Buchblogs müssen sich professionalisieren? Einen Scheiß müssen Buchblogs!

Buchblogs und Verlage

Am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag wur­de ja hier auf Phan­ta­News bereits in einem Arti­kel auf­ge­zeigt, war­um Ver­la­ge der­zeit gera­de­zu hek­ti­sche Akti­vi­tä­ten ver­brei­ten, was Blogs angeht. Und auch auf der Buch­mes­se Leip­zig über­schlug man sich gera­de­zu zu dem The­ma, auch wenn dabei die Blog­ger oft eher Neben­sa­che zu sein schei­nen.

Auf Kar­la Pauls Sei­te buchkolumne.de erschien soeben ihre »Key­note« zur Kon­fe­renz Blogger:Sessions auf der Leip­zi­ger Buch­mes­se. Und wenn ich das lese, geht mir ordent­lich der Hut hoch, wenn gefor­dert wird, dass Blogs sich »pro­fes­sio­na­li­sie­ren« müs­sen. Einen Scheiß müs­sen Blogs. Das ist allein Wunsch­den­ken der Branche.

Vor­ne­weg: Blog­mar­ke­ting ist kei­ne neu­es The­ma und auch über bezahl­te Arti­kel oder Waren­tests dis­ku­tiert die Blogo­sphä­re bereits seit Jah­ren. Da ist so ziem­lich alles schon­mal gesagt wor­den, und auch schon von jedem. Aber wie bei der Buch­bran­che üblich, merkt die das alles wie­der mal ein paar Jah­re spä­ter, und des­we­gen kocht das The­ma im Zusam­men­hang mit Buch­blogs jetzt noch­mal hoch. Was dazu führt, dass das gesam­te Geseie­re noch­mal von vor­ne los geht.

Aber zu Frau Pauls Text. In ihrem Arti­kel liest man doch unter ande­rem tat­säch­lich, und ich rei­be mir ungläu­big die Augen:

Aber ver­dammt noch eins, wir haben 2016 – kommt end­lich raus aus Eurer Emo-Flausch­zo­ne und stellt Euch der drin­gend not­wen­di­gen Pro­fes­sio­na­li­tät, denn Ihr macht Wer­bung für das wich­tigs­te Medi­um über­haupt. Lite­ra­tur ver­än­dert Men­schen und benö­tigt Euch als Bot­schaf­ter. Wo Mode- und Life­sty­le­b­logs längst zu eige­nen Unter­neh­men gewor­den sind, habt Ihr weder Media­da­ten noch Nut­zer­ana­ly­sen, SEO-Opti­mie­rung ist ein Fremd­wort, kein Affi­lia­te­sys­tem und auf Nach­fra­ge reicht Euch allein das Herz­blut, aber excu­se me – davon kann man kei­ne Mie­te bezah­len. Ihr liebt Lite­ra­tur? Dann steht dafür auf und beweist, dass Euch das The­ma so wich­tig ist, dass Bücher so lebens­ver­än­dernd sind, dass sich die Insta­gram-Fans lie­ber den neu­en Juli Zeh Roman anstatt den Bibis Beau­ty­p­a­lace Body­schaum kau­fen. Lite­ra­tur ist eine Mil­li­ar­den­in­dus­trie und Ihr fin­det ernst­haft kein ande­res Geschäfts­mo­dell als Herz­blut? Ver­la­ge geben lie­ber Mil­lio­nen an Mar­ke­ting­bud­get für Pla­kat­wän­de und Zei­tungs­an­zei­gen aus als für Euch, weil Ihr Euch mit Sprech­stun­den, Lese­ex­em­pla­ren und Geschenk­päck­chen für zehn Euro zufrie­den gebt, dabei hat Eure Arbeit einen nach­weis­ba­ren Wert. Der Kauf ist nur einen Klick ent­fernt und die Leser ver­trau­en Euch längst weit mehr als jedem Journalisten.

Fan­gen wir mal vor­ne an:

Das »wich­tigs­te Medi­um über­haupt«? Das zeugt dann doch von eini­ger Rea­li­täts­fer­ne. Wie das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt kürz­lich ver­öf­fent­lich­te, liest der Deut­sche pro Woche im Durch­schnitt (!) gera­de mal eine dreidrei­vier­tel Stun­de. Somit knapp über eine hal­be Stun­de am Tag, und die noch nicht mal allein für Bücher, da geht das Lesen von Zeit­schrif­ten und Zei­tun­gen mit ein. Im Ver­gleich mit der Nut­zung ande­rer Medi­en (Inter­net, Fil­me, Fern­se­hen, Com­pu­ter­spie­le, Apps, sozia­le Medi­en) ist das sogar eher wenig.

Und dann kommt direkt die unsäg­li­che For­de­rung nach der Pro­fes­sio­na­li­sie­rung. Wer so etwas schreibt, hat noch nicht mal ansatz­wei­se ver­stan­den, was Blogs eigent­lich sind, und wozu sie die­nen. Wer so etwas for­dert, ins­be­son­de­re gleich mit Hin­weis auf Media­da­ten, SEO, Nut­zer­ana­ly­sen oder Affi­lia­te-Anbin­dun­gen, der for­dert das nicht für euch Blog­ger. Denn ihr kommt pri­ma ohne so etwas aus. Wich­tig sind sol­che Ana­ly­se­da­ten aus­schließ­lich für die Ver­la­ge, die unbe­dingt hand­fes­te Zah­len dazu haben wol­len, wie ihr ihnen genau nutzt. All die­ses Pro­fes­sio­na­li­sie­ren dient letzt­end­lich aus­schließ­lich dazu, damit die Ver­la­ge ihre Pro­zes­se opti­mie­ren kön­nen, vom Auf­wand her und eben letzt­end­lich wirt­schaft­lich. Wenn ihr dann alle daten­schutz­recht­lich mög­li­cher­wei­se bedenk­li­che Zähl­pi­xel ein­ge­baut habt, und den Ver­la­gen Nut­zer­ana­ly­sen lie­fert, dann könn­te es schnel­ler sein, als euch lieb ist, dass nur noch der mit den meis­ten Nut­zern oder Zugrif­fen die ach so belieb­ten Rezen­si­ons­exem­pla­re bekommt, über die er dann ohne Hono­rar schwär­men darf.

Und wie der Arti­kel von Frau Anony­mus hier auf Phan­ta­News zeigt, ist ein Blog auch ohne die­se Infor­ma­tio­nen für die Ver­la­ge bereits Gold wert. Die angeb­lich so wich­ti­ge Pro­fes­sio­na­li­sie­rung soll ein­zig dazu die­nen, euch klas­si­fi­zie­ren zu kön­nen. Sprich: Wo lohnt sich die Inves­ti­ti­on von Zeit und Res­sour­cen, und wo nicht. Ver­la­ge geben im Gegen­satz zu dem was Frau Paul sagt, sogar sehr ger­ne Wer­be­bud­gets für euch aus, weil sie genau wis­sen, wie ziel­ge­nau die­ses Geld bei euren Lesern ankommt und direkt Käu­fe gene­riert, eben viel genau­er als sons­ti­ge Wer­be­maß­nah­men. Eben weil ihr für eure Leser inzwi­schen eine glaub­wür­di­ge­re Quel­le seid, als Wer­bung all­ge­mein, oder irgend­wel­che Profi-Journalisten.

Noch­mal ganz deut­lich: Es geht nicht um euch, die Blog­ger, oder eure Blogs. Die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung dient ein­zig und allein den Ver­la­gen und deren Interessen.

Von Herz­blut kann man nicht leben? Rich­tig. Aber das ist genau der Punkt: Blogs erhal­ten ihr Gewicht durch die Authen­ti­zi­tät des Betrei­bers, des­we­gen wer­den sie gele­sen, sogar abseits der Qua­li­tät der Tex­te. Und das ist auch einer der ursprüng­li­chen Grün­de für das Betrei­ben eines Blogs. Das ist eine Abkür­zung von »Web­log«, also eine Art Tage­buch im Web. Ja, es gibt pro­fes­sio­nel­le Blogs, die ein­zig dar­auf aus­ge­legt sind, Geld zu ver­die­nen. Dage­gen ist auch nichts ein­zu­wen­den. Aber die Auf­for­de­rung an alle Buch­blog­ger, sich gefäl­ligst zu pro­fes­sio­na­li­sie­ren, hal­te ich für eine Unver­schämt­heit, weil sie impli­ziert, dass gefäl­ligst jeder mit sei­nem Blog Geld zu ver­die­nen hat. Oder bes­ser: Für die Ver­la­ge Geld zu ver­die­nen hat, denn mehr als ein pop­li­ges Rezen­si­ons­exem­plar wol­len sie ja meist nicht rausrücken.

Und sie nennt ernst­haft »Herz­blut« und »Geschäfts­mo­dell« in einem Satz. Beklagt sich sogar dar­über, dass »die Blog­ger« kein ande­res Geschäfts­mo­dell fin­den, als Herz­blut. Ange­sichts sol­cher pur aufs Kne­te­ma­chen aus­ge­leg­ten Den­ke könn­te ich kot­zen. Nicht alles im Leben ist Geschäfts­mo­dell. Das Herz­blut, die Moti­va­ti­on, die Authen­ti­zi­tät der­je­ni­gen, die für die Ver­la­ge bis­her kos­ten­los Wer­bung machen, der­ar­tig abzu­kan­zeln, ist eine Stu­fe von  kapi­ta­lis­ti­scher Arro­ganz, die ich für gera­de­zu wider­lich halte.

Ver­dammt noch eins, wir haben 2016 und die Mög­lich­kei­ten des Webs, sei­ne Mei­nung zu sagen oder mit ande­ren zu kom­mu­ni­zie­ren, haben eben nicht in ers­ter Linie den Zweck, irgend­ei­nem Unter­neh­men mehr Koh­le zu gene­rie­ren, so ger­ne die das auch hätten.

Gra­fik Buch­blogs & Ver­la­ge von mir CC-BY

8 Kommentare zu „Buchblogs müssen sich professionalisieren? Einen Scheiß müssen Buchblogs!“

  1. Ja, das kann ich alles nach­voll­zie­hen, was Du sagst. Ehr­lich gesagt ist das der Grund, wes­we­gen ich mit Blog­gern nicht viel zu tun habe (und man­gels Kon­tak­te / Anstup­sen / freund­schaft­li­chem Wett­be­werb in arbeits­rei­che­ren Zei­ten den Blog ver­wai­sen lasse).

    Aller­dings sehe ich das ein biss­chen anders bzw. woll­te ergän­zen, dass Blog­ger nach mei­ner Erfah­rung sehr zah­len­fi­xiert und wett­be­werbs­ori­en­tiert sind – die­ses gan­ze Opti­mie­ren an Fol­lo­wern usw und die Klas­sen­ge­sell­schaft anhand der Grö­ße / Reich­wei­te hat mich davon abge­hal­ten, rich­tig viel mit ande­ren Blog­gern in Kon­takt zu tre­ten und Kon­takt zu halten. 

    Ich den­ke, die meis­ten Buch­blog­ger sind da schon sehr auf genau die Sachen bedacht, die den Ver­la­gen wich­tig sind, sie nut­zen nur nicht exakt die Tools, mit denen exakt die Infor­ma­tio­nen, die die Ver­la­ge haben wol­len, aus­ge­le­sen wer­den. Aber die­sen star­ken Wett­be­werb und Erfolgs­wil­len gibt es da schon seit Jah­ren. Bücher lesen und sich dar­über aus­tau­schen sind bei vie­len Leu­ten zweit­ran­gig geworden.

  2. Lie­ber Stefan,

    du hast 100% recht und es so gut auf den Punkt gebracht, dass dem im Grun­de nichts mehr hin­zu­zu­fü­gen ist. Und auch den Blog­gern muss man wohl nicht sagen, dass sie, so wie sie arbei­ten, so wie sie ihre Blogs betrei­ben, es genau rich­tig machen. Aber ich will die Gele­gen­heit nut­zen, den Blog­gern zu dan­ken, die ich als Kol­le­gen betrach­te, dass ihr »Geschäfts­mo­dell« Herz­blut ist. Genau­so wie bei fast allen Autoren. Was wäre Lite­ra­tur ohne Herz­blut? Dann bräuch­te man kei­ne Autoren, um Bücher zu schrei­ben, son­dern nur eine Abtei­lung aus Mar­ke­ting­stra­te­gien und Werbetextern.

  3. @Fia: Woher nimmst Du Dei­ne Annah­me, dass »Blog­ger sehr zah­len­fi­xiert und wett­be­werbs­ori­en­tiert« sind? Wel­che Zah­len hast Du erho­ben? In wel­chen Blogsparten?

    In mei­nem Augen ist das falsch. Es gibt »den Blog­ger« näm­lich gar nicht, die Blogos­phe­re ist äußerst inho­mo­gen. Und das gilt selbst dann noch, wenn man sich aus­schließ­lich auf Buch­blog­ger konzentriert.

  4. Der Arti­kel trifft den besag­ten Text­aus­zug recht gut. Bei dem, was da an »Pro­fes­sio­na­li­sie­rung« gefor­dert wird, fällt mir ein ganz ande­res Wort ein: Gleich­schal­tung. Ist wahr­schein­lich der Traum aller Kapi­ta­lis­ten. Es zeigt auch ganz deut­lich, wer noch nicht in 2016 ange­kom­men ist.
    Pro­fes­sio­na­li­sie­rung an sich ist ganz sicher ein anzu­stre­ben­des Ziel, auch für Blog­ger. Aber zur Pro­fes­sio­na­li­sie­rung gehört für mich nicht zwin­gend, auf der Kla­via­tur der Mar­ke­ting­in­stru­men­te spie­len zu müs­sen. Pro­fes­sio­na­li­sie­rung ist für mich das Bestre­ben, die eige­ne Bot­schaft so zu über­tra­gen, dass sie auf der ande­ren Sei­te auch ver­stan­den wird. Und – ganz ehr­lich: Mir sind hun­dert Leu­te, die mei­ne Tex­te ver­ste­hen, lie­ber als hun­dert­tau­send, die mei­nen Blog fin­den. Aber bit­te, jeder wie er es mag, noch ist Inter­net free for all.

    Trotz­dem muss ich auch etwas Kri­tik los­wer­den. Ich fin­de, hier wur­de eine Chan­ce ver­passt, etwas ande­res Wich­ti­ges dar­zu­stel­len, abge­se­hen von der Kapi­ta­lis­mus­kri­tik. Besag­te Key­note ist, mei­ner Mei­nung nach, extrem ambi­va­lent. Sie zeigt, trotz der aus wel­chem Grun­de auch immer in den Vor­der­grund gestell­ten For­de­rung nach »Pro­fes­sio­na­li­sie­rung«, den star­ken Wunsch, dass es eben nicht so pas­siert. Ich will hier nicht von Roman­tik spre­chen, son­dern eher davon, dass es einen tech­nisch unüber­wind­ba­ren Gegen­satz zwi­schen der Welt eines authen­ti­schen Blog­gers und der Anfor­de­rung nach Stream­li­ne-Pro­fes­sio­na­li­sie­rung gibt.
    Es ist nichts Ver­werf­li­ches, mit sei­nem Blog oder sei­nem You­tube-Kanal Geld zu ver­die­nen, solan­ge das offen­sicht­lich ist.
    Aber genau­so wich­tig sind all die ande­ren, »Erfolg­lo­sen«, die dafür sor­gen, dass die Viel­fäl­tig­keit von Lite­ra­tur zu dem kom­men kann, der sich dar­auf einlässt.

    Nach mei­ner Wahr­neh­mung ist die­se Key­note genau an die­ser Ambi­va­lenz gran­di­os geschei­tert. Was für mich die wich­tigs­te Bot­schaft ist.

  5. Pingback: Stöberrunde #3 | Fluchtpunkt Lesen

  6. Hi,

    ich bin gera­de durch die Stö­ber­run­de bei »Flucht­punkt Lesen« auf dei­nen Bei­trag auf­merk­sam gewor­den. Ich bin selbst Blog­ge­rin und habe das The­ma auch ein biss­chen verfolgt ^^

    Der Aus­schnitt ist ja wirk­lich … extrem *lach* Ich kann dar­über wirk­lich nur lachen, denn jeder muss doch sel­ber wis­sen, was er mit sei­nem Blog machen bzw. errei­chen möch­te. Du hast das pri­ma in Wor­te gefasst!
    Heut­zu­ta­ge darf man anschei­nend nichts mehr machen, was ein­fach nur Spaß macht ;)

    Liebs­te Grü­ße, Aleshanee

  7. Pingback: Stöberrunde #1 - Tommi und die Schmöker

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