Bandit bespricht: THE HIGHWAYMEN

THE HIGHWAYMEN – seit 29.03.2019 auf Netflix

Es war der bes­te Tag mei­nes Lebens, nach Süden zu rei­sen und den Tag mit Paul New­man zu ver­brin­gen. Nur reden über alle mög­li­chen Din­ge. Er ist ein erstaun­li­cher Typ. Es wäre mit Sicher­heit ein inter­es­san­tes Gespann gewe­sen, die bei­den zum drit­ten mal zusammen.
John Lee Han­cock in Enter­tain­ment Weekly

Red­ford hat sofort unter­zeich­net, und ist nach Con­nec­ti­cut geflo­gen um es sei­nem CLOU und BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID Mit­strei­ter anzu­prei­sen. New­man war mit an Bord, und bei­de arbei­te­ten sechs Mona­te selbst­stän­dig an der Ent­wick­lung des Dreh­buchs. Dann schlug der Krebs zu.
John Fus­co nach Zita­ten aus Vani­ty Fair

Dies ist eine Geschich­te, die kaum in Geschichts­bü­chern zu fin­den ist. Eine Welt im Umbruch. Ame­ri­ka erlebt das in ver­schie­de­nen Epo­chen immer wie­der. Miri­am »Ma« Fer­gu­son wur­de 1925 der ers­te weib­li­che Gou­ver­neur im Staa­te Texas. Sie war es, wel­che die Divi­si­on der Texas Ran­ger abschaff­te. Zu selbst­stän­dig, nicht zim­per­lich, meist unbe­re­chen­bar, und sie woll­ten sich nicht unter­ord­nen. Doch dann kam ein jun­ges Pär­chen wel­ches sich ob ihrer Skru­pel­lo­sig­keit der moder­nen Straf­ver­fol­gung voll­kom­men ent­zog. Und so erfor­dern dras­ti­sche Gege­ben­hei­ten eben dras­ti­sche Maß­nah­men. Da es die Texas Ran­ger nicht mehr geben soll­te, wur­den zwei von ihnen wie­der rekru­tiert, als Auto­bahn­po­li­zis­ten. Frank Hamer und Maney Gault, längst in Ren­te, viel zu alt, aber vom alten Schlag. Ihr nicht offi­zi­el­ler Auf­trag: Bon­nie und Cly­de regel­recht auszulöschen.

HIGHWAYMEN ist kein Action-Film, kein Film mit über­ra­schen­den Wen­dun­gen, kei­ne Geschichts­stun­de, kei­ne Bio­gra­fie. Und doch steckt von allem etwas dar­in. Zwei Män­ner die sich damit abge­fun­den haben, nicht mehr gebraucht zu wer­den. Die aber sofort erken­nen, was sie selbst gebraucht haben. Und das ist ver­bun­den mit sehr viel Schmerz, sowohl für ihre Geg­ner, als auch für Frank und Maney selbst. Nicht nur der kör­per­li­che, son­dern vor allem der emo­tio­na­le Schmerz. Sie wer­den nicht nur Geschich­te schrei­ben, son­dern auch ihre eige­ne Geschich­te bewäl­ti­gen. Wer Geschich­te schrieb war für die Öffent­lich­keit weni­ger von Inter­es­se, die Bewäl­ti­gung ihrer gemein­sa­men Ver­gan­gen­heit für bei­de aller­dings zwin­gend not­wen­dig. Zwei Män­ner im Wan­del der Zeit, deren Metho­den über­holt schei­nen, die sicht­bar zu alt sind, und die sich auf bei­den Sei­ten des Geset­zes kei­ne Freun­de machen.

Aus­la­den­de Land­schafts­bil­der stel­len sich dem eigent­li­chen Auf­trag ent­ge­gen. Kann sich der Süd­wes­ten wirk­lich so traum­wand­le­risch geben, wäh­rend das unbe­re­chen­ba­re Böse durch das Land zieht? Wäh­rend Kame­ra­mann John Schwart­z­man idyl­li­sche Impres­sio­nen auf den Bild­schirm bringt, wer­den die­se gleich­zei­tig zu mah­nen­den Zei­chen des Unheil­vol­len. So rich­tig kräf­ti­ge Far­ben gibt es aber nicht, ledig­lich in der Gebor­gen­heit der Vil­la des Gou­ver­neurs. Die Ein­stel­lun­gen ste­hen oft unge­wöhn­lich lan­ge, so wie das besänf­ti­gen­de Schluss­bild, wel­ches allein schon eine eige­ne Geschich­te erzählt.

John Fus­co hat viel in sein Dreh­buch hin­ein gepackt (ob etwas von New­mans und Red­fords Über­ar­bei­tun­gen ein­ge­flos­sen ist, bleibt unklar). Und es ist augen­schein­lich, dass Regis­seur Han­cock die­se Fül­le ger­ne ange­nom­men hat. Wobei etwas mehr Ein­sicht in die Ermitt­lun­gen von Hamer und Gault wün­schens­wert gewe­sen wäre. Eini­ge Spu­ren und Schluss­fol­ge­run­gen kom­men zu unver­mit­telt, ohne dass der Zuschau­er dar­an teil­neh­men könn­te. Umso erfreu­li­cher gestal­ten sich die Kon­fron­ta­tio­nen zwi­schen den High­way­men und dem FBI. Wo ers­te­re mit Bauch­ge­fühl und Erfah­rung immer vor­aus sind, stol­pert das FBI mit sei­nen neu­es­ten foren­si­schen Metho­den, von Fin­ger­a­b­rü­cken, Luft­über­wa­chung, über che­mi­sche Ana­ly­sen, immer hin­ter­her. Man kann es als alt­ba­cke­nes Hol­ly­wood-Kli­schee sehen, aber der Film bewegt sich eben in vie­le ver­schie­de­ne Rich­tun­gen, die alle ihre Bedeu­tung und Recht­fer­ti­gung haben.

Wo der Film aller­dings kei­ne Abstri­che macht, oder sich dem Hel­den­sche­ma unter­wirft, das ist das Psy­cho­gramm zwei­er Män­ner, die tun, was sie am bes­ten kön­nen. Aber mit dem geht eine schwe­re Last ein­her. Bei­de, Cos­t­ner wie Har­rel­son, haben jeder für sich eine sehr beein­dru­cken­de Sze­ne, wel­che ihre inne­re Zer­ris­sen­heit und eigent­li­che Moti­va­ti­on offen­bart. Denn auch wenn sie schon immer taten, was sie am bes­ten kön­nen, muss dies nicht immer gerecht­fer­tigt und not­wen­dig gewe­sen sein. Abge­se­hen von der ers­ten Wahl, hät­te John Lee Han­cock die Rol­len von Frank Hamer und Maney Gault nicht bes­ser besetzt haben kön­nen. Zwei Dar­stel­ler, die mit Mimik mehr aus­drü­cken kön­nen, als mit geschlif­fe­nen Dia­lo­gen, und geschlif­fe­ne Dia­lo­ge beein­dru­ckend zu ihren eige­nen Wor­ten wer­den lassen.

HIGHWAYMEN ist ein Film über Bon­nie und Cly­de, und doch sind sie im Film nie kennt­lich zu sehen, könn­ten aber mög­li­cher­wei­se irrele­vant sein. Erst im ent­schei­den­den Augen­blick sind ihre erschreck­ten Gesich­ter kurz ein­ge­schnit­ten. Zwei Gesich­ter die sich eben­falls in Hamers und Gaults Gedächt­nis ein­bren­nen wer­den, und auch damit wer­den sie leben müs­sen. Wie mit obs­zö­nen Sum­men, die für exklu­si­ve Inter­views gebo­ten wer­den, oder Mör­der die man am Rand der Hys­te­rie als Hel­den ver­ehrt. Die­se Geschich­te bewegt sich eben in vie­le ver­schie­de­ne Richtungen.

THE HIGHWAYMEN
Dar­stel­ler: Kevin Cos­t­ner, Woo­dy Har­rel­son, Kathy Baker, John Car­roll Lynch, Kim Dickens, Wil­liam Sad­ler u.a.
Regie: John Lee Hancock
Dreh­buch: John Fusco
Kame­ra: John Schwartzman
Bild­schnitt: Robert Frazen
Musik: Tho­mas Newman
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Micha­el Corenblith
132 Minuten
USA 2019

Bild­rech­te: NETFLIX

AutorIn: Bandit

2 Kommentare for “Bandit bespricht: THE HIGHWAYMEN”

sagt:

Abge­se­hen von den bei­den mar­kan­ten Prot­ago­nis­ten, die jeder für sich eine eige­ne Klas­se ver­kör­pert, fand ich den Strei­fen blass, fad und beige. Die fina­le Blut­or­gie, bei der sich der Hass der »Obrig­keit« gegen das von der Bevöl­ke­rung offen­bar umschwärm­te Gangs­ter­paar ent­lädt, macht es nicht besser.

Bandit

sagt:

Viel­leicht ist genau das der Punkt. HIGHWAYMEN ist grund­sätz­lich ein Film über zwei Cha­rak­te­re. Die eigent­li­che Jagd ord­net sich als Leit­fa­den unter. Blass, fad und beige wür­de ich auf kei­nen Fall unter­schrei­ben. Die »fina­le Blut­or­gie« sehe ich nicht als Ent­la­dung von Hass, son­dern als Kul­mi­na­ti­on der eige­nen Ver­gan­gen­heit. Aber mit ande­ren Inten­tio­nen wäre selbst­ver­ständ­lich auch ent­spre­chend ein ande­rer Film dar­aus geworden.

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