In derselben Welt und im selben Jahr spielt nun das erste einer Reihe von SF-eBooks, die unter dem Titel ISAR 2066 erscheinen werden. Darin verlagert sich die Handlung weg von Norddeutschland nach München, in unserer Realität die Wahlheimat von Miriam. Die eBooks werden keinen Romanumfang haben, sondern kürzer sein, die Autorin veröffentlicht sie im Eigenverlag auf diversen namhaften Plattformen für elektronische Bücher.
Den Protagonisten Lucio Verdict – einen Privatermittler – kennt man bereits aus dem zweiten Band der HANSEAPOLIS-Reihe mit dem Titel SCHATTENSPIELE.
Da mir SCHLANGENFUTTER außerordentlich gut gefallen hatte, ging ich nicht davon aus, dass die überaus plastische Beschreibung der Zukunft im ersten Fall von ISAR 2066 nicht vorhanden sein würde. Und ich hatte Recht. Zudem bin ich ein ausgewiesener Freund von wortkargen, zerknitterten Privatermittlern im Stil von Film Noir (»hardboiled P.I.s«), deswegen kann man mir mit ähnlichen Charakteren üblicherweise immer gut kommen.
Doch der Protagonist unterscheidet sich insofern von den bekannten Archetypen, dass er dank futuristischer Schönheitschirurgie äußerst gutaussehend ist und sich auch schonmal Gedanken über gutes Essen oder angemessene Bekleidung macht. Abgesehen von den notwendigen Anpassungen des Ermittlerbildes, um ihn in einer zukünftigen Zeit realistisch darstellen zu können, findet man dennoch viel von dem, was den typischen, klassischen Detektiv ausmacht: lakonische Sprüche, eine Vergangenheit mit schwarzen Flecken und ein selbstverständlich »nicht ganz einfaches« Privatleben.
Mutig finde ich, dass JIMMY DER MOPS in der Gegenwartsform statt der sonst üblichen Vergangenheitsform verfasst wurde, das kann übel ins Auge gehen, Miriam Pharo beherrscht dieses Stilmittel allerdings und sie hält es fehlerfrei durch. Chapeau!
Die Zukunft wird mit einer Leichtigkeit geschildert, die auf den zweiten Blick erschreckend ist, denn wenn man einen Moment darüber nachdenkt wie diese Zukunft aussieht, dann ist sie durchaus nicht erstrebenswert. Dennoch wird nichts überzogen, denn diese unschöne Welt ist nun einmal die ganz normale Realität des Protagonisten und genau so wird sie auch beschrieben – er ist eben mit all diesen Umstanden aufgewachsen und sie stellen für ihn die Normalität dar. Deswegen wird nicht ausführlich auf die Lebensumstände in der Zukunft eingegangen (beim gewählten Format, der vergleichsweise kurzen Geschichte auch gar nicht möglich), sie werden in Beschreibungen und Erinnerungen von Verdict angerissen, aber gerade das macht sie so real. Überaus erfrischend finde ich zudem, dass trotz der wie bereits in den Romanen an manchen Stellen sacht durchschimmernden Gesellschaftskritik der erhobene Zeigefinger fehlt, mit dem andere (gerade bisweilen von nebulösem »Anspruch« getriebene deutsche) SF-Autoren mich nur allzu oft heftigst nerven. Danke dafür.Der Blick aus der verglasten Zelle ist halb so eindrucksvoll, wie man vielleicht glauben mag, was daran liegt, dass die Häuser aus quadratischen Hartgummimodulen bestehen, während billige Farne zu Grünanlagen zusammengeschart wurden, die jeder Fantasie entbehren. Als würde man durch das Eins-zu-eins-Modell einer Stadt wandeln, das niemals fertig gestellt wird. Der Gedanke deprimiert mich. Ich aktivere meinen Neurokommunikator, gebe den Zugriffscode für Regency ein, dem hiesigen Virtual-Environment-Programm, und plötzlich ist alles in Bewegung: Florale Mosaike kriechen über den grauen Beton, roter Sandstein kraxelt die Wände hoch, während sich Bougainvilleas über steinerne Balkone ergießen und kupferne Schornsteine nach den Wolken greifen.
Zu der gepflegten Erscheinung gehören regelmäßige Sitzungen im Defroisseur, einer hautstraffenden Photon-Kapsel, und die Gesichter, die mich umgeben, sind engelsgleich, wenn auch von vergreisten Augen durchlöchert.Die treffenden Beschreibungen der Personen und Orte machen ebenso Spaß, wie der immer leicht distanziert wirkende Protagonist und dessen Blick auf die Dinge; ebenso das realistische »Setting« des Jahres 2066 – aber das kannte ich ja bereits aus SCHLANGENFUTTER, hier wird die gekonnte Handhabung einer möglichen Zukunft aber fortgesetzt. Für mich im Vergleich zu anderen deutschen SF-Autoren hier auch sehr erfrischend, dass eindeutige Bezüge zur Erzählweise in Genre-Filmen oder ‑Fernsehserien zu erkennen sind, da steh’ ich ja drauf und das gibt es leider insbesondere hierzulande leider in wirklich lesbarer Form viel zu selten.
Zwei Kritikpunkte habe ich allerdings:
Punkt eins: die Auflösung des Falles erschien mir ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehbar, ein wenig dünn und auch arg »gehetzt«. Da hätte die Autorin sich ein wenig mehr Zeit lassen und die Motivation des Mopses stärker verdeutlichen können.
Punkt zwei: hängt direkt mit Punkt eins zusammen, Die Geschichte ist kurz. Das ist aber im Prinzip durchaus positiv gemeint. Als Schluß war hätte ich gern nochmal genauso lange weiter lesen können.
Manch einer mag den Preis von 1,99 Euro bemängeln wollen, allerdings sollte man zum einen betrachten, was die Publikumsverlage mit all ihrer finanziellen Macht und mit der Massenproduktion heutzutage für Taschenbücher oder gar eBooks ansagen, da geht das meiner Ansicht nach schon in Ordnung. Zum anderen ist die Abgabe kleinerer Mengen eben üblicherweise ein wenig teurer als wenn man gleich einen Sack voll der Ware abnimmt… (den Sack voll würde ich aber auch nehmen!) ;o)
Trotz des kleinen Mangels mit der Aufklärung des MOPS-Falles kann ich den ersten »Band« von ISAR 2066 aber jedem SF-Fan und auch den Anhängern von sarkastischen Privatermittlern unbedingt ans Herz legen!
Ach ja, weil es gerade aktuell ist: die Autoren von PERRY RHODAN NEO sollten sich bei der von Miriam geschilderten Zukunft planetendicke Scheiben abschneiden!
JIMMY DER MOPS
ISAR 2066 – Fall eins
Miriam Pharo
SF-Krimi
Oktober 2011
eBook, als ePub, PDF und mobi erhältlich
Größe: ca. 180 KB (variiert je nach Format)
Zeichenanzahl: 59.036
Preis: EUR 1,99
ISBN: 9783000361791
Eigenverlag / Chichili
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JIMMY DER MOPS bei Beam-eBooks (pdf und mobi ohne hartes DRM)
JIMMY DER MOPS bei buecher.de (epub)
[cc]
Coverabbildung und Bild der Autorin Copyright Miriam Pharo, die beiden Zitate stammen aus dem Text von JIMMY DER MOPS
Klasse, habe die ganze Zeit beim Lesen des Artikels darauf gewartet, ob es noch eine Anspielung auf Perry Rhodan NEO geben würde! :-) Vielleicht hätte Miriam den Reboot des Unsterblichen leiten sollen, da wäre dann wirklich etwas dabei rausgekommen!
Der direkte Vergleich durch aufeinander folgendes Lesen der beiden Werke ist derart krass…