Ich habe es über die Jahre immer wieder mal vernommen, zumeist von alternden SF-»Fans«, die lautstark die Ansicht vertreten, dass selbstverständlich »früher alles besser war, und das doch alles keine Science Fiction sei«. Früher, das ist ein nicht ganz genau zu beziffernder Zeitraum, aber eben nicht heute. Aber ich schweife ab. Was habe ich genau vernommen? Die zumeist aufgebracht vorgetragene These, dass dies und jenes, oft Popkultur, in Wirklichkeit gar keine Science Fiction sei, sondern nur … irgend so ein Mist. Je nach Alter (es sind nach meiner Beobachtung tatsächlich überwiegend die älteren SF-Anhänger), Geisteszustand und Fanatismuslevels des Vortragenden wird verschiedenen Spielarten der SF pauschal abgesprochen, tatsächlich Science Fiction zu sein, in den meisten Fällen ohne inhaltliche Begründung, sondern nur mit irgendwelchen hastig vorgetragenen Schimpfworten, oder schwummrigen Scheinargumenten, die wenig durchdacht erscheinen. Gerne vorneweg kritisiert immer wieder mal STAR WARS, heutzutage nimmt man sich bevorzugt die diversen Spielarten des Superhelden-Genres vor, aber sogar der Erforschungs- und Entdeckungsserie STAR TREK wird abgesprochen, tatsächlich SF zu sein. Weil? Wegen!
Warum? Die Begründungen sind oft schwurbelig, fußen aber nicht selten auf der mit zahlreichen Ausrufezeichen vorgebrachten These, dass »das alles« nur »Fantasy« sei, und mit Wissenschaft nichts zu tun habe. Und schließlich habe das Genre Science Fiction die »Wissenschaft« im Titel und müsse deswegen auf irgendwelchen wissenschaftlichen Grundlagen beruhen.
Weil man das alles einfach mal ignorierte, um coole, neue, innovative, kreative, zum Denken anregende Geschichten zu erzählenIch frage mich dann immer, ob diese Figuren eine völlig andere SF kennen, als ich. Ich befasse mich seit bestimmt 40 Jahren mit dem Thema, zuerst als reiner Konsument (was man im Kindesalter so liest, ja, auch PERRY RHODAN, an dem kommt man ja in Deutschland nicht vorbei, wenn man sich für »sowas« interessiert, übrigens ein paar Jahre nach dem Erstkontakt mit sieben Jahren via STAR TREK auf Ommas schwarzweiß-Fernseher. Dann noch STAR WARS im zarten Alter von zwölf, danach war ich nicht mehr zu resozialisieren). Aber zurück zum Thema. Die Wissenschaftsfetischisten müssen einen blinden Fleck haben, anders lässt sich nicht erklären, dass sie in ihrer Ablehnung gewisser Spielarten des Genres völlig übersehen, dass es nicht nur in der Gründungszeit, sondern auch im Goldenen Zeitalter der SF haufenweise Literatur gab, die mit Naturgesetzen und Wissenschaft nicht das Geringste zu tun hatte, oder sogar darauf pfiff. Weil man das alles einfach mal ignorierte, um coole, neue, innovative, kreative, zum Denken anregende Geschichten zu erzählen. Was gab es im Golden Age alles an Space Opera …
Space Opera? Opulent erzählte Geschichten mit gigantischen Konstrukten und epischen Wesenheiten, zwischen denen die menschlichen Protagonisten herumstolperten, heldenhafte Abenteuer erlebten, und in den meisten Fällen irgendwie als Sieger hervor gingen. STAR WARS und in geringerem Maße auch STAR TREK, ganz sicher aber BUCK ROGERS oder FLASH GORDON sind ebenso Space Opera, wie GUARDIANS OF THE GALAXY oder BATTLESTAR GALACTICA, egal in welcher Inkarnation. Zahllose Romane des Genres, die heute allgemein als Klassiker gelten, scheren sich ein feuchtes Higgs-Boson um irgendwelche wissenschaftlichen Grundlagen.
Wie kommen die Wissenschafts- und Naturgesetz-Huldiger unter den vorgeblichen Science Fiction-Fans dazu, einer nicht geringen Menge von Popkultur-SF einfach mal abzusprechen, dazu zu gehören, obwohl die Geschichte des Genres, und die schiere Bandbreite von dem, was da alles erschienen ist, eine völlig andere Sprache sprechen? Warum wird hier eine Deutungshoheit mit in der Regel harschen Worten wie »Mist« oder »Scheiße« zu etablieren versucht? Ein Grund dürfte klar sein: Wer die Deutungshoheit inne hat, verfügt über Macht. Ein Grund mehr, sie ihnen nicht zu überlassen.
STAR WARS ist gern weit vorne bei den Feindbildern der Fetischisten. Das sei keine SF, sondern Fantasy. Weil nichts erklärt wird, und wegen der Macht. Aber stimmt das denn? Oder, um mal anders zu fragen: Ist das relevant?
Im von George Lucas erdachten Universum fliegen Raumschiffe mit Überlichttriebwerk (genauer: Hyperraum-Antrieb) in einer weit, weit entfernten Galaxis umher. Dem Vernehmen nach vor langer Zeit. Hat da jemand was dagegen? Ja, die SF-Päpste stören sich unter anderem daran, dass nicht erläutert wird, wie und warum dieser Hyperraumantrieb funktioniert. Aha. Man sollte sich an dieser Stelle mal einen Moment zurücklehnen, um sich einen breiteren Überblick zu verschaffen, und sich fragen, wie viele Menschen heutzutage tatsächlich wissen, wie ein Mobiltelefon, ein Ottomotor, ein Computer, ein Tachyonenbeschleuniger, eine Marssonde oder eine Kaffeemaschine funktionieren. Na gut, die Kaffeemaschine bekommen wir halbwegs hin. Der Rest? Es interessiert von den Benutzern kaum jemanden, warum die Whatsapp-Nachricht beim Empfänger ankommt, oder warum dieses komische Internet auf dem Bildschirm vor einem vor sich hin flimmert.
Man benutzt im realen Leben Technik, auch mit erheblicher Wissenschaft hinterfütterte, einfach so, ohne sich groß Gedanken darüber zu machenUnd das ist für mich ein ganz zentraler Punkt: Man benutzt im realen Leben Technik, auch mit erheblicher Wissenschaft hinterfütterte, einfach so, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Und man kann auch SF-Geschichten erzählen, ohne auf diese technischen Hintergründe im Detail einzugehen. Plus: Man muss sich bei diesen Science Fiction-Stoffen noch nicht mal auf das beschränken, was wir heute wissen, oder was den Naturgesetzen entspricht. Denn beinahe jeden Tag werden unsere Kenntnisse über das Universum verändert, gehen bislang als feststehend gedachte Thesen über die Struktur der Welt den Bach runter. Was früher als wissenschaftlich gesichert galt, ist heute Schnee von vorgestern. Und angesichts dessen, und zusätzlich auch noch dem Punkt, dass es eine schriftstellerische Freiheit gibt, die es dem Autor oder der Autorin erlaubt, einfach mal Fakten für ihr Universum zu erfinden, einfach nur um Leser zu unterhalten, ist es völlig legitim, sich gerade bei einem spekulativen Genre wie der SF von den Tatsachen (oder vermeintlichen Tatsachen) zu entfernen. Vielleicht ist der Warp-Antrieb ja möglich, wir wissen es nur mit unserem heutigen Kenntnisstand noch nicht? Es soll mir niemand damit kommen, dass das weit hergeholt sei, das gerade per Peer-Review bestätigte »Impossible Drive« sagt etwas anderes.
Übrigens zeigt auch die Kritk an STAR TREK, wie wir es aus den TV-Serien kennen, ein erschreckendes Maß an Unkenntnis über das Serienuniversum. Wer glaubt, das sei unwissenschaftlich, der hat noch nie einen Blick in ein Tech-Manual geworfen, das im Detail technische und physikalische Grundlagen erklärt. Bei der Entwicklung der Serien haben namhafte Wissenschaftler und Physiker mitgeholfen, um das Ganze auf solide Beine zu stellen (ja, ich weiß, die Drehbuchautoren lavieren da oft genug drum herum, aber das ist dann wieder die künstlerische Freiheit).
Oder »die Macht«. Jenes Energiefeld, das von allen lebenden Wesen erzeugt wird. »Es umgibt uns, es durchdringt uns, es hält die Galaxis zusammen«, sagt Obi-Wan Kenobi poetisch (vergessen wir mal die Midichloreaner, die wurden glücklicherweise aus dem Canon getilgt). Auch das wird als Zauberkram abgetan. Was ist mit all den SF-Geschichten, die mit übersinnlichen Kräften spielen? Sind die ebenfalls alle Kinderkram? Ist auch DUNE Mist, weil Spice den menschlichen Geist so erweitert, dass die Navigatoren entstehen, die ihrerseits überlichtschnellen Flug erst möglich machen? SF ist Spekulation, und dazu gehört eben auch die Spekulation, was mit Menschen geschieht, die Fähigkeiten entwickeln, woher die auch immer kommen mögen. Wie verändert sich die Gesellschaft, wenn Metahumans entstehen?
Science Fiction wird gern auch »Speculative Fiction« genannt, und objektiv betrachtet passt der Begriff aufgrund der schieren Bandbreite des Genres auch viel besserScience Fiction wird gern auch »Speculative Fiction« genannt, und streng genommen passt der Begriff aufgrund der schieren Bandbreite des Genres auch viel besser. Man spekuliert munter und kreativ vor sich hin, sowohl was technische Entwicklungen angeht, wie auch darüber, ob wir vielleicht noch nicht alle Naturgesetze kennen, oder wie sich Gesellschaften in der Zukunft verändern. Dabei kann der Fokus auf all diesen Themen liegen, oder noch ganz andere beleuchten, Zwischenmenschliches, Politik. Und selbstverständlich ist auch reine Unterhaltung nicht nur erlaubt, sondern völlig legitim, denn es muss nicht immer alles auf Biegen und Brechen von Anspruch durchsetzt sein, auch wenn manch einer in Deutschland das zu glauben scheint (ein Grund für den traurigen Zustand gewisser Medien hierzulande).
Wer meint, irgend etwas als »nicht-SF« aus der Science Fiction herauszudefinieren zu wollen, und das entgegen alle Logik immer und immer wieder unter Geschrei und Gepöbel tut, der kennt entweder die bunte und breite Geschichte des Genres nicht, oder hält seinen Tellerrand für einen Horizont. Oder beides. Es ist selbstverständlich jedem unbenommen, dass ihm oder ihr irgend etwas nicht gefällt. Aber posaunt uns das nicht ständig um die Ohren. Es könnte passieren, dass wir euch nicht ernst nehmen und derweil unseren Spaß mit dem haben, was ihr nicht für SF haltet.
p.s.: Dasselbe gilt übrigens auch für andere Genres.
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Ich oute mich als jemand, der auch gern mal feststellt, dass nicht alles, was SF genannt wird, SF ist. Und dass manches, wo nicht ausdrücklich SF draufsteht, welche ist. Allerdings verbinde ich das nicht mit der Wertung, es sei deshalb Mist. Und ich würde auch nie den Unterhaltungswert bestreiten oder gar bestimmen wollen, dass ein erklärter SF-Fan sowas nicht zu lesen/schauen habe. Für den Genuss ist es unerheblich, wie es heißt, da ist in der Tat eher der »Eindruck« von Bedeutung. Es gibt SF, die sehr im Tonfall und mit den Kulissen von High-Fantasy daherkommt. Und auch wenn z. B. X‑Men keine SF ist, klingt es doch so und macht definitiv Spaß.
Davon abgesehen gibt es Grenzfälle. Insbesondere wenn es um „übernatürlich Fähigkeiten« geht. Es ist z. B. eine Frage der persönlichen Präfernenz, ob man Telepathie generell für unmöglich hält oder sich auf den Umstand beruft, dass die Gehirnströme ja über kleine Dinstanzen heute schon »abgriffen« werden können – warum also nicht über größere und das verbunden mit guten „Interpretatoren“? Der Unterschied ist, dass SF sich in letzterem Fall damit beschäftigen müsste, was das für weitere Konsequenzen hat …
Übrigens: Ich nenne mich SF-Autor, obwohl ich weiß, dass einige sehr handlungsrelevanten Elemente in meinern Storys bestenfalls grenzwertig, mitunter aber auch reine Fantasy sind. Will sagen: Möglichst sauber zu kategorisieren, ist nicht automatisch ein Angriff …
Selbstverständlich handelt es sich bei den X‑Men um Science Fiction. Es dreht sich um mutierte Menschen, mithin eines der in der SF seit Jahrzehnten immer wieder aufgegriffenen Themen. Superman kommt von einem fremden Planeten, Green Lantern bekommt seine Fähigkeiten durch ein Artefakt eines Alien-Wächtervolkes. Guardians Of The Galaxy (Teil des Marvel Cinematic Universe) zeigt eine von Leben nur so wimmelnde Galaxis. Thor gehört zu einem fortgeschrittenen Alien-Volk, aus denen die alten nordischen Sagen entstanden sind. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Alles reinste SF.
Nimmt man die Inhumans noch mit rein: Da wurden Menschen von Außerirdischen (den Kree) manipuliert, um eine Superrasse zu züchten. Lupenreine SF.
Ob man Telepathie für möglich hält oder nicht, ist irrelevant. Es geht um die Spekulation, was dann passieren würde, oder was möglich wäre. Auch Telepathie oder andere übersinnliche Fähigkeiten gehören seit dem frühen 20. Jahrhundert fest zum Repertoire des Genres. Also kein »Grenzfall«, sondern mitten drin. Wenn wir da dann noch Quanteneffekte wie die spukhafte Fernwirkung mit einbeziehen …
Gegen Diskussionen ums Thema habe ich rein gar nichts. Ich stoße aber immer wieder auf solche »Kritiker«, die, wie im Artikel beschrieben, nur unreflektiert und undifferenziert motzen. Erst gestern wieder. Daraus ist der Text entstanden.
Noch zum Thema passend:
Arthur C. Clarke:
1. „Wenn ein angesehener, aber älterer, Wissenschaftler behauptet, dass etwas möglich ist, hat er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit recht. Wenn er behauptet, dass etwas unmöglich ist, hat er höchstwahrscheinlich unrecht.“
2. „Der einzige Weg, die Grenzen des Möglichen zu finden, ist, ein klein wenig über diese hinaus in das Unmögliche vorzustoßen.“
3. „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“
Es könnte also in der SF etwas wie Fantasy wirken, tatsächlich aber weit fortgeschrittene Technologie sein …
„Selbstverständlich handelt es sich bei den X‑Men um Science Fiction. Es dreht sich um mutierte Menschen,“ Das ist der übliche Irrtum. Erstens kann eine einzelne Mutation (es ist immer nur von einer die Rede) nicht zu so extrem verschiedenen Effekten führen und zum Zweiten sind einige der Fähigkeiten eben nicht durch eine „simple Genveränderung beim Homo sapiens sapiens“ erklärbar. Laser aus ansonsten normalen Augen zu verschießen, die Zeit anhalten oder sich teleportieren zu können z. B. sind deutlich magische Fähigkeiten. Wenn X‑Men SF ist, ist auch Bibby Blocksberg SF: Auch sie kann „von Natur aus“ (also offenbar durch ihr Erbgut bestimmt) zaubern.
Sich ab und an diese Unterschiede bewusst zu machen, hat weniger mit dem Lesegenuss zu tun, sondern mehr mit der Verstand-Pflege. Wir leben ohnehin in einer Welt, in der Technik und Wissenschaft längst einen solchen Grad erreicht haben, dass manche Menschen ihnen alles zutrauen. SFler neigen zusätzlich dazu, bislang Unmögliches einfach als durch technischen und wissenschaftlichen Fortschritt als möglich zu definieren – und das soll auch so sein. Als Literaten dürfen und sollen sie da auch großzügig sein, wenn es die Story verlangt. Aber sie sollten im Blick behalten, dass sie da Phantastisches entwerfen (oder lesen), und das real Mögliche nicht aus den Augen verlieren.
Und man kann nun mal so lange forschen und Technik entwickeln, wie man will: Der Mensch, wie er heute ist, kann nicht einfach durch eine Genveränderung zu sowas wie oben erwähnt gebracht werden.
Für die Sache mit dem Laser z. B. müsste eine halbwegs starke Lichtquelle in oder hinter den Augen entstehen (weit über das hinaus, was wir heute aus dem Bereich der Bioluminiszenz kennen), das Auge selbst müsste völlig anders struktuiert sein, um das Licht zu bündeln und bei der auftretenden und zu bändigenden Energie nicht zu verkochen. Und das alles müsste – folgt man der Story – sich spontan und ohne weitere Nebenwirkungen erst in der Pupertät herausbilden und von einem auf den anderen Moment aktiv werden.
Bei der Wettermanipulation müsste jemand – wie auch immer (telekinetisch?) – Unmengen von Luftmassen innerhalb von Sekunden steuern können und eventuell ein aktuelles Wasser-Gleichgewicht völlig aushebeln (um bei klarstem Wetter dicke Wolkendecken zu erzeugen).
Bei der Teleportation oder dem Zeitanhalten hab ich nichtmal eine Idee, wie das ausgelöst werden könnte; das greift in die Grundlagen der Physik ein.
All das in Kombination mit irgendeiner technischen Entwicklung (künstliche Augen, Wettermaschinen, Beam-Technik oder was weiß ich) – okay, dann wäre das SF. Aber so? Nee.
Wie gesagt: Das alles hat nichts mit dem Lesegenuss zu tun. Und auch nicht mit dem Was-wäre-wenn der Literatur, für das die SF (und die anderen Phantastik-Genres) besonders prädestiniert ist. Aber es reicht eben nicht, irgendein wissenschaftliches Schlagwort (hier Genetik) zu zitieren, um SF zu sein, so wie es nicht reicht, „Energie, Schwingung und Resonanz“ zu sagen, um zu beweisen, dass Edelsteine durch ihre bloße Gegenwart heilend wirken.
Auch die SF ist nur ein Teilbereich der Phantastik … So götzenhaft an heute gültigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Naturgesetzen zu kleben halte ich für überflüssige und unnötige Einschränkung der Fantasie und Kreativität. Dieses sklavisch am Begriff Wissenschaft kleben ist auch so ein Defizit vieler selbsternannter SF-Fans.
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Hallo Ulrike,
Wolverine hat zwar von Geburt an seine Klauen,
aber seine Knochen aus Adamandium sind durch
die Wissenschaft hervorgerufen.
Und die Kugel Xavier alle Mutanten finden kann
scheint mir auch so etwas wissenschaftliches
und auch fiktionals.
Aber grundsätzlich bin ich auch dafür, dass man
den Begriff Science-Fiction nicht immer so
wortgetreu nehmen sollte. Einfach mal locker
bleiben.
Stimmt, Bandit, diese Elemente in X‑Men sind SF – aber die anderen eben nicht. Ein Fantasy-Roman mit Zauberei und Fantasy-Wesen, wird ja auch nicht SF, nur weil die nichtzaubernden Bauern Superweizen gezüchtet, der Schmied ein neues Verfahren zum Härten von Kupfer oder der Stellmacher einen durch Magnetkraft schwebenden Wagen erfunden hat …
Wie gesagt: Auf die Güte der Texte hat das Label keinen Einfluss. Auf Denkmuster schon.
Das macht es sich viel zu einfach. Definiere doch erstmal »Fantasy«. Was, wenn die Magie gar keine ist? Was, wenn das Ganze tatsächlich auf einem fremden Planeten spielt und nur nach Fantasy aussieht? Was ist mit Paralleluniversen, dem Multiversum? Was, wenn ein vermeintlicher Fantasyroman ganz einfach in einem anderen Universum mit anderen Naturgesetzen handelt (übrigens immer wieder ein zentraler Punkt bei Marvel und DC, da wimmelt es von Universen. Wer sagt denn, dass Superheldenstories in unserem Universum spielen?)? Das ist übrigens durchaus wissenschaftlich, die Theorie der Existenz paralleler Universen mit anderen Naturgesetzen als in unserem ist durchaus anerkannt.
Ich kann mich nur wiederholen: die Fokussierung auf Populärwissenschaft basierend auf den hiesigen Naturgesetzen als einzige Grundlage der SF halte ich für nicht vertretbar und völlig indiskutabel.
Ich möchte aus gegebenem Anlass auf den Roman von Niven/Gerrold »Die fliegenden Zauberer« hinweisen. Das ist Science-Fiction, wiewohl es dort Magie gibt, jedenfalls glauben das die Einheimischen.
Mehr: Auf Gedankenzirkus
Ich kenne diese Diskussion eigentlich nur umgekehrt: Alles, was ein renomierter Autor geschrieben hat, ist natürlich keine Science Fiction: Doris Lessing usw. (sorry, ich sollte mehr Beispiele haben, aber ich glaube die Diskussion ist auch bekannt). Philip K. Dick wollte immer Mainstream schreiben und durfte nicht … also hat er seine Ideen in SF verpackt. Kommt es nicht auf die Ideen an, den Kern?
Frauen in Männerkörpern dürfen heute Frauen sein, aber Science Fiction mit Zauberern muss Fantasy sein? (Und umgekehrt, natürlich.)
Science Fiction klar wovon auch immer abzugrenzen, mag einen akademischen Wert haben, in der »täglichen Diskussion« bringt sie uns nicht weiter.
Aus der SF-Szene habe ich das mit den renommierten Autoren so noch nie gehört.