THE BATMAN – Deutschlandstart 03.03.2022
Ich habe in meinem Leben schon so einige BATMAN-Interpretationen im Kino gesehen, angefangen mit Michael Keaton im Jahr 1989, der Fortsetzung (1992), dann Val Kilmer (1995), George Clooney (1997). Es folgte Christopher Nolans zu recht gefeierte Trilogie mit Christian Bale (2005, 2008 und 2012). Danach zog sich Batfleck 2016 in BATMAN V SUPERMAN und JUSTICE LEAGUE das Cape über – und obwohl es vorab viel Fankritik gab, fand ich, dass Affleck in der Rolle sogar noch das Gute an diesen Filmen war. Deswegen hielt ich mich für eine weitere Interpretation für gut gerüstet, das macht mich zwar nicht zu einem Batman-Spezialisten, aber zumindest habe ich hinreichend Vorkenntnisse zum Thema im Kino.
Als bekannt wurde, dass Robert Pattinson, für manche wohl auf immer als Glitzervampir gebrandmarkt, die Rolle in einem neuen Film übernehmen sollte, kochten etliche Fanseelen, offenbar traute man ihm den Caped Crusader nicht zu; ich hingegen hatte den Schauspieler inzwischen schon in so mancher Rolle gesehen und wusste, dass er deutlich mehr auf dem Kasten hat, als Schmusevampire und fand die Besetzung deswegen schon in Ordnung.
Und – wenn wir mal ehrlich sind – beim Schauspielern von Batman sind das wichtigste ein Kinn und ein grimmiger Blick. Da fangen die Probleme aber auch schon an. Mit Maske geht Pattinson wohl in Ordnung, da beschränken sich Mimik und Schauspielerei eben (notwendigerweise). Aber üblicherweise stellt Bruce Wayne immer einen Gegenpol zum Dunklen Ritter dar, agiert dann ohne Cape und Halbmaske deutlich anders und hier hat die Figur normalerweise dann auch die Möglichkeit mehr und ausdrucksvoller zu spielen. Das fehlt hier völlig, auch ohne Kostüm bleibt der Charakter dauerhaft düster, barock und brütend, in der Darstellung … nett ausgedrückt … minimalistisch. Das ist in meinen Augen einer der Fehler dieses Films.
Ein weiterer ist, dass Drehbuchautoren und Regisseur versuchen, ein Amalgam aus vielen verschiedenen Stilen zu schaffen – Film Noir, Psychothriller, Comic-Adaption, Sittengemälde der Stadt Gotham, Cop-Drama, Grimdark-DC-Verfilmung, Arthouse, Charakterdarstellung, Innovation in der filmischen Darstellung von Batman – und dabei den entstandenen Film mit seinen beinahe drei Stunden Laufzeit, und trotz dieser, hoffnungslos überfrachten. Dazu kommt noch, dass man unbedingt Metaebenen und mehrfach gestaffelte Probleme und Szenarien ineinander schachtelt (und noch eine Wendung, und noch eine Verkomplizierung oben drauf), bis ein auch hierdurch überfrachteter Mischmasch entsteht, dem es sehr gut getan hätte, wäre er mindestens eine halbe Stunde gekürzt worden – besser mehr. Nach ca. zwei Stunden habe ich angefangen, auf die Uhr zu sehen, wann es denn endlich vorbei ist. Und wenn man dann meint, den Showdown hinter sich zu haben, muss man mit Erstaunen (Entsetzen?) feststellen, dass der Film noch ne halbe Stunde laufen wird.
Irgendwie haben sie wohl bei DC und Warner irgendwann mal gedacht, »lass uns nach all dem Grimdark mal was anderes machen« und herausgekommen ist grimdarker Grimdark in einem grimdarken Grimdark-Szenario, das sich anfühlt wie eine GOTHAM-Folge mit viel mehr Geld, expliziteren Gewaltdarstellungen und einem heillos überfrachteten Drehbuch. Und in GOTHAM gab es wenigstens noch sympathische Charaktere.
Der Grimdark-Stil wird dann aber auch äußerst konsequent durchgezogen. THE BATMAN ist eine schier endlose Aneinanderreihung von einer episch-dramatischen Szene zur nächsten, wobei Pattinson die meiste Zeit damit beschäftigt ist, grimmig in die Kamera zu blicken und seine Textzeilen zu flüstern als ob ihm die Hustinetten ausgegangen wären – wenn Batman nicht gerade jemanden verdrischt, was er zugegebenermaßen seltener tut, als ich es nach den Trailern befürchtet hatte. Ganz im Film Noir-Stil wird zwischendurch auch eine Menge erzählt und Handlung abgefackelt. Trotzdem bleiben in 175 Minuten natürlich reichlich Platz für Actionszenen, darunter eine Auto-Verfolgungsjagd, die irgendwie den Eindruck macht, als hätten sich die Drehbuchautoren an dieser Stelle gedacht »jetzt muss aber mal ein wenig Action her…« und die auf mich deswegen an der Stelle im Film einen merkwürdig deplatzierten Eindruck machte (und das obwohl sie tatsächlich grandios inszeniert war). Überhaupt weiß der Film irgendwie nicht so recht, ob Batman nun einen Haufen Tech-Gimmicks zur Verfügung hat (wie z.B. ein mit Düsen aufgemotztes Batmobil und Hightech-Kontaktlinsen) oder den Böswatzen einfach nur mit der Faust auf die Omme hauen soll – die üblichen batmanschen Tech-Gadgets werden einfach nicht stringent eingesetzt.
Außerdem bleiben die meisten Figuren Abziehbilder ohne wirkliche Tiefe. Das könnte man natürlich damit entschuldigen, dass es sich um die Adaption einer Comicvorlage handelt, aber ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass man sich so sehr auf den elaborierten, vielschichtigen Plot konzentriert hat, bei dem immer wieder nochmal einer draufgesetzt und nochmal ein Curveball geworfen werden muss, dass für echte Charakterisierung kein wirklicher Platz mehr blieb. Selina Kyle bekommt ein wenig mehr Charaktermotivation, vermutlich die meiste von allen (nutzt aber nix, Kravitz ist nicht in der Lage, die Rolle adäquat auszufüllen, und wer für ihre Gesichtsmaske zuständig war, sollte vielleicht die Kostümschneider-Schule nochmal besuchen), der Rest der Figuren bleibt stereotyp und merkwürdig flach – und sogar Lieutenant Jim Gordon verkommt zum Stichwortgeber und Batsignal-Einschalter.
Das hätte man noch verknusen können, wenn dafür dann wenigstens Batman vielschichtig angelegt worden wäre, aber auch hier Fehlanzeige. Wir lernen, dass er das schon seit zwei Jahren macht, es ist also definitiv kein Origin-Film, aber im Verlauf der Handlung geht es dann ständig immer wieder nur darum, was andere getan haben, nicht um Bruce Wayne und dessen Motivation. Das löst sich nur am Ende ganz minimal, wenn er erkennt, dass »Vergeltung sein« vielleicht doch nicht der beste Plan von allen sein dürfte und erst recht kein Lebenszweck. Und das ist kein Spoiler.
Dazu kommt, dass THE BATMAN sich bei den Charakteren nicht sicher ist, ob er nun durchgeknallte Maske-tragende Psychopathen als Motivation für den Helden aufstellen möchte, oder »normale« Mafiosi, oder halbgare Gangster-Trottel (zu so einem wird sogar ein Charakter degradiert, der eigentlich schon immer einer der Haupt-Bösewichter bei Batman war und hier dann nur eine eher trottelige Nebenrolle spielt. Warum? Dafür haben sie Farrell ernsthaft ein Fatsuit übergestülpt und kiloweise Latex ins Gesicht geschmiert?).
An keiner Stelle versucht man die überbordende Dramatik mal mit einem lockeren Spruch zu konterkarieren, um der Zuschauerin einen Moment des Durchatmens zu geben. Nein, Regisseur und Drehbuch meinen das ernst, es gibt hier nichts zu lachen. Gar nichts. Außer vielleicht Catwoman, die eigentlich einmal einen echten Brüller raushaut (siehe Titel dieser Besprechung), den aber keiner bemerkt, weil man mit Grimdark beschäftigt ist und nicht damit rechnet. Nun wird der ein oder andere sicherlich zu recht anmerken, dass Lacher in diesem düsteren Film-Noir-Thriller fehl am Platz gewesen wären. Aber am Ende ist das immer noch eine Comicverfilmung …
Ist der Film also durchgehend richtig schlecht? Nein, das ist er durchaus nicht und eigentlich wäre die Darstellung sogar ziemlich gut und dicht an den neueren Inkarnationen des Dunklen Ritters in Comic und Graphic Novels. Manche Szenen sind geradezu brilliant inszeniert und es gibt zahllose wirklich gelungene und innovative Kameraeinstellungen, darunter ein Kampf in einem Gang, der ausschließlich von Maschinenpistolengarben beleuchtet wird. Doch leider stolpert die eigentlich schön gedachte und adäquat gefilmte Düster-Comic-Interpretation immer und immer wieder über seine heillose Überfrachtung in allen Richtungen und über seine Länge.
Und man muss eben auch damit leben können, dass der Film durchgehend dunkel bis düster ist, mit zahllosen Lensflares und Gegenlicht-Effekten, um das entsättigte Film Noir-Batman-Feeling der Zuschauerin mit der groben Kelle einzutrichtern.
Nein, so richtig schlecht ist THE BATMAN nicht, aber eben leider ist er in meinen Augen auch nicht gut, weil man einfach zu viel wollte und sich deswegen bei der Inszenierung ständig selbst im Weg stand und ein überfrachteter Film mit zu langer Laufzeit heraus kam, durch den irgendwelche Figuren stolpern, zu denen man keine Beziehung aufbaut. Wenn dann Batman zwischendurch noch seelenruhig stehen bleibt, während exakt vor seinen Augen eine Bombe runterzählt, damit es ihn in einer opulenten Explosion so richtig zerlegen kann, dann fragt man sich, ob der Typ sich für bombensicher hält oder vielleicht ein bisschen blöd ist? Gerade diese Szene ist so richtig ärgerlich, weil sie völlig unnötig und sinnlos respektlos gegenüber der dargestellten Hauptfigur ist.
Zuletzt musste ich mir noch ständig die Frage stellen, warum man beim »Imperial March« eine Note vergessen hat, denn den Gedanken hatte ich beim immer wieder eingespielten Thema diverse Male. Tut mir ja leid, Michael Giacchino, aber das ist einfach zu offensichtlich, ebenso wie die Anleihen beim Paten, das grenzt an Plagiate.
Da mir DC Comics und Warner mit ihrem Grimdark-Ansatz seit Jahren ordentlich auf die Nerven gehen, bin ich vermutlich nicht der Richtige, um diesen Film neutral zu besprechen, deswegen möchte ich ausdrücklich niemanden davon abhalten, ins Kino zu gehen, die Schauwerte eignen sich zudem nicht fürs Pantoffelkino; ich vermute mal, dass THE BATMAN durchaus Freunde finden wird. Ich gehöre halt einfach nicht dazu – und das liegt nicht an Battinson.
Wenn ich die äußerst kurze After-Credits-Szene (die außer mir mal wieder keiner gesehen hat) richtig interpretiere, spekuliert man auf eine Fortsetzung.
Ich freue mich jetzt umso mehr auf den nächsten Marvel-Film. Wenn tatsächlich irgendwann mal eine Superhelden-Übersättigung des Publikums eintritt, trägt DC dafür mehr Verantwortung, als Marvel.
Ach ja: THE BATMAN hat eine Freigabe »ab 12«? Ernsthaft? Völlig daneben.
THE BATMAN
Besetzung: Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Jeffrey Wright, Colin Farrell, Paul Dano, John Turturro, Andy Serkis, Peter Sarsgaard, Barry Keoghan, u.v.a.m.
Regie: Matt Reeves
Drehbuch: Matt Reeves und Peter Craig
Produzenten: Dylan Clark, Matt Reeves
Ausführende Produzenten: Simon Emanuel, Walter Hamada, Michael E. Uslan, Chantal Nong Vo
Kamera: Greig Fraser
Schnitt: William Hoy, Tyler Nelson
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: James Chinlund
Casting: Lucy Bevan, Cindy Tolan
175 Minuten
USA 2022
Promofotos Copyright Warner Pictures