THE CONJURING – Bundesstart 01.08.2013
(Fünfte Unterbrechung der Sommerpause, Anm. d. Red.)
Bei einem Vortrag kommt eine Frage aus dem Publikum: »Was sind Sie eigentlich?«
Ed Warren antwortet ehrlich: »Wir sind Dämonologen. Und Erforscher des Paranormalen …«
»… und Betrüger«, wirft seine Frau Lorraine ein. Das Publikum lacht, die Warrens haben soeben das zuerst skeptische Publikum auf ihre Seite gebracht.
Die aktuellen Besitzer des Farmhauses, welches 1971 von den Perrons bewohnt wurde, können bestätigen, dass Heimsuchungen auf dem Grundstück stattfinden. Doch anstelle von paranormalen Phänomenen sind es durch die Geschichte von THE CONJURING angelockte Neugierige und Film-Freaks, die dem Grundstück widerrechtliche Besuche abstatten. Der angebliche Horror um das damals von den Perrons bewohnte Haus, war die erste große Geschichte mit der sich Lorraine und Ed Warren ins Bewusstsein der Öffentlichkeit brachten. Dämonologen und Erforscher des Paranormalen sind in Amerika keine Seltenheit, Ed und Lorraine allerdings die bekanntesten. Bei ihnen war auffällig, dass sie für jeden ihrer Fälle, die sie in heimgesuchten Häusern untersuchten, angeblich unumstößliche Beweise für unheimliche Präsenzen vorlegten.
THE CONJURING erzählt eigentlich zwei Geschichten. Die eine ist die, der siebenköpfigen Familie Perron, die 1971 in ihr vornehmliches Traumhaus ziehen. Zuerst verhält sich der Hund seltsam, später stirb dieser, dann müssen die Kinder seltsame Ereignisse über sich ergehen lassen. Ist der Ehemann dann aus dem Haus, geht es auch der Frau mit Schock und Grusel an den Kragen. Alles etwas nach Schema F, aber gefällig. Auf der zweiten Handlungsebene kommen die Warrens ins Spiel. Wie sie Vorträge halten und Betroffene von ihren übernatürlichen Problemen befreien. Dann ist da aber auch der Einfluss, den ihre Profession auf das Privatleben ausübt.
Auf der einen Seite gibt einen interessanten Blick auf Personen des öffentlichen Lebens, welche die Warrens zweifellos waren. Auf der anderen Seite entspinnt sich eine handelsübliche Geisterhaus-Geschichte, die dem gruseligen Sub-Genre nichts, aber auch gar nichts neues hinzuzufügen versteht. THE CONJURING basiert auf wahren Begebenheiten, gibt der Film an. Und dem Resultat bescheinigte die noch lebende Lorraine Warren, die fleißig die Filmproduktion beratend unterstützte, dass der Film eine sehr genaue Wiedergabe der Ereignisse darstellen würde. Das hilft der Produktion allerdings nicht wirklich. CONJURING ist ein finanziell sehr erfolgreicher Film, einer, der sich gegen die Multi-Millionen-Dollar-Geschäfte durchzusetzen versteht. Das Publikum mag gruselige Geschichten, auch solche, die man schon etliche Male in diversen Ausführungen erfahren durfte. Und das Publikum mag auch dieses mysteriöse Flair einer angeblich wahren Geschichte. Selbst wenn die wahren Begebenheiten ganz offensichtlich nach an den Haaren herbeigezogenem Humbug schreien. Zweifellos ist CONJURING ein sehr wirkungsvoller Horror-Streifen, mit viel Schock und Atmosphäre. Aber er funktioniert nur in den von ihm selbst gesetzten Grenzen. Effektiv, aber obligatorisch.
Mit allerlei Instrumenten machen sich die Warrens daran, dem Spuk bei den Perrons nachzuspüren und zu beseitigen. Das ist nicht uninteressant mitzuverfolgen, erschöpft sich allerdings sehr schnell, und das Poltern geht weiter. Alles passiert, was man in einem Spukhaus-Film erwarten kann. Der Hund stirbt, was niemals wieder thematisiert wird, aber sei´s drum, die Türen schlagen, unsichtbare Hände zerren an Gliedmaßen, Geister erscheinen, Dämonen übernehmen Menschen, selbst Gewitter fehlt nicht. Tatsächlich hält man sich öfter einmal die Hand vor Augen, denn es wird sehr oft sehr ruhig im Film, und dann weiß man was geschieht. Was Regisseur James Wan kann, ist inszenieren. Die 112 Minuten vergehen in atemberaubenden Tempo. Und natürlich tragen die Charakterköpfe Vera Farmiga und Patrick Wilson wesentlich zur Akzeptanz eines eher die Klischees erfüllenden Werkes bei.
Doch wäre es interessanter gewesen, die Phänomene nur anzudeuten, ein Spiel mit der Wahrnehmung zu inszenieren, so dass Zuschauer und Figuren nie wirklich wissen, was eigentlich wirklich passiert. Das hätte auch die Möglichkeit ergeben, die Arbeit der Warrens etwas differenzierter darzustellen, vielleicht ihre Ergebnisse auch als fragwürdig erscheinen zu lassen. Denn was die Warrens im richtigen Leben als unumstößliche Fakten verkauften, war oftmals reine Auslegungssache und frei interpretierbar. Das wäre der ehrlichere, aber auch kreativere Blick auf das Dämonologen-Paar gewesen. Wie zu Zeiten ein kritischer Dämonologe über den Fall in Amityville anmerkte, »bewiesen« die Warrens Heimsuchungen, die auf acht bis zehn verschiedene Formen von paranormalen Aktivitäten zurückzuführen wären. Eine Anhäufung, die selbst im Glauben an das Übernatürliche, einfach nicht vorkommen würde. Den selben Eindruck bekommt man allerdings bei THE CONJURING auch, dass alles in einen Topf geworfen wurde, was das Genre hergibt, selbst wenn es noch so trickreich und schnörkellos auf den begeisterten Zuschauer losgelassen wird. Man kann sehr viel Freude bei diesem Schrecken haben, von seiner wahren Begebenheit wird man nicht überzeugt.
Am Ende von CONJURING sagt Lorraine in einem schnell hingesprochenen Satz zu Ed, dass ein Priester wegen eines Falls auf Long Island angerufen habe. Das mag ein gelungener Insider-Witz gewesen sein, oder doch die Warnung vor einer Fortsetzung. Auf Long Island liegt das beschauliche Städtchen Amityville, in dem die Familie Lutz ihren Horror erlebte.
THE CONJURING
Darsteller: Vera Farmiga, Patrick Wilson, Lili Taylor, Ron Livingston, Shanley Caswell, Hayley McFarland, Joey King, Mackenzie Foy, Kyla Deaver u.a.
Regie: James Wan
Drehbuch Chad Hayes, Carey Hayes
Kamera: John R. Leonetti
Bildschnitt: Kirk M. Morri
Musik: Joseph Bishara
Produktionsdesign: Julie Berghoff
zirka 112 Minuten
USA 2013
Promofotos Copyright New Line Cinema / Warner Bros.