Man sollte ebenfalls nicht vergessen, dass die Sicht des Börsenvereins hier selbstverständlich eine einseitige ist und der eigene Standpunkt vertreten wird.
Für die schnelle Antwort möchte ich mich bedanken; Fragen gestellt am 11.01.2012, Antwort bereits heute, damit hatte ich nicht gerechnet.
Nachfolgend mein Schreiben und die Antworten. Meine Fragen sind fett hervorgehoben, die Antworten als Blockquotes kursiv gesetzt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie zu den folgenden Fragen schriftlich (gern via eMail) Auskunft erteilen könnten:
1. nach ihrer Ansicht unterliegen eBooks der Buchpreisbindung.
1.1 Welche genauen Kriterien müssen erfüllt werden, damit ein eBook der Buchpreisbindung unterliegt? Unterliegen Ihrer Ansicht nach alle eBooks dem Buchpreisbindungsgesetz oder nur solche, die von von Verlagen heraus gebracht werden und über eine ISBN verfügen? Ich bitte um eine inhaltliche Begründung.
Preiszubinden sind solche E‑Bücher, die einem gedruckten Buch im Wesentlichen entsprechen. Das setzt zwar keine vollständige Identität der Inhalte voraus, schließt aber z.B. die Preisbindungspflicht beim Handel mit einzelnen Buchkapiteln aus. E‑Books im Sinne von § 2 Abs. 1 BuchPrG sind beispielsweise in ihrer Gesamtheit zum Download bestimmte oder auf Datenträgern jeglicher Art handelbare Werke, die geeignet sind, in ähnlicher Form genutzt zu werden wie gedruckte Werke. Nicht als E‑Book i.S.d. § 2 BuchPrG sind unter anderem zu verstehen
- Zugriffsberechtigungen auf Online-Datenbanken,
- Mehrfachnutzungen von Inhalten in Netzwerken
- Online-Nutzung von vernetztem Content
Ob ein E‑Book ein Buch im Sinne des BuchPrG ist, hängt nicht vom Herausgeber ab, sondern davon, ob die o.g. Kriterien erfüllt sind oder nicht. Unerheblich dafür ist, ob es über eine eigene ISBN verfügt.
1.2 Sind Sie der Ansicht, dass ein von einer Privatperson auf Amazon im Kindle-Store, bei Apple iBooks oder auf unabhängigen eBook-Plattformen veröffentlichtes und nicht im Buchhandel erhältliches (keine ISBN) eBook der Buchpreisbindung unterliegt? Falls ja bitte ich auch hier um eine inhaltliche Begründung.
Ja, denn für die Preisbindung ist es belanglos, durch wen oder auf welchem Vertriebsweg ein Buch angeboten wird oder ob es über eine ISBN verfügt. Entscheidend ist einzig und allein die Tatsache, ob das fragliche E‑Book ein Buch im Sinne des BuchPrG ist oder nicht. Auch für Privatpersonen ist es ohne weiteres möglich, die Vorgaben des BuchPrG einzuhalten. Nach dem BuchPrG ist der Verlag – bzw. der Herausgeber – verpflichtet, einen Preis festzulegen. Die Preisbindung kann zwar frühestens nach 18 Monaten ganz aufgehoben werden. Entgegen einem in Internetforen weit verbreiteten Irrtum ist der gebundene Preis aber – solange dafür gesorgt ist, dass er überall einheitlich verlangt wird – jederzeit veränderbar. Preisbindung heißt also nur, dass jedes Buch mindestens 18 Monate lang überall dasselbe kostet, nicht, dass es 18 Monate lang denselben Preis hat. Dadurch wird die kulturelle Vielfalt des Buchmarkts gesichert, denn nur so haben große und kleine Verlage und große und kleine Buchhandlungen bzw. ebook-Portale faire Chancen, am Markt teilzunehmen und sich auch mit Nischenangeboten zu behaupten. Für den Leser führt dies zu wesentlich mehr Anbietern (Verlagen bzw. Privatleuten) und zu einer höheren Titelvielfalt als in Ländern ohne Buchpreisbindung – dieses kulturelle Gut wird vom BuchPrG geschützt. Wir sind sicher, dass dies gerade auch im Interesse von Autoren ist, die ihre Titel im Wege des self-publishing auf den Markt bringen wollen.
So weit die Antworten.
Man möge mir vergeben, wenn ich einige der geäußerten Ansichten nicht teile, insbesondere, da die Einordnung des Justiziars viel zu rigide ist, da sie so ziemlich alle elektronischen Schriften im Web einschließt. Wenn ich beispielsweise eine Anleitung, ein Tutorial verfasse und das gleichzeitig als ePub, pdf oder mobi kostenlos bereitstelle, aber auch auf geeigneten Plattformen zum Verkauf anbiete, würde ich gegen das Gesetz verstoßen. Ebenso darf ich nach dieser Lesart keine eBooks auf Amazon verkaufen und sie anderswo verschenken. Im Gesetz ist unter Paragraph drei die Rede von »gewerbsmäßig«. Es dürfte fraglos ein gewerbsmäßiges Handeln vorliegen, wenn ich eBooks auf Amazon anbiete und daraus nennenswerte Einnahmen erziele. [Ergänzung:] Nach Ansicht des OLG Frankfurt handelt geschäftsmäßig, wer auf Amazon oder Ebay in einem Zeitraum von sechs Wochen mehr als 40 Bücher verkauft (Urteil vom 15. 6. 2004, Az. 11 U 18/2004). Abwegig finde ich daran, dass der Preis offenbar keine Rolle spielt.
Dennoch greifen die Aussagen zu kurz und zeigen, wo das Problem liegt: Anbieter wie beispielsweise Amazon und Apple (und andere) vertreiben ihre eBooks weltweit und können sie auf ihren nicht-deutschen Plattformen zu beliebigen Preisen anbieten. Wer will mich daran hindern, meine deutsch(sprachig)en eBooks (insbesondere die von Selfpublishern) im Ausland zu erwerben? Und wer will nachvollziehen, ob, wann und wie oft ich das tue? Amazon.com beispielsweise ist sicherlich nicht verpflichtet, seine Verkäufe irgendwem detailliert offen zu legen, auch nicht dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels.
Durch die Buchpreisbindung auf eBooks gehen inländischen Händlern Umsätze verloren, wenn auch vielleicht noch nicht jetzt, so doch mit Sicherheit in Zukunft. Sollte die Buchbranche damit anfangen, das rigoros durchzusetzen und beispielsweise Abmahnungen verschicken, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ein findiger Anbieter Selfpublishern genau das anbietet: Buchverkauf über einen Server auf den Caiman-Inseln, Bezahlung via PayPal. Oder Amazon und Apple lassen ihre Muskeln spielen; wenn die Ernst machen führen sie das gesamte deutsche Verlegertum vermutlich am Nasenring durch die Arena … Davon abgesehen dürfte sich auch sofort ein Shitstorm im Web über der Branche entladen, wenn die ersten Abmahnungen gegenüber Selfpublishern bekannt werden – man sollte sich dort also allein schon aus Publicitygründen gut überlegen, ob man sich das antun möchte.
Die Buchbranche tut sich sowohl mit eBooks wie auch mit dem Internet nach wie vor schwer. Zu der unbegründeten und durch falsche Zahlen untermauerte Angst vor nebulösen Raubkopierern kommt das Bestehen auf dem Buchpreisbindungsgesetz auch für nicht organisierte und nicht durch Verlage vertretene Selfpublisher. Man könnte annehmen, dass man gar nicht so unfroh ist, unliebsame Konkurrenz auf diese Weise potentiell schikanieren zu können.
Wenn ich das erst 2002 novellierte Buchpreisbindungsgesetz durchlese, finde ich erschreckend wie sehr dieses die modernen Vertriebs- und Kommunikationswege ebenso ignoriert wie die völlig anderen Voraussetzungen des Mediums eBook (auch damals gab es das Internet schon – vielleicht war es für Web-ausdruckende Politiker damals noch nicht so präsent). Was da durchgesetzt wurde könnte man als gelungene Lobbyarbeit interpretieren, die es »ganz normalen Menschen« erschweren soll, ihre Inhalte im Web zu publizieren – ähnlich wie bei dem von Zeitungsverlegern geforderten Leistungsschutzrecht (sarkastisch als »bedingungsloses Grundeinkommen für Verleger« kommentiert), das Bürgerjournalisten und Blogger über Gebühr benachteiligen würde. Angesichts der rasanten technischen und gesellschaftlichen Entwicklung durch das Netz ist das Gesetz längst überfällig für eine Anpassung an die Gegebenheiten.
Neben den juristischen Betrachtungen gibt es aber auch solche, die man mit »gesundem Menschenverstand« umschreiben könnte. Sascha Lobo schreibt in einem Artikel zum Thema:
Was die Verlage insbesondere nicht begriffen haben, ist, dass sie auf digitalen Geräten konkurrieren mit Angry Birds. Und das kostet 1,49 € oder so, ein Ebook kommt leicht mal mit 16,90 € um die Ecke. Das Argument, man habe doch von einem Buch viel länger Freude ist erstens genau berechnet völlig falsch. Und zweitens entspricht es der Vorstellung, Autokäufer würden Autos nach Kosten je Kilometer kaufen und nicht nach dem Preisschild, was dranhängt. Nach der Logik würden alle die S‑Klasse kaufen, weil die zwei Millionen Kilometer durchhält und deshalb nur 5 Cent je Kilometer kostet.
Die Buchbranche mag mal einer der Unterhaltungs-Platzhirsche gewesen sein, heute muss sie mit zahllosen anderen Angeboten konkurrieren. Das kann man nicht dadurch, dass man ein modernes Medium mit einem gleichstellt, das 500 Jahre alt ist – und auch nicht durch das Beharren auf einem heutzutage geradezu anachronistisch anmutenden Gesetz, das seine Wurzeln in der Mitte des 19. Jahrhunderts hat.
Abschließend möchte ich anmerken, dass insbesondere im Bereich Selfpublishing die immer wieder – so auch oben – vorgebrachte Argumentation mit der »Sicherung der kulturellen Vielfalt des Buchmarktes« nicht einmal ansatzweise zieht. Oder erhalten Selfpublisher durch die Buchpreisbindung irgendwelche Zuwendungen aus irgendwelchen Töpfen? Um die Antwort zu geben: nein, die erhalten sie nicht, sie bewegen sich – gezwungen oder mit voller Absicht – abseits der ausgetretenen Wege der Buchbranche. Solche Selfpublisher in denselben Topf wie diese milliardenschwere Branche zu werfen erscheint mir mittelalterlich und vor allem völlig verfehlt.
Aber einen mittelalterlichen Eindruck machen leider nicht geringe Teile der Branche, man könnte auch von »Dinosauriern« sprechen.
[Edit 13:30 Uhr:] p.s.: Cory Doctorow bietet seine im Handel erhältlichen Bücher auch kostenlos auf seiner Webseite als eBooks in zahllosen Formaten an, ähnliche Konzepte gibt es für andere Medien (und Software) im Netz zuhauf. Durch die Buchpreisbindung darf ich jedoch ein eBook streng genommen nicht auf der einen Plattform verkaufen und anderswo verschenken (und vielleicht um eine freiwillige Spende bitten). Das ist meiner Ansicht nach eine unverhältnismäßige Einschränkung meiner Grundrechte und meiner Rechte als Urheber.
[cc]
Ich finde nicht die Buchpreisbindung an sich doof (weil ich schon denke, dass die großen Ketten und Onlinehändler die Konkurrenz noch übler wegboxen würden als sie es eh schon tun, wenn sie Rabatte nach Gutdünken geben dürften), sondern den viel zu engen Abstand zwischen beispielsweise Hardcover- und Ebookpreis. Sprich, Ebooks sind zu teuer. Dass sie überall das gleiche kosten müssen, stört mich nicht.
Das Beispiel mit Cory Doctorow ist interessant. Wenn man als Autor sein Manuskript rechtlich gesehen nicht mal verschenken dürfte, wenn der Verlag, bei dem es erscheint, sich darauf einließe, wäre das eine bizarre Begleiterscheinung. Erst in dem Moment, in dem er es billiger verkaufen oder um Spenden bitten würde, würde er ja wirklich als der konkurrierende Anbieter auftreten, den das Gesetz im Sinn hatte (bittet Cory um Spenden? Ich glaube, er verschenkt bloß).
Dass sich Modelle wie das von Dir skizzierte mit den Caiman-Inseln durchsetzen, sehe ich noch nicht am Horizont. Für die meisten User dürfte es Barriere genug sein, dass man auf Amazon.com noch keine Musik oder Ebooks kaufen kann. Bei der Musik finde ich das auch sehr ärgerlich, insbesondere, da es da ja kein mit der Preisbindung vergleichbares Problem gäbe.
Warum sollte jemals jemand einen Self-Publisher abmahnen? Für den Fall, dass er will, dass sein Buch bei Amazon 8 Euro kostet, er es aber auf seiner Homepage für 6 verkaufen will, oder wie?
Exakt.
»Preiszubinden sind solche E‑Bücher, die einem gedruckten Buch im Wesentlichen entsprechen.« – Wie ist das aber, wenn es von einem E‑Book zunächst noch keine Printausgabe gibt? Dann konkurriert E weder mit der Printausgabe, noch »schädigt es den Einzel-Buchhandel«. So will ich einen Zeitraum überbrücken, in welchem ich die Papierausgabe crowdfunde und das E‑Book bereits anbiete. Für das Papierbuch gilt in dieser Zeit außerdem die Vorveröffentlichungsregelung, in der zum Beispiel Subskriptionsangebote abgegeben werden können. Liege ich damit richtig?
Peter Bach jr.
http://www.bachueberbach.de
Es ist völlig irrelevant, ob ein Buch nur als eBook vorliegt und nicht als Printausgabe. Auch dafür gilt die Buchpreisbindung.