Das ist ja gar keine Science Fiction! – Ein Kommentar

Ich habe es über die Jah­re immer wie­der mal ver­nom­men, zumeist von altern­den SF-»Fans«, die laut­stark die Ansicht ver­tre­ten, dass selbst­ver­ständ­lich »frü­her alles bes­ser war, und das doch alles kei­ne Sci­ence Fic­tion sei«. Frü­her, das ist ein nicht ganz genau zu bezif­fern­der Zeit­raum, aber eben nicht heu­te. Aber ich schwei­fe ab. Was habe ich genau ver­nom­men? Die zumeist auf­ge­bracht vor­ge­tra­ge­ne The­se, dass dies und jenes, oft Pop­kul­tur, in Wirk­lich­keit gar kei­ne Sci­ence Fic­tion sei, son­dern nur … irgend so ein Mist. Je nach Alter (es sind nach mei­ner Beob­ach­tung tat­säch­lich über­wie­gend die älte­ren SF-Anhän­ger), Geis­tes­zu­stand und Fana­tis­mus­le­vels des Vor­tra­gen­den wird ver­schie­de­nen Spiel­ar­ten der SF pau­schal abge­spro­chen, tat­säch­lich Sci­ence Fic­tion zu sein, in den meis­ten Fäl­len ohne inhalt­li­che Begrün­dung, son­dern nur mit irgend­wel­chen has­tig vor­ge­tra­ge­nen Schimpf­wor­ten, oder schwumm­ri­gen Schein­ar­gu­men­ten, die wenig durch­dacht erschei­nen. Ger­ne vor­ne­weg kri­ti­siert immer wie­der mal STAR WARS, heut­zu­ta­ge nimmt man sich bevor­zugt die diver­sen Spiel­ar­ten des Super­hel­den-Gen­res vor, aber sogar der Erfor­schungs- und Ent­de­ckungs­se­rie STAR TREK wird abge­spro­chen, tat­säch­lich SF zu sein. Weil? Wegen!

War­um? Die Begrün­dun­gen sind oft schwur­be­lig, fußen aber nicht sel­ten auf der mit zahl­rei­chen Aus­ru­fe­zei­chen vor­ge­brach­ten The­se, dass »das alles« nur »Fan­ta­sy« sei, und mit Wis­sen­schaft nichts zu tun habe. Und schließ­lich habe das Gen­re Sci­ence Fic­tion die »Wis­sen­schaft« im Titel und müs­se des­we­gen auf irgend­wel­chen wis­sen­schaft­li­chen Grund­la­gen beruhen.

Weil man das alles ein­fach mal igno­rier­te, um coo­le, neue, inno­va­ti­ve, krea­ti­ve, zum Den­ken anre­gen­de Geschich­ten zu erzäh­lenIch fra­ge mich dann immer, ob die­se Figu­ren eine völ­lig ande­re SF ken­nen, als ich. Ich befas­se mich seit bestimmt 40 Jah­ren mit dem The­ma, zuerst als rei­ner Kon­su­ment (was man im Kin­des­al­ter so liest, ja, auch PERRY RHODAN, an dem kommt man ja in Deutsch­land nicht vor­bei, wenn man sich für »sowas« inter­es­siert, übri­gens ein paar Jah­re nach dem Erst­kon­takt mit sie­ben Jah­ren via STAR TREK auf Ommas schwarz­weiß-Fern­se­her. Dann noch STAR WARS im zar­ten Alter von zwölf, danach war ich nicht mehr zu reso­zia­li­sie­ren). Aber zurück zum The­ma. Die Wis­sen­schafts­fe­ti­schis­ten müs­sen einen blin­den Fleck haben, anders lässt sich nicht erklä­ren, dass sie in ihrer Ableh­nung gewis­ser Spiel­ar­ten des Gen­res völ­lig über­se­hen, dass es nicht nur in der Grün­dungs­zeit, son­dern auch im Gol­de­nen Zeit­al­ter der SF hau­fen­wei­se Lite­ra­tur gab, die mit Natur­ge­set­zen und Wis­sen­schaft nicht das Gerings­te zu tun hat­te, oder sogar dar­auf pfiff. Weil man das alles ein­fach mal igno­rier­te, um coo­le, neue, inno­va­ti­ve, krea­ti­ve, zum Den­ken anre­gen­de Geschich­ten zu erzäh­len. Was gab es im Gol­den Age alles an Space Opera …

Space Ope­ra? Opu­lent erzähl­te Geschich­ten mit gigan­ti­schen Kon­struk­ten und epi­schen Wesen­hei­ten, zwi­schen denen die mensch­li­chen Prot­ago­nis­ten her­um­stol­per­ten, hel­den­haf­te Aben­teu­er erleb­ten, und in den meis­ten Fäl­len irgend­wie als Sie­ger her­vor gin­gen. STAR WARS und in gerin­ge­rem Maße auch STAR TREK, ganz sicher aber BUCK ROGERS oder FLASH GORDON sind eben­so Space Ope­ra, wie GUARDIANS OF THE GALAXY oder BATTLESTAR GALACTICA, egal in wel­cher Inkar­na­ti­on. Zahl­lo­se Roma­ne des Gen­res, die heu­te all­ge­mein als Klas­si­ker gel­ten, sche­ren sich ein feuch­tes Higgs-Boson um irgend­wel­che wis­sen­schaft­li­chen Grundlagen.

Wie kom­men die Wis­sen­schafts- und Natur­ge­setz-Hul­di­ger unter den vor­geb­li­chen Sci­ence Fic­tion-Fans dazu, einer nicht gerin­gen Men­ge von Pop­kul­tur-SF ein­fach mal abzu­spre­chen, dazu zu gehö­ren, obwohl die Geschich­te des Gen­res, und die schie­re Band­brei­te von dem, was da alles erschie­nen ist, eine völ­lig ande­re Spra­che spre­chen? War­um wird hier eine Deu­tungs­ho­heit mit in der Regel har­schen Wor­ten wie »Mist« oder »Schei­ße« zu eta­blie­ren ver­sucht? Ein Grund dürf­te klar sein: Wer die Deu­tungs­ho­heit inne hat, ver­fügt über Macht. Ein Grund mehr, sie ihnen nicht zu überlassen.

STAR WARS ist gern weit vor­ne bei den Feind­bil­dern der Feti­schis­ten. Das sei kei­ne SF, son­dern Fan­ta­sy. Weil nichts erklärt wird, und wegen der Macht. Aber stimmt das denn? Oder, um mal anders zu fra­gen: Ist das relevant?

Im von Geor­ge Lucas erdach­ten Uni­ver­sum flie­gen Raum­schif­fe mit Über­licht­trieb­werk (genau­er: Hyper­raum-Antrieb) in einer weit, weit ent­fern­ten Gala­xis umher. Dem Ver­neh­men nach vor lan­ger Zeit. Hat da jemand was dage­gen? Ja, die SF-Päps­te stö­ren sich unter ande­rem dar­an, dass nicht erläu­tert wird, wie und war­um die­ser Hyper­raum­an­trieb funk­tio­niert. Aha. Man soll­te sich an die­ser Stel­le mal einen Moment zurück­leh­nen, um sich einen brei­te­ren Über­blick zu ver­schaf­fen, und sich fra­gen, wie vie­le Men­schen heut­zu­ta­ge tat­säch­lich wis­sen, wie ein Mobil­te­le­fon, ein Otto­mo­tor, ein Com­pu­ter, ein Tach­yo­nen­be­schleu­ni­ger, eine Mars­son­de oder eine Kaf­fee­ma­schi­ne funk­tio­nie­ren. Na gut, die Kaf­fee­ma­schi­ne bekom­men wir halb­wegs hin. Der Rest? Es inter­es­siert von den Benut­zern kaum jeman­den, war­um die Whats­app-Nach­richt beim Emp­fän­ger ankommt, oder war­um die­ses komi­sche Inter­net auf dem Bild­schirm vor einem vor sich hin flimmert.
Man benutzt im rea­len Leben Tech­nik, auch mit erheb­li­cher Wis­sen­schaft hin­ter­füt­ter­te, ein­fach so, ohne sich groß Gedan­ken dar­über zu machenUnd das ist für mich ein ganz zen­tra­ler Punkt: Man benutzt im rea­len Leben Tech­nik, auch mit erheb­li­cher Wis­sen­schaft hin­ter­füt­ter­te, ein­fach so, ohne sich groß Gedan­ken dar­über zu machen. Und man kann auch SF-Geschich­ten erzäh­len, ohne auf die­se tech­ni­schen Hin­ter­grün­de im Detail ein­zu­ge­hen. Plus: Man muss sich bei die­sen Sci­ence Fic­tion-Stof­fen noch nicht mal auf das beschrän­ken, was wir heu­te wis­sen, oder was den Natur­ge­set­zen ent­spricht. Denn bei­na­he jeden Tag wer­den unse­re Kennt­nis­se über das Uni­ver­sum ver­än­dert, gehen bis­lang als fest­ste­hend gedach­te The­sen über die Struk­tur der Welt den Bach run­ter. Was frü­her als wis­sen­schaft­lich gesi­chert galt, ist heu­te Schnee von vor­ges­tern. Und ange­sichts des­sen, und zusätz­lich auch noch dem Punkt, dass es eine schrift­stel­le­ri­sche Frei­heit gibt, die es dem Autor oder der Autorin erlaubt, ein­fach mal Fak­ten für ihr Uni­ver­sum zu erfin­den, ein­fach nur um Leser zu unter­hal­ten, ist es völ­lig legi­tim, sich gera­de bei einem spe­ku­la­ti­ven Gen­re wie der SF von den Tat­sa­chen (oder ver­meint­li­chen Tat­sa­chen) zu ent­fer­nen. Viel­leicht ist der Warp-Antrieb ja mög­lich, wir wis­sen es nur mit unse­rem heu­ti­gen Kennt­nis­stand noch nicht? Es soll mir nie­mand damit kom­men, dass das weit her­ge­holt sei, das gera­de per Peer-Review bestä­tig­te »Impos­si­ble Dri­ve« sagt etwas anderes.
Übri­gens zeigt auch die Kritk an STAR TREK, wie wir es aus den TV-Seri­en ken­nen, ein erschre­cken­des Maß an Unkennt­nis über das Seri­en­uni­ver­sum. Wer glaubt, das sei unwis­sen­schaft­lich, der hat noch nie einen Blick in ein Tech-Manu­al gewor­fen, das im Detail tech­ni­sche und phy­si­ka­li­sche Grund­la­gen erklärt. Bei der Ent­wick­lung der Seri­en haben nam­haf­te Wis­sen­schaft­ler und Phy­si­ker mit­ge­hol­fen, um das Gan­ze auf soli­de Bei­ne zu stel­len (ja, ich weiß, die Dreh­buch­au­toren lavie­ren da oft genug drum her­um, aber das ist dann wie­der die künst­le­ri­sche Freiheit).

Oder »die Macht«. Jenes Ener­gie­feld, das von allen leben­den Wesen erzeugt wird. »Es umgibt uns, es durch­dringt uns, es hält die Gala­xis zusam­men«, sagt Obi-Wan Keno­bi poe­tisch (ver­ges­sen wir mal die Midi­chlo­rea­ner, die wur­den glück­li­cher­wei­se aus dem Canon getilgt). Auch das wird als Zau­ber­kram abge­tan. Was ist mit all den SF-Geschich­ten, die mit über­sinn­li­chen Kräf­ten spie­len? Sind die eben­falls alle Kin­der­kram? Ist auch DUNE Mist, weil Spi­ce den mensch­li­chen Geist so erwei­tert, dass die Navi­ga­to­ren ent­ste­hen, die ihrer­seits über­licht­schnel­len Flug erst mög­lich machen? SF ist Spe­ku­la­ti­on, und dazu gehört eben auch die Spe­ku­la­ti­on, was mit Men­schen geschieht, die Fähig­kei­ten ent­wi­ckeln, woher die auch immer kom­men mögen. Wie ver­än­dert sich die Gesell­schaft, wenn Meta­hu­mans entstehen?

Sci­ence Fic­tion wird gern auch »Spe­cu­la­ti­ve Fic­tion« genannt, und objek­tiv betrach­tet passt der Begriff auf­grund der schie­ren Band­brei­te des Gen­res auch viel bes­serSci­ence Fic­tion wird gern auch »Spe­cu­la­ti­ve Fic­tion« genannt, und streng genom­men passt der Begriff auf­grund der schie­ren Band­brei­te des Gen­res auch viel bes­ser. Man spe­ku­liert mun­ter und krea­tiv vor sich hin, sowohl was tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen angeht, wie auch dar­über, ob wir viel­leicht noch nicht alle Natur­ge­set­ze ken­nen, oder wie sich Gesell­schaf­ten in der Zukunft ver­än­dern. Dabei kann der Fokus auf all die­sen The­men lie­gen, oder noch ganz ande­re beleuch­ten, Zwi­schen­mensch­li­ches, Poli­tik. Und selbst­ver­ständ­lich ist auch rei­ne Unter­hal­tung nicht nur erlaubt, son­dern völ­lig legi­tim, denn es muss nicht immer alles auf Bie­gen und Bre­chen von Anspruch durch­setzt sein, auch wenn manch einer in Deutsch­land das zu glau­ben scheint (ein Grund für den trau­ri­gen Zustand gewis­ser Medi­en hierzulande).

Wer meint, irgend etwas als »nicht-SF« aus der Sci­ence Fic­tion her­aus­zu­de­fi­nie­ren zu wol­len, und das ent­ge­gen alle Logik immer und immer wie­der unter Geschrei und Gepö­bel tut, der kennt ent­we­der die bun­te und brei­te Geschich­te des Gen­res nicht, oder hält sei­nen Tel­ler­rand für einen Hori­zont. Oder bei­des. Es ist selbst­ver­ständ­lich jedem unbe­nom­men, dass ihm oder ihr irgend etwas nicht gefällt. Aber posaunt uns das nicht stän­dig um die Ohren. Es könn­te pas­sie­ren, dass wir euch nicht ernst neh­men und der­weil unse­ren Spaß mit dem haben, was ihr nicht für SF haltet.

p.s.: Das­sel­be gilt übri­gens auch für ande­re Genres.

Hea­der­bild Copy­right: Sto­ckUn­li­mi­ted

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

12 Kommentare for “Das ist ja gar keine Science Fiction! – Ein Kommentar”

sagt:

Ich oute mich als jemand, der auch gern mal fest­stellt, dass nicht alles, was SF genannt wird, SF ist. Und dass man­ches, wo nicht aus­drück­lich SF drauf­steht, wel­che ist. Aller­dings ver­bin­de ich das nicht mit der Wer­tung, es sei des­halb Mist. Und ich wür­de auch nie den Unter­hal­tungs­wert bestrei­ten oder gar bestim­men wol­len, dass ein erklär­ter SF-Fan sowas nicht zu lesen/schauen habe. Für den Genuss ist es uner­heb­lich, wie es heißt, da ist in der Tat eher der »Ein­druck« von Bedeu­tung. Es gibt SF, die sehr im Ton­fall und mit den Kulis­sen von High-Fan­ta­sy daher­kommt. Und auch wenn z. B. X‑Men kei­ne SF ist, klingt es doch so und macht defi­ni­tiv Spaß.

Davon abge­se­hen gibt es Grenz­fäl­le. Ins­be­son­de­re wenn es um „über­na­tür­lich Fähig­kei­ten« geht. Es ist z. B. eine Fra­ge der per­sön­li­chen Prä­fer­nenz, ob man Tele­pa­thie gene­rell für unmög­lich hält oder sich auf den Umstand beruft, dass die Gehirn­strö­me ja über klei­ne Din­stan­zen heu­te schon »abgrif­fen« wer­den kön­nen – war­um also nicht über grö­ße­re und das ver­bun­den mit guten „Inter­pre­ta­to­ren“? Der Unter­schied ist, dass SF sich in letz­te­rem Fall damit beschäf­ti­gen müss­te, was das für wei­te­re Kon­se­quen­zen hat …

Übri­gens: Ich nen­ne mich SF-Autor, obwohl ich weiß, dass eini­ge sehr hand­lungs­re­le­van­ten Ele­men­te in mei­nern Sto­rys bes­ten­falls grenz­wer­tig, mit­un­ter aber auch rei­ne Fan­ta­sy sind. Will sagen: Mög­lichst sau­ber zu kate­go­ri­sie­ren, ist nicht auto­ma­tisch ein Angriff …

Stefan Holzhauer

sagt:

Selbst­ver­ständ­lich han­delt es sich bei den X‑Men um Sci­ence Fic­tion. Es dreht sich um mutier­te Men­schen, mit­hin eines der in der SF seit Jahr­zehn­ten immer wie­der auf­ge­grif­fe­nen The­men. Super­man kommt von einem frem­den Pla­ne­ten, Green Lan­tern bekommt sei­ne Fähig­kei­ten durch ein Arte­fakt eines Ali­en-Wäch­ter­vol­kes. Guar­di­ans Of The Gala­xy (Teil des Mar­vel Cine­ma­tic Uni­ver­se) zeigt eine von Leben nur so wim­meln­de Gala­xis. Thor gehört zu einem fort­ge­schrit­te­nen Ali­en-Volk, aus denen die alten nor­di­schen Sagen ent­stan­den sind. Um nur mal ein paar Bei­spie­le zu nen­nen. Alles reins­te SF.
Nimmt man die Inhu­mans noch mit rein: Da wur­den Men­schen von Außer­ir­di­schen (den Kree) mani­pu­liert, um eine Super­ras­se zu züch­ten. Lupen­rei­ne SF.

Ob man Tele­pa­thie für mög­lich hält oder nicht, ist irrele­vant. Es geht um die Spe­ku­la­ti­on, was dann pas­sie­ren wür­de, oder was mög­lich wäre. Auch Tele­pa­thie oder ande­re über­sinn­li­che Fähig­kei­ten gehö­ren seit dem frü­hen 20. Jahr­hun­dert fest zum Reper­toire des Gen­res. Also kein »Grenz­fall«, son­dern mit­ten drin. Wenn wir da dann noch Quan­ten­ef­fek­te wie die spuk­haf­te Fern­wir­kung mit einbeziehen …

Gegen Dis­kus­sio­nen ums The­ma habe ich rein gar nichts. Ich sto­ße aber immer wie­der auf sol­che »Kri­ti­ker«, die, wie im Arti­kel beschrie­ben, nur unre­flek­tiert und undif­fe­ren­ziert mot­zen. Erst ges­tern wie­der. Dar­aus ist der Text entstanden.

Stefan Holzhauer

sagt:

Noch zum The­ma passend:

Arthur C. Clarke:

1. „Wenn ein ange­se­he­ner, aber älte­rer, Wis­sen­schaft­ler behaup­tet, dass etwas mög­lich ist, hat er mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit recht. Wenn er behaup­tet, dass etwas unmög­lich ist, hat er höchst­wahr­schein­lich unrecht.“
2. „Der ein­zi­ge Weg, die Gren­zen des Mög­li­chen zu fin­den, ist, ein klein wenig über die­se hin­aus in das Unmög­li­che vorzustoßen.“
3. „Jede hin­rei­chend fort­schritt­li­che Tech­no­lo­gie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“

Es könn­te also in der SF etwas wie Fan­ta­sy wir­ken, tat­säch­lich aber weit fort­ge­schrit­te­ne Tech­no­lo­gie sein …

sagt:

Selbst­ver­ständ­li­ch han­delt es sich bei den X‑Men um Sci­en­ce Fic­tion. Es dreht sich um mu­tier­te Men­schen,“ Das ist der übli­che Irr­tum. Ers­tens kann eine ein­zel­ne Muta­ti­on (es ist immer nur von einer die Rede) nicht zu so extrem ver­schie­de­nen Effek­ten füh­ren und zum Zwei­ten sind eini­ge der Fähig­kei­ten eben nicht durch eine „simp­le Gen­ver­än­de­rung beim Homo sapi­ens sapi­ens“ erklär­bar. Laser aus ansons­ten nor­ma­len Augen zu ver­schie­ßen, die Zeit anhal­ten oder sich tele­por­tie­ren zu kön­nen z. B. sind deut­lich magi­sche Fähig­kei­ten. Wenn X‑Men SF ist, ist auch Bibby Blocks­berg SF: Auch sie kann „von Natur aus“ (also offen­bar durch ihr Erb­gut bestimmt) zaubern.

Sich ab und an die­se Unter­schie­de bewusst zu machen, hat weni­ger mit dem Lese­ge­nuss zu tun, son­dern mehr mit der Ver­stand-Pfle­ge. Wir leben ohne­hin in einer Welt, in der Tech­nik und Wis­sen­schaft längst einen sol­chen Grad erreicht haben, dass man­che Men­schen ihnen alles zutrau­en. SFler nei­gen zusätz­lich dazu, bis­lang Unmög­li­ches ein­fach als durch tech­ni­schen und wis­sen­schaft­li­chen Fort­schritt als mög­lich zu defi­nie­ren – und das soll auch so sein. Als Lite­ra­ten dür­fen und sol­len sie da auch groß­zü­gig sein, wenn es die Sto­ry ver­langt. Aber sie soll­ten im Blick behal­ten, dass sie da Phan­tas­ti­sches ent­wer­fen (oder lesen), und das real Mög­li­che nicht aus den Augen verlieren. 

Und man kann nun mal so lan­ge for­schen und Tech­nik ent­wi­ckeln, wie man will: Der Mensch, wie er heu­te ist, kann nicht ein­fach durch eine Gen­ver­än­de­rung zu sowas wie oben erwähnt gebracht werden.
Für die Sache mit dem Laser z. B. müss­te eine halb­wegs star­ke Licht­quel­le in oder hin­ter den Augen ent­ste­hen (weit über das hin­aus, was wir heu­te aus dem Bereich der Bio­lu­mi­nis­zenz ken­nen), das Auge selbst müss­te völ­lig anders struk­tu­iert sein, um das Licht zu bün­deln und bei der auf­tre­ten­den und zu bän­di­gen­den Ener­gie nicht zu ver­ko­chen. Und das alles müss­te – folgt man der Sto­ry – sich spon­tan und ohne wei­te­re Neben­wir­kun­gen erst in der Puper­tät her­aus­bil­den und von einem auf den ande­ren Moment aktiv werden.
Bei der Wet­ter­ma­ni­pu­la­ti­on müss­te jemand – wie auch immer (tele­ki­ne­tisch?) – Unmen­gen von Luft­mas­sen inner­halb von Sekun­den steu­ern kön­nen und even­tu­ell ein aktu­el­les Was­ser-Gleich­ge­wicht völ­lig aus­he­beln (um bei klars­tem Wet­ter dicke Wol­ken­de­cken zu erzeugen).
Bei der Tele­por­ta­ti­on oder dem Zeit­an­hal­ten hab ich nicht­mal eine Idee, wie das aus­ge­löst wer­den könn­te; das greift in die Grund­la­gen der Phy­sik ein.
All das in Kom­bi­na­ti­on mit irgend­ei­ner tech­ni­schen Ent­wick­lung (künst­li­che Augen, Wet­ter­ma­schi­nen, Beam-Tech­nik oder was weiß ich) – okay, dann wäre das SF. Aber so? Nee.

Wie gesagt: Das alles hat nichts mit dem Lese­ge­nuss zu tun. Und auch nicht mit dem Was-wäre-wenn der Lite­ra­tur, für das die SF (und die ande­ren Phan­tas­tik-Gen­res) beson­ders prä­de­sti­niert ist. Aber es reicht eben nicht, irgend­ein wis­sen­schaft­li­ches Schlag­wort (hier Gene­tik) zu zitie­ren, um SF zu sein, so wie es nicht reicht, „Ener­gie, Schwin­gung und Reso­nanz“ zu sagen, um zu bewei­sen, dass Edel­stei­ne durch ihre blo­ße Gegen­wart hei­lend wirken.

sagt:

Auch die SF ist nur ein Teil­be­reich der Phan­tas­tik … So göt­zen­haft an heu­te gül­ti­gen wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen und Natur­ge­set­zen zu kle­ben hal­te ich für über­flüs­si­ge und unnö­ti­ge Ein­schrän­kung der Fan­ta­sie und Krea­ti­vi­tät. Die­ses skla­visch am Begriff Wis­sen­schaft kle­ben ist auch so ein Defi­zit vie­ler selbst­er­nann­ter SF-Fans.

sagt:

[…] nen­nen darf. Einen viel­dis­ku­tier­ten Kom­men­tar dazu hat Anfang des Monats Ste­fan Holz­hau­er auf Phan­ta­news ver­fasst. Fast ein biss­chen lus­tig, dass (zufäl­li­ger­wei­se?) weni­ge Tage spä­ter auf den Phanwelten […]

Bandit

sagt:

-
Hal­lo Ulrike,
Wol­veri­ne hat zwar von Geburt an sei­ne Klauen,
aber sei­ne Kno­chen aus Ada­man­di­um sind durch
die Wis­sen­schaft hervorgerufen.
Und die Kugel Xavier alle Mutan­ten fin­den kann
scheint mir auch so etwas wissenschaftliches
und auch fiktionals. 

Aber grund­sätz­lich bin ich auch dafür, dass man
den Begriff Sci­ence-Fic­tion nicht immer so
wort­ge­treu neh­men soll­te. Ein­fach mal locker
bleiben.

sagt:

Stimmt, Ban­dit, die­se Ele­men­te in X‑Men sind SF – aber die ande­ren eben nicht. Ein Fan­ta­sy-Roman mit Zau­be­rei und Fan­ta­sy-Wesen, wird ja auch nicht SF, nur weil die nicht­zau­bern­den Bau­ern Super­wei­zen gezüch­tet, der Schmied ein neu­es Ver­fah­ren zum Här­ten von Kup­fer oder der Stell­ma­cher einen durch Magnet­kraft schwe­ben­den Wagen erfun­den hat …

Wie gesagt: Auf die Güte der Tex­te hat das Label kei­nen Ein­fluss. Auf Denk­mus­ter schon.

Stefan Holzhauer

sagt:

Das macht es sich viel zu ein­fach. Defi­nie­re doch erst­mal »Fan­ta­sy«. Was, wenn die Magie gar kei­ne ist? Was, wenn das Gan­ze tat­säch­lich auf einem frem­den Pla­ne­ten spielt und nur nach Fan­ta­sy aus­sieht? Was ist mit Par­al­lel­uni­ver­sen, dem Mul­ti­ver­sum? Was, wenn ein ver­meint­li­cher Fan­ta­sy­ro­man ganz ein­fach in einem ande­ren Uni­ver­sum mit ande­ren Natur­ge­set­zen han­delt (übri­gens immer wie­der ein zen­tra­ler Punkt bei Mar­vel und DC, da wim­melt es von Uni­ver­sen. Wer sagt denn, dass Super­hel­densto­ries in unse­rem Uni­ver­sum spie­len?)? Das ist übri­gens durch­aus wis­sen­schaft­lich, die Theo­rie der Exis­tenz par­al­le­ler Uni­ver­sen mit ande­ren Natur­ge­set­zen als in unse­rem ist durch­aus anerkannt.

Ich kann mich nur wie­der­ho­len: die Fokus­sie­rung auf Popu­lär­wis­sen­schaft basie­rend auf den hie­si­gen Natur­ge­set­zen als ein­zi­ge Grund­la­ge der SF hal­te ich für nicht ver­tret­bar und völ­lig indiskutabel.

Kyr

sagt:

Ich möch­te aus gege­be­nem Anlass auf den Roman von Niven/Gerrold »Die flie­gen­den Zau­be­rer« hin­wei­sen. Das ist Sci­ence-Fic­tion, wie­wohl es dort Magie gibt, jeden­falls glau­ben das die Einheimischen.

Mehr: Auf Gedan­ken­zir­kus

sagt:

Ich ken­ne die­se Dis­kus­si­on eigent­lich nur umge­kehrt: Alles, was ein reno­mier­ter Autor geschrie­ben hat, ist natür­lich kei­ne Sci­ence Fic­tion: Doris Les­sing usw. (sor­ry, ich soll­te mehr Bei­spie­le haben, aber ich glau­be die Dis­kus­si­on ist auch bekannt). Phil­ip K. Dick woll­te immer Main­stream schrei­ben und durf­te nicht … also hat er sei­ne Ideen in SF ver­packt. Kommt es nicht auf die Ideen an, den Kern?
Frau­en in Män­ner­kör­pern dür­fen heu­te Frau­en sein, aber Sci­ence Fic­tion mit Zau­be­rern muss Fan­ta­sy sein? (Und umge­kehrt, natürlich.)
Sci­ence Fic­tion klar wovon auch immer abzu­gren­zen, mag einen aka­de­mi­schen Wert haben, in der »täg­li­chen Dis­kus­si­on« bringt sie uns nicht weiter.

Stefan Holzhauer

sagt:

Aus der SF-Sze­ne habe ich das mit den renom­mier­ten Autoren so noch nie gehört.

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