf der Arche ganz gut ein­ge­lebt und wenn man eins bemän­geln möch­te, dann wohl, dass das in den letz­ten Genera­tio­nen ange­sichts der Enge viel­leicht ein wenig zu gut geklappt hat. Aber wenn man sich dar­über nicht all­zu vie­le Gedan­ken macht, eben­so wenig über eini­ge tech­ni­sche Aspek­te der Arche und wie die Über­le­ben­den dar­in woh­nen, dann erhält man ein klas­si­sches Bul­len­aben­teu­er in der ein Fall mit vie­len Unbe­kann­ten gelöst wird. Das gan­ze wirkt wie ein klas­si­scher Kri­mi­nal­ro­man, der aber eben in einer äußerst unge­wöhn­li­chen Umge­bung handelt.

Was man Tom­lin­son dabei wirk­lich zugu­te hal­ten muss ist, wie er es schafft, tat­säch­lich die­se klas­si­schen Kri­mi­nal­ro­ma­ne in zahl­lo­sen Aspek­ten zu zitie­ren, aber gleich­zei­tig eben Unmen­gen an Facet­ten hin­zu­zu­fü­gen, die durch das Set­ting begrün­det sind. Das macht durch­ge­hend Spaß zu lesen und ins­be­son­de­re Anhän­ge­rin­nen klas­si­scher SF dürf­ten eine Men­ge Spaß dar­an haben. Hier wird keins der bei­den Gen­res neu erfun­den, aber zumin­dest wird ein äußerst unter­halt­sa­mes Amal­gam dar­aus erschaf­fen, mit durch­aus sym­pa­ti­schen Protagonist°Innen.

Das war tat­säch­lich etwas völ­lig ande­res als die bei­den Bän­de die ich vor­her gele­sen hat­te, im Ver­gleich dazu wur­de der Humor- (und Kla­mauk-) Level deut­lich zurück­ge­fah­ren, aber auch hier neigt Cons­ta­ble Ben­son erfreu­li­cher­wei­se zu sar­kas­ti­schen Sprü­chen. Anhän­ge­rin­nen moder­ne­rer SF mögen viel­leicht bemän­geln, dass hier trotz des SF-The­mas ein etwas ver­al­te­tes Män­ner­bild für den Prot­ago­nis­ten repro­du­ziert wird (dazu ein Mann in einer klas­si­schen Bul­len­rol­le), aber ich fin­de, das wäre Geme­cker aus einem Elfen­bein­turm. Wer inno­va­ti­ve SF lesen möch­te, hat heut­zu­ta­ge aus­rei­chend Aus­wahl. Ich emp­feh­le in dem Fall zum Bei­spiel Becky Cham­bers. Zudem stammt der Roman aus dem Jahr 2015, wur­de damit vor eini­gen der Dis­kus­sio­nen der letz­ten Jah­re verfasst.

Wie bereits geschrie­ben: Hier wird kein Gen­re neu defi­niert, aber hand­werk­lich äußerst rou­ti­niert und vor allem kurz­wei­lig über eine neue mensch­li­che Gesell­schaft geschrie­ben, die sich in einer äußert beeng­ten Umge­bung arran­giert hat, deren Rei­se aber vor einem Ende steht – eine Gesell­schaft, die der Lese­rin trotz der ver­än­der­ten Ver­hält­nis­se in etli­chen Aspek­ten bei­na­he schon zu bekannt vor­kommt. Im Ver­lauf des Buches gibt es dann auch noch eini­ge bahn­bre­chen­de Erkennt­nis­se, die eine Men­ge (epi­schen) Stoff für die bei­den Fol­ge­ro­ma­ne andeuten.

Wer auf klas­si­sche SF in einem sou­ve­rä­nen Schreib­stil sucht (der Autor hat garan­tiert alle Klas­si­ker gele­sen), die ist hier rich­tig, muss dann aber auch damit leben, dass sie genau das bekommt. Wer inno­va­ti­ve, gesell­schafts­kri­ti­sche SF des 21. Jahr­hun­dert lesen möch­te, soll­te sich viel­leicht nach etwas ande­rem umse­hen. In Details mag der ein oder ande­re viel­leicht nör­geln mögen, aber alles in allem zieht sich der Autor hier so gut aus der Affä­re und bie­tet so viel Lesens­wer­tes und Unter­halt­sa­mes, dass man die klei­ne­ren Pat­zer und World­buil­ding-Abkür­zun­gen gern vergibt.

Ich freue mich auf die Folgebände.

THE ARK
Patrick S. Tomlinson
Sci­ence Fiction-Krimi

3. Novem­ber 2015
400 Seiten
Angry Robot
Taschenbuch:
978–0857664846, 8 Euro
eBook:
ASIN: B00TCI402K, 7,60 Euro
Cover­ab­bil­dung: Copy­right Angry Robot

 

 

 

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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