ROGUE ONE

Wei­test­ge­hend spoilerfrei

Wer hät­te es für mög­lich gehal­ten? STAR WARS mit völ­lig neu­en Aspekten.

Exkur­si­on in die Ver­gan­gen­heit: Ich habe STAR WARS sowie die bei­den Fol­ge­fil­me gese­hen und war für immer geflasht (ich war SF-beses­sen und zwölf Jah­re alt, als ich Epi­so­de IV zum ers­ten Mal im Kino sah, danach kam jede Hil­fe zu spät). Sicher, aus der heu­ti­gen Zeit betrach­tet müss­te man eigent­lich zuge­ben, dass das viel­leicht stel­len­wei­se ein wenig flach daher kam. Holz­schnitt­ar­ti­ge Cha­rak­te­re. Dia­lo­ge, die kei­nen Preis gewin­nen wür­den. Aber damals war all das aus vie­len Grün­den eine Offen­ba­rung. Die Effek­te, die Ideen, die Umset­zung, alles auf der Lein­wand, die das grö­ßer, epi­scher erschie­nen ließ. A NEW HOPE war zwei­fel­los in vie­len Aspek­ten ein Mei­len­stein der Kino­ge­schich­te. Das kann man nicht zuletzt dar­an ermes­sen, dass STAR WARS noch heu­te, fast 40 Jah­re spä­ter, so prä­sent ist, wie Ende der 70er, die Designs nicht lächer­lich aus­se­hen, wie es bei so ziem­lich jedem ande­ren SF-Film aus der Zeit der Fall ist. Damit reiht es sich in Stof­fe ein, die immer wie­der repe­tiert und neu inter­pre­tiert wer­den. Bei­spiels­wei­se Fran­ken­stein, Robin Hood, Sher­lock Hol­mes, grie­chi­sche Sagen, oder Shake­speares Geschichten.

Was? Habe ich gera­de die Dreis­tig­keit beses­sen, STAR WARS in einem Satz mit Shake­speare zu nen­nen? Höre ich die Feuil­le­ton-Schrei­ber heu­len? Gut so. Heult ruhig. Hier geht es um Pop­kul­tur, davon hab ihr kei­ne Ahnung. Übri­gens war auch Shake­speare zu sei­ner Zeit ver­lach­te Pop­kul­tur. Denkt mal drü­ber nach.

Gareth Edwards hat­te wahr­lich kei­ne leich­te Auf­ga­be. Er soll­te beim ers­ten STAR WARS-Film außer­halb der Saga der Sky­wal­kers Regie füh­ren. Dem ers­ten soge­nann­ten Antho­lo­gie-Film, der das Uni­ver­sum erwei­tern soll­te, dem ers­ten Film im Expan­ded Uni­ver­se von dem, was Onkel Geor­ge erson­nen (und spä­ter ordent­lich ver­bockt) hatte.
Wer glaubt, dass so ein Regis­seur tun und las­sen kann, was er will, der hat kei­ne Ahnung. Gera­de bei einem Fran­chise-Impe­ri­um, wie STAR WARS, und ins­be­son­de­re, wenn Dis­ney so etwas kauft, über­lässt man nichts dem Zufall. Wer glaubt, dass ROGUE ONE aus einer Lau­ne her­aus, ohne tie­fe­ren Sinn, ent­stan­den ist, der ver­steht nicht, dass es da inzwi­schen Per­so­nen gibt, die kei­ne ande­ren Auf­ga­ben haben, als eine neue Kon­ti­nui­tät über das gesam­te Fran­chise her­zu­stel­len. Und neue Ziel­grup­pen für die­ses Fran­chise zu suchen. STAR WARS war immer auch ein Mär­chen. Es war letz­ten Endes »Frie­de, Freu­de, Eier­ku­chen«, denn es haben am Ende »die Guten« gewon­nen. ROGUE ONE zeigt einen ande­ren Aspekt eines dadurch durch­aus glaub­wür­di­ger wer­den­den Uni­ver­sums, zeigt die Kehr­sei­te der Hel­den­me­dail­le, zeigt, dass es in die­sem Krieg gegen das tota­li­tä­re Impe­ri­um Boden­trup­pen gibt, die im Dreck ster­ben. Und hat damit in Zei­ten eines Trump-Ame­ri­ka, und diver­ser Rechts­ru­cke in Staa­ten auf der gan­zen Welt, auch eine deut­lich poli­ti­sche­re Bot­schaft als ande­re Fil­me der Reihe.

Man kann das gut oder schlecht fin­den. Man kann es bedau­ern und lamen­tie­ren, dass der Film einem die Kind­heit nimmt. Weil er trotz allen Bezü­gen auf STAR WARS, die frag­los zahl­reich vor­han­den sind (sie hau­en sie Dir sogar reich­lich um die Ohren), dem Zuschau­er am Anfang und am Ende das ver­wei­gert, was er gewohnt ist und erwar­tet. Es fehlt das typi­sche STAR WARS-Intro mit schrä­gem Scrol­ler, allein das schon ein Meis­ter­stück (in dem Moment war ich sprach­los und WUSSTE, das wür­de kein »nor­ma­les« STAR WARS wer­den). Es gibt auch kein Hap­py End im übli­chen Sin­ne. Wie gewagt ist das? Sie bie­ten Dir einen STAR WARS-Film mit allen, wirk­lich allen, Ver­satz­stü­cken und ver­wei­gern Dir am Ende den­noch das, was Du erwartest?

Bril­li­ant! Konsequent.

Nur so konn­te es funk­tio­nie­ren, einen Film im sel­ben Uni­ver­sum aber abseits der Sky­wal­ker-Saga zu erzäh­len. Nur so konn­ten die Macher uns auf die har­te Tour bei­bie­gen, dass man in die­sem Uni­ver­sum, in die­sem Set­ting, in Zukunft noch so viel mehr Geschich­ten erzäh­len kann, als nur die der Saga. ROGUE ONE eröff­net neue Facet­ten des ver­meint­lich bekann­ten The­mas. Das müs­sen kei­ne Kin­der­fil­me blei­ben, da kann es auch mal der­ber zur Sache gehen, da kön­nen Geschich­ten für ver­schie­de­ne Ziel­grup­pen erzählt werden.
Wir Fans seit Jahr­zehn­ten ken­nen das alles. Wir haben die Thrawn-Roma­ne gele­sen, die waren Mili­ta­ry-SF pur. Wir haben das klas­si­sche D6-Rol­len­spiel von West End Games gespielt und jede Men­ge Sze­na­ri­en erlebt. Wir haben das MMO STAR WARS – THE OLD REPUBLIC und zuvor KNIGHTS OF THE OLD REPUBLIC gespielt, wir wuss­ten schon län­ger, dass das STAR WARS-Uni­ver­sum ein leben­des Uni­ver­sum ist, in dem so viel mehr erzäh­lens­wer­te Geschich­ten ste­cken, als nur die um Sky­wal­ker, Solo und Co. Wir haben uns ver­schie­de­ne Sicht­wei­sen auf STAR WARS gebaut, aber wir haben alle irgend­wann auf die ein oder ande­re Art in die­sem Uni­ver­sum gelebt. Und des­we­gen glau­be ich, dass es für mich und die­se Fans, die schon so viel gese­hen haben ein­fa­cher ist, mit dem zurecht­zu­kom­men, was uns in ROGUE ONE vor­ge­setzt wird:

Dass für den Sieg der Hel­den irgend­wel­che ande­ren Cha­rak­te­re, deren Geschich­te nie­mals (oder nur am Ran­de in einem Intro-Scrol­ler) erzählt wird, ster­ben müssen.

Die Figu­ren aus Epi­so­de IV bis VI waren – wie oben bereits erwähnt – holz­schnitt­ar­tig und der Plot nun auch nicht die Offen­ba­rung. Das war uns aber egal, weil alles zusam­men, weil die Mélan­ge aus »Used Future«, Wes­tern, Fan­ta­sy-Sto­ry sowie vor allem »wir kön­nen gegen die­se Über­macht bestehen!« – also die klas­si­sche Hel­den­ge­schich­te – und im Zusam­men­spiel mit SF damals ein­fach weg­ge­bü­gelt hat. Mich bis heute.
Jetzt sehe ich die­se GANZ neu­en Figu­ren, von denen die meis­ten holz­schnitt­ar­tig blei­ben, weil der Film eine spe­zi­el­le Geschich­te erzäh­len möch­te. Der hängt zum einen an dem Ding, um das es geht: die Plä­ne des Todes­sterns. Zum ande­ren an Jyn Erso. Ersos Hin­ter­grund wird ver­tieft, alle wei­te­ren Haupt­fi­gu­ren sind bes­se­re Maku­la­tur. Aber Maku­la­tur im STAR WARS-Uni­ver­sum ist eben etwas voll­kom­men ande­res als sonst – eben viel­mehr Detail und Kolorit.

Mache Figu­ren sind dabei durch­aus prä­sent, sei es der Dro­ide K‑2SO mit sei­nen locke­ren Sprü­chen (gran­di­os), sei es der Macht-Nut­zer Chir­rut Îmwe mit sei­nem Mar­ti­al Arts-Kampf­stil (als alter Rol­len­spie­ler woll­te ich »For­ce User« und »Qui­xo­tic Jedi« schrei­ben, aber der Film spielt zu einer Zeit, als die Jedi aus­ge­löscht schei­nen, des­we­gen ist es nur kon­se­quent, dass man nicht ein Laser­schwert zu sehen bekommt, son­dern ande­re Spiel­ar­ten der For­ce). Sei­en es die Schur­ken mit dem Herz am rech­ten Fleck. Es ist all das da, was wir wol­len, aber es tritt in den Hin­ter­grund, weil hier deut­lich berich­tet wer­den soll, dass das alles kein Spaß ist.

Die Sze­na­ri­en atmen STAR WARS in jeder Sze­ne. Sei es im Welt­raum mit Stern­zer­stö­rern oder beim Todes­stern. Sei es auf Pla­ne­ten mit rie­si­gen, uralten Jedi-Tem­peln, auf denen sich Städ­te ent­wi­ckelt haben. Sei es dadurch, dass das Impe­ri­um all das ver­nich­tet. Die Sah­ne auf all dem sind dann die furio­sen Welt­raum- und Boden-Kampf­sze­nen im letz­ten Drit­tel des Films, die den Spa­gath schaf­fen, sowohl das Gefühl aus A NEW HOPE neu erwa­chen zu las­sen, als auch moder­ne Action zu zei­gen. Sie sind sogar in der Lage, com­pu­ter­ge­ne­rier­te Welt­raum­sze­nen mit Raum­schif­fen aus­se­hen zu las­sen, als sei­en sie mit Model­len rea­li­siert worden.

Alle Sets und Effek­te fan­gen das ein, was wir 1977 in A NEW HOPE zu sehen bekom­men haben, das auf eine gera­de­zu geni­al zu nen­nen­de Art. Wie ich inzwi­schen erfuhr, wur­den bei den Raum­kampf­sze­nen im letz­ten Teil von ROGUE ONE sogar wie­der­ent­deck­te nicht ver­wen­de­te Sze­nen aus Epi­so­de IV digi­ta­li­siert, auf­ge­peppt ein­ge­baut. Dass es dadurch zu kei­nen sti­lis­ti­schen Brü­chen kommt, son­dern sich das homo­gen ein­fügt, zeigt allei­ne bereits, wie nah man sich am Ori­gi­nal bewegt und wie gut die­ser Film hand­werk­lich gemacht ist.
Natür­lich gibt es eine Men­ge Fan­ser­vice in ROGUE ONE, jede Men­ge Klei­nig­kei­ten, die an ande­re Fil­me oder REBELS gemah­nen, aber eben nur als sinn­vol­le Refe­ren­zen oder win­zigs­te Refe­ren­zen am Ran­de, die nicht über Gebühr Platz ein­neh­men, son­dern das Gan­ze ein­fach nur perfektionieren.

Kom­po­nist Micha­el Giac­chi­no, ohne­hin einer der bes­se­ren Film­mu­si­ker neue­rer Zeit, löst sich erfreu­li­cher­wei­se immer mehr von Hans Zim­mer. Klar, hier hat­te er die Auf­ga­be, einen Score zu schrei­ben, der wie­der­erkenn­ba­re Ele­men­te haben muss­te, zudem soll­ten auch Ele­men­te aus John Wil­liams‘ Arbeit inte­griert wer­den. Das hat er viel­leicht nicht per­fekt, aber zumin­dest sehr gut gemacht. Ich habe mir den Sound­track jetzt bereits mehr­fach gege­ben und er ist bei wei­tem anhör­ba­rer, als vie­les, was heu­te bei Fil­men so als Film­mu­sik durch­geht – denn er hat tat­säch­lich The­men, die gefal­len, statt nur als belie­big aus­tausch­ba­re Unter­ma­lung für Sze­nen zu die­nen, wie es so vie­le ande­re Score-Kom­po­nis­ten heut­zu­ta­ge ablie­fern. Also auch beim Sound­track: Dau­men hoch.

Habe ich zu meckern? Wenig, und nur auf hohem Niveau. Saw Ger­re­ra war über­trie­ben insze­niert, die ers­te Atem­mas­ken-Sze­ne hat­te schon fast etwas Lächer­li­ches, ins­be­son­de­re mit der von Giac­chi­no dar­über geschrie­be­nen, dra­ma­ti­schen Musik-Sequenz – der dann nichts Dra­ma­ti­sches folg­te, außer Ein­at­men. Am Schluss bei Zugriff auf die Daten frag­te ich mich, war­um in einem der­art tech­ni­sier­ten Set­ting der Daten­zu­griff so pri­mi­tiv von­stat­ten gehen muss? Das war ganz klar ein Zeit schin­den­des Plot-Device und hät­te bes­ser gelöst wer­den kön­nen. Auch dass man durch ein sich sinn­los öff­nen­des und schlie­ßen­des Iris­blen­den-Schott ent­kom­men muss, war mir zuviel über­in­sze­nier­tes Jump & Run. Aber das sind letz­ten Endes ange­sichts des Rests alles nur ein paar eher belang­lo­se Kleinigkeiten.

Was mich wirk­lich geär­gert hat, waren zwei Din­ge, für bei­de kön­nen die Macher des Films nichts:

Zum einen die grot­ten­schlech­te deut­sche Syn­chro­ni­sa­ti­on, bei der man stän­dig merk­te, dass die Über­set­zer dane­ben gegrif­fen haben, beson­ders erkenn­bar bei Sät­zen die Gene­ral Kren­nic spricht. Der hunds­mi­se­ra­blen Stim­me die­ses Sith-Lords (bit­te kein Gemau­le, der war schon im Trai­ler zu sehen). Oder der völ­lig über­trie­be­nen Stimm­la­ge von Saw Ger­re­ra, die sich anhört wie von einem schlech­ten Lai­en­dar­stel­ler gespro­chen. Ich muss ROGUE ONE drin­gend noch­mal im Ori­gi­nal sehen.
Der zwei­te Kri­tik­punkt war, dass Cine­ma­xx schon wie­der den Pro­jek­tor viel zu dun­kel ein­ge­stellt hat­te, so dass jede Men­ge düs­te­re, und sogar nicht so dunk­le Sze­nen kom­plett in Fins­ter­nis absof­fen, auch der 3D-Effekt litt erheb­lich dar­un­ter, zumal das 3D hand­werk­lich nicht opti­mal durch­ge­führt wor­den ist, und stel­len­wei­se die Abgren­zung der unter­schied­li­chen 3D-Ebe­nen nicht son­der­lich gelun­gen war. Aber die­ser Ein­druck kann nun ein­mal auch auf die extrem run­ter­ge­re­gel­te Hel­lig­keit zurück­zu­füh­ren sein, die dann zu die­ser man­geln­den Eben­en­tren­nung führ­te. Die­ses Pro­blem mit der Hel­lig­keit habe ich immer wie­der beim Cine­ma­xx und für den ange­sag­ten Preis von fast 17 Euro hal­te ich den her­un­ter­ge­dimm­ten Pro­jek­tor (ver­mut­lich, um die Lam­pen­le­bens­dau­er zu erhö­hen) für eine ziem­li­che Unverschämtheit.

Fazit: ROGUE ONE ist ein ande­rer STAR WARS-Film, der alles rich­tig macht, indem er mit den eta­blier­ten Film­re­geln des Uni­ver­sums bricht, ohne dadurch zu etwas ande­rem zu wer­den. Den ers­ten Antho­lo­gie-Film zu etwas Eigen­stän­di­gem macht, das zeigt, wie viel mehr und wie viel Inter­pre­ta­ti­ons­brei­te in dem The­ma steckt. Der zudem beweist, dass STAR WARS auch erns­te, erwach­se­ne Sze­na­ri­en zei­gen kann, ohne zum einen das Flair des Uni­ver­sums zu ver­lie­ren, aber zum ande­ren auch deut­lich düs­te­rer daher kom­men kann, als vie­le das erwar­ten. Die Mischung aus Bekann­tem und dem offen­si­ven Bruch damit, ver­mag ich nur als abso­lut bril­li­ant bezeichnen.

Zehn von zehn Dro­iden und Hut ab.

ROGUE ONE – A STAR WARS STORY
Dar­stel­ler: Feli­ci­ty JonesDie­go LunaAlan TudykDon­nie YenWen JiangBen Men­delsohnForest Whita­kerRiz AhmedMads Mikkel­sen u.v.a.m.
Regie: Gareth Edwards
Dreh­buch: Chris WeitzTony Gil­roy
Sto­ry: John KnollGary Whit­ta
Aus­füh­ren­de Pro­du­zen­ten: John KnollJason D. McGatlin
Pro­du­zen­ten: Simon Ema­nu­elKath­le­en Ken­ne­dyAlli­son Shearmur
Kine­ma­to­gra­fie: Greig Fra­ser
Schnitt: John Gil­royColin Gou­dieJabez Ols­sen
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Doug ChiangNeil Lamont
Musik: Micha­el Giacchino
134 Minuten
Walt Dis­ney Pictures
USA 2016

Pro­mo­fo­tos Copy­right Walt Dis­ney Pic­tures und LucasFilm

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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