Ich hatte kürzlich auf das Crowdfunding zu GUARDIAN hingewiesen, einen Science Fiction-Kurzfilm aus deutschen Landen, was für sich alleine schon höchst ungewöhnlich ist, denn aus dem Genre-Bereich wird hierzulande bekanntermaßen eher nichts produziert. Deswegen und weil ich die Vorgucker auf der Kickstarter-Seite des Projekts äußerst beeindruckend und ansprechend fand, habe ich dem Autor des Films, Peer Göpfrich, ein paar Fragen gestellt, nachdem der das hier auf PhantaNews in einem Kommentar angeboten hatte. Daraus ist das folgende Interview entstanden und ich möchte mich an dieser Stelle bereits vorab für die äußerst ausführliche Beantwortung bedanken!
PN: Hallo Peer, vielen Dank dass Du Dich ein paar Fragen rund um das Projekt GUARDIAN stellst. Könntest Du Dich bitte vorstellen, damit wir wissen, wer Du bist?
Peer: Mein Name ist Peer Göpfrich und ich bin der Drehbuchautor und Creative Producer von GUARDIAN. Ursprünglich bin ich in Deutschland aufgewachsen, habe aber 20 Jahre in den USA verbracht, davon zehn in Hollywood, wo ich im Bereich Stoffentwicklung für verschiedenen Produktionsfirmen gearbeitet habe. Vor zwei Jahren bin ich nach Berlin gezogen um zusammen mit Amir Reichart, dem Regisseur von GUARDIAN, unsere eigene Produktionsfirma namens Doublevision Films aufzubauen. Wir entwickeln Spielfilme und Serien im Bereich »elevated Genre«, also Genrestoffe die sowohl Spannung und Action bieten, aber auch komplexe Charaktere mit emotionalem Tiefgang.Könntest Du noch kurz erzählen, worum es bei GUARDIAN geht?
GUARDIAN ist eine militärische Raumstation, die im Jahre 2039 von den USA in den Orbit gestellt wird. Sie ist mit einem nuklearen Sprengkopf ausgestattet, der ganze Kontinente zerstören kann, und soll dadurch als ultimative Abschreckung gegen Angriffe anderer Nationen dienen.
Kontrolliert wird das ganze von einer künstlichen Intelligenz namens ELI, die Situationen genauso komplex wie ein Mensch analysieren und bewerten kann, allerdings ohne die Emotionen zu empfinden, die es einer menschlichen Besatzung im Ernstfall schwer machen würde, ihre Aufgabe zu erfüllen.
Kurz nachdem GUARDIAN in Betrieb geht schaltet jedoch ein verheerender Sonnensturm alle Kommunikations- und Verteidigungssysteme auf der Erde aus. Da GUARDIAN nun das einzige funktionierende Waffensystem ist, wird eine geheime Subroutine in ihm aktiviert, die das Militär in seinen Code eingebaut hat. Diese führt dazu, dass ELI den Sprengkopf auf Asien richtet, um einen unprovozierten Erstschlag durchzuführen.
Nun müssen die beiden einzigen Crewmitglieder an Bord der Station – ELIs Erfinderin und ein Wartungstechniker – versuchen, den Start des Sprengkopfes zu verhindern.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen SF-Film zu produzieren? In Deutschland ist das ja leider ein Genre, das beinahe seit Jahrzehnten keinen der »großen« Produzenten interessiert, obwohl US-Produktionen im Kino und Fernsehen einen Rekord nach dem anderen brechen. Oder anders gefragt: Seid ihr verrückt? ;)
SciFi ist unser Lieblingsgenre, weshalb viele unserer Geschichten auch in diesem Bereich angesiedelt sind.SciFi ist unser Lieblingsgenre, weshalb viele unserer Geschichten auch in diesem Bereich angesiedelt sind. Da der deutsche Markt leider (noch) nicht diese Begeisterung teilt sind unsere Filme meist auf Englisch gedreht und spielen oft an internationalen Orten.
Das kommt zum Teil dadurch, dass ich selbst Deutsch-Amerikaner bin, also nicht nur Deutschland als Referenzpunkt habe, aber auch, weil die Filme dadurch einem internationalen Publikum zugänglicher sind, was gerade bei Kurzfilmen wichtig ist um überhaupt Zuschauer auf Youtube, und anderen Onlinekanälen zu erreichen.
Was den deutschen Markt angeht sind die Kurzfilme vor allem eine Möglichkeit unsere Fähigkeiten zu zeigen und sich dadurch als Anlaufstelle für Projekte anzubieten die aus dem eingefahrenen Schema von »Krimi, Komödie, oder Nazis« ausbrechen. Denn das Gefühl, dass es an der Zeit ist auch Genrestoffe herzustellen, wächst stetig, und es ist absehbar, dass der Damm irgendwann brechen wird. Denn anders kann man mit der Konkurrenz nicht mehr mithalten.
Wie schwierig ist es, einen SF-Film zu realisieren, ohne die Budgets der üblichen Blockbuster zur Verfügung zu haben? Ist es überhaupt möglich beispielsweise in Sachen Effekte mitzuhalten? Ich habe auf der Kickstarter-Seite gesehen, dass offenbar eine Menge vor Greenscreen realisiert wurde.
Einfach ist es nicht, aber technische Fortschritte im VFX-Bereich machen es inzwischen möglich auch als nicht-Hollywood Produktion einen visuellen Standard zu erreichen, der noch vor ein paar Jahren nicht möglich war. Das merkt man vor allem im Bereich der Set-Extensions, also der Erweiterung der Sets durch computergenerierte Hintergründe und Objekte. Da kann man auch ohne viel Geld einen realistischen Raketenhangar, oder eine Kommandobrücke mit Aussicht auf die Erdkugel im Computer herstellen.
Schwierig wird es nur, wenn es darum geht Menschen mit diesen Objekten interagieren zu lassen. Um das realistisch darzustellen braucht es Mittel, die man in unserem Budget-Bereich nicht so ohne weiteres hat. Deshalb haben wir bei GUARDIAN auch einen großen Teil der Raumstation als reale Kulisse gebaut.
Welche Schwierigkeiten gab es bei der Produktion von GUARDIAN? Ihr seid, nach dem was ich sehen konnte, ein vergleichsweise kleines Team, oder? So eine Indie-Produktion ist vermutlich äußerst fordernd. Kennt ihr überhaupt noch so etwas wie Schlaf und Privatleben?
Wir hatten bei GUARDIAN zwar die Unterstützung von zwei Förderanstalten (MFG Baden Württemberg und Thüringen), aber letztendlich musste auch ein großer Anteil durch eigene Gelder und den Einsatz vieler Freiwilliger abgedeckt werden. Dass wir so viel Unterstützung und Begeisterung vom Team bekommen haben war auf jeden Fall der entscheidende Faktor und da hat es uns eigentlich geholfen ein SciFi Projekt zu machen – denn da es davon nicht so viele gibt, hat unser Projekt schon einen gewissen Anreiz für viele Kreative gehabt, die ansonsten nicht oft die Chance haben, so etwas zu machen.
In Sachen VFX scheint ihr nicht zu kleckern, sondern zu klotzen. Was man auf Kickstarter in der Hinsicht zu sehen bekommt, muss sich absolut nicht hinter internationalen Top-Produktionen verstecken. Machen die modernen Möglichkeiten beispielsweise in Sachen Nachbearbeitung, Matchmoving und Rendering es auch für Indie-Produktionen einfacher, etwas Sehenswertes realisieren zu können? Hättet ihr GUARDIAN vor zehn Jahren auch schon machen können?
Man muss immer am Limit arbeiten, um den aktuellen Standard zu erreichen den das Publikum gewöhnt istDie Qualität von vor zehn Jahren kann man heute natürlich viel einfacher und billiger erreichen, aber diese Qualität reicht heute nicht mehr aus, um auf sich aufmerksam zu machen. Von daher muss man immer am Limit arbeiten, um den aktuellen Standard zu erreichen den das Publikum gewöhnt ist – auch wenn man versucht mit praktischen Kulissen und gut durchdachten VFX Elementen die eigenen Mittel so effektiv wie möglich einzusetzen. Am Ende heißt es also heute immer noch, dass viel Zeit und Arbeit investiert werden muss. Das geschieht im Moment vor allem durch unseren VFX Supervisor, Hannes Heidenreich, der eine Unzahl von Freiwilligen auf der ganzen Welt koordiniert um die Postproduktion über die Ziellinie zu bringen.
Nach dem was ich so sehen konnte, fand ich die Kulissen für eine Indie-Produktion höchst beeindruckend. Wie habt ihr das denn hinbekommen?
Die Kulissen wurden von der Power Unit aus Berlin gebaut, die unter der Leitung von Johanna Wagner das ganze Produktionsdesign übernommen hat. Das Team hat wirklich einen Wahnsinnsjob geleistet und viele Tage – und schlaflose Nächte – investiert um die Raumstation in einem Studio in Weimar zu bauen. Und dadurch, dass die Kulisse so professionell und realistisch aussah, ist natürlich auch der Rest des Teams motiviert gewesen sich mit voller Energie einzusetzen. Denn so eine tolle Location bekommt man wirklich nicht alle Tage.
Ein zentrales Thema in GUARDIAN ist künstliche Intelligenz, alias KI. Das Thema ist in letzter Zeit grundsätzlich stark in den Medien vertreten. Zufall oder Absicht?
Den Stoff zu GUARDIAN haben wir bereits vor ein paar Jahren entwickelt. Zu der Zeit waren natürlich bestimmte Entwicklungen im Bereich Militär und künstliche Intelligenz abzusehen, aber wann genau diese eine kritische Masse erreichen würden, konnten wir nicht genau vorhersehen. Von daher ist es nicht ganz Zufall, dass der Film ein Thema berührt, das jetzt mehr und mehr in den Vordergrund rückt, aber auch nicht hundertprozentig durchgeplant. Aber das ist wahrscheinlich bei fast allen Filmen so, wenn man bedenkt, dass es oft Jahre dauert, bis eine Idee zu einem fertigen Film wird.
Glaubst Du, dass SF & Co. aus Deutschland angesichts der traurigen Zustände der vergangenen Jahre überhaupt noch eine Chance hat? Alle möglichen Kreativköpfe, die am Thema interessiert sind, gehen offenbar lieber nach Hollywood, als sich in Deutschland an ignoranten Produzenten zu verschleißen.
Hollywood ist, und bleibt wahrscheinlich auch auf vorhersehbare Zeit, der Ort wo ambitionierte Genreprojekte am ehesten ihr Zuhause finden werden. Die gesamte Infrastruktur vom Dreh bis zum Vertrieb, die verfügbaren Investitionsmittel, und auch der Umgang mit Genrestoffen von Seiten der Autoren und Produzenten, sind dort einfach ganz anders ausgelegt als hier in Deutschland.
Aber selbst in Hollywood ist Science Fiction, wenn es sich nicht gerade um große Franchises handelt, ein Genre, bei dem viele Produzenten eher vorsichtig sind. SciFi ist oft teuer zu produzieren, und die Chance, dass ein Projekt floppt ist nicht unerheblich. Das liegt vor allem daran das SciFi-Konzepte oft auf einer interessanten technologischen oder gesellschaftlichen Entwicklung aufbauen, die dann aber schnell die Charaktere und deren Emotionen in den Hintergrund geraten lässt.
Ein anderer nicht zu unterschätzender Faktor ist, dass die Hollywood-Filmwelten die wir heute als komplett natürlich wahrnehmen, über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurden. Jedes Genre, ob Action, SciFi, oder Horror, hat eine lange Tradition, im Laufe derer dem Publikum immer größere Explosionen, immer wildere Verfolgungsjagden, immer extreme Charaktere geboten wurden. Und das was vor fünfzig Jahren lächerlich erschien, ist nun für die meisten Zuschauer völlig normal.
In Deutschland ist das halt anders. Während es für uns normal ist, dass sich in Hollywood Filmen riesige Roboter auf den Straßen von New York mit Lasern beschießen während im Himmel darüber Raumschiffe kollidieren, kommt es uns bei den eigenen Produktionen schon komisch vor, wenn Til Schweiger mit einer Panzerfaust eine Garagenwand durchschießt.
Deutschland hat mit Sicherheit das Potenzial auch im Genrebereich auf sich aufmerksam zu machen – wenn man es richtig anstelltAber das heißt nicht, das man hier alle Hoffnung aufgeben sollte. Deutschland hat mit Sicherheit das Potenzial auch im Genrebereich auf sich aufmerksam zu machen – wenn man es richtig anstellt. Zuerst muss man halt schauen, wo das Limit beim Zuschauer liegt, ab dem sich extreme Action, oder sehr realitätsfremde SciFi-Konzepte lächerlich anfühlen – und dann die eigenen Konzepte kurz vor dieser Grenze ansiedeln. Diese Grenze kann man dann, im Idealfall, nach und nach weiter nach außen schieben.
Und in gewissem Sinne spreche ich da auch aus Erfahrung, denn ich habe denselben Prozess schon einmal erlebt – in Hollywood. Damals habe ich für die Donners Company gearbeitet, welche die ersten X‑MEN Filme produziert hat. Und ganz am Anfang kamen diese Filme auch vielen Leuten lächerlich vor. Menschen in komischen Anzügen, die fliegen und Blitze aus ihren Augen schießen? Wer will den sowas sehen? Aber inzwischen hat sich das ja bekannterweise ziemlich geändert, und Superheldenfilme sind nicht nur völlig normal, sondern dominieren sogar das Kino. Und Produzenten wie Marvels Kevin Feige sind an der Spitze einer Industrie, die sie vor einigen Jahren noch verlacht hat.
Von daher glaube ich, dass auch in Deutschland mehr drin ist – wenn man etwas Mut, Phantasie, und Geduld hat, die richtigen Projekte zu entwickeln.
Habt ihr versucht, den Film bei namhaften Produzenten unterzubekommen? Oder gleich selbst losgelegt
Wir haben gleich losgelegt, da bei Kurzfilmen das Interesse von namhaften (oder auch sonstigen Produzenten) im allgemeinen sehr gering ist.
Streamingdienste wie Netflix und Amazon produzieren nicht nur in den USA, sondern auch in verschiedenen Ländern, in denen sie zu sehen sind. Sind die vielleicht die Rettung für Genre-Freunde in Deutschland in der Hoffnung auf inländische Produktionen? Schielt ihr bei den Serienambitionen, wie sie im Crowdfunding-Kampagnenvideo anklingen, auch ein wenig in Richtung der Streamingdienste?
Die Realität ist halt, dass alle im Moment nach Serienstoffen suchen, und gerade im Streamingbereich eine gewisse Aufbruchsstimmung herrschtWir sind uns natürlich der Streamingdienste bewußt und haben auch schon ein weiterführendes Format für GUARDIAN, das diese anspricht. Die Realität ist halt, dass alle im Moment nach Serienstoffen suchen, und gerade im Streamingbereich eine gewisse Aufbruchsstimmung herrscht. Allerdings ist da auch nicht alles so rosig für Filmemacher im Genrebereich. Amazon Deutschland zum Beispiel hatte gar kein Interesse an SciFi- Stoffen gezeigt, da die Analyse ihrer internen Zuschauerdaten ergab, dass Komödien und Krimis am besten laufen, und das ist dann halt auch der Fokus der Firma. Es besteht also wenig Interesse neue Formate auszuprobieren oder sogar riskante Projekte zu realisieren.
Bei Netflix sieht es ein wenig anders aus, allerdings wird denen (genau wie allen anderen Streaminganbietern) gerade die Tür eingerannt – auch von großen Namen. Dadurch haben diese oft kein Interesse an Projekten die ihnen von einem neuen, unerprobten Team angeboten werden. Da macht es einfach mehr Sinn auf Leute zu setzen die schon mehrere Kino oder Serienhits unterm Gürtel haben.
Also sieht es im Moment im Streamingbereich nicht schlecht aus, was Genrefilme angeht, aber halt hauptsächlich wenn man bereits als Filmemacher Erfolge hatte.
Es ist vermutlich keine gute Frage, wenn man noch mitten in einem Projekt steckt, ich frage sie trotzdem: Gibt es bereits Pläne für die Zeit nach der Arbeit an THE GUARDIAN? Vielleicht für weitere Genre-Projekte? Ich würde mich freuen und damit spreche ich sicherlich für viele Genre-Fans in Deutschland.
Wir entwickeln gerade einen Thriller Projekt im Kammerspiel Format (im englischen »contained thriller«), dass in einer coolen, ungewöhnlichen Location spielt und für unter fünf Millionen Euro gedreht werden kann.
Sollte das Erfolg haben dann gibt es noch eine ganze Reihe von Projekten, die wir gerne drehen würden – vor allem im Sci-Fi und Thriller Bereich.
Hast Du als Screenwriter Vorbilder oder Inspirationen aus dem Genre? Lieblingsfilme, ‑Serien oder ‑Bücher?
Vorbilder: James Cameron (Screenwriter und Regisseur), Steven Spielberg (Regisseur), Jason Blum (als Produzent)
Lieblingsfilme: Alien, Aliens, Terminator 1 & 2, Jaws, Close Encounters of the Third Kind, The Thing, Back To The Future
Lieblingsserien: Breaking Bad, Game of Thrones (minus der letzten Staffel), Westworld
Bücher: Hauptsächlich Sachbücher im Bereich Politik, Geschichte, und Technologie
Ich bedanke mich nochmals für die Beantwortung meiner Fragen und wünsche viel Erfolg mit dem Crowdfunding für GUARDIAN, dem ich hiermit hoffentlich noch etwas Sichtbarkeit verschaffen konnte.
So, liebe Leser, und jetzt kratzt ihr ein paar Credits zusammen und werft sie diesem ambitionierten und sympathischen Projekt hinterher, man kann das auf der Kickstarter-Seite von GUARDIAN tun, ab 5 Euro ist man dabei. Denn wenn es schon einmal so ein Projekt im schnarchigen #Neuland gibt, sollten wir es auch unterstützen! Und: weitersagen! Verlinken! Teilen!
Bilder mit freundlicher Genehmigung