Bandit bespricht: AD ASTRA

AD ASTRA – Bun­des­start 19.09.2019

Im Vor­feld wur­de James Grays Visi­on von AD ASTRA immer wie­der mit Joseph Con­rads IM HERZ DER FINSTERNIS in Zusam­men­hang gebracht. Fil­misch gese­hen, voll­zieht die­ser vor­lie­gen­de Exkurs nicht den Wahn­sinn, wie ihn Fran­cis Cop­po­la mit Con­rads Vor­la­ge zele­brier­te. Aber AD ASTRA folgt im Grun­de der sel­ben nar­ra­ti­ven Struk­tur wie APOCALYPSE NOW. Man nimmt dem Film aller­dings nichts vor­weg, auch wenn die Ver­glei­che eigent­lich so viel offen legen. Von Anfang an macht er den Ein­druck, als wol­le er kein her­kömm­li­cher Film sein, son­dern viel­mehr eine nie enden wol­len­de Meta­pher. Erkennt­nis anstel­le von Unter­hal­tung. Am Ende wird man ver­ste­hen, war­um sich Brad Pitt als Pro­du­zent lan­ge und hart dafür ein­ge­setzt hat, dass AD ASTRA umge­setzt wird.

Mys­te­riö­se Ener­gie­wel­len bedro­hen das Leben auf der Erde. Die auf Dau­er töd­li­chen Bran­dun­gen kom­men offen­sicht­lich vom Pla­ne­ten Nep­tun. Ein vor Jah­ren geschei­ter­tes Expe­ri­ment ist schein­bar nie wirk­lich been­det wor­den. Als fähigs­ter Astro­naut des Welt­raum­kom­man­dos soll Major Roy McBri­de zum Nep­tun auf­bre­chen, um der Bedro­hung Ein­halt zu gebie­ten. Die Wahl von McBri­de hat aller­dings noch einen Hin­ter­ge­dan­ken: Ver­ant­wort­lich für die Expe­ri­men­te beim Nep­tun, war die ver­schol­le­ne Welt­raum­le­gen­de Clif­ford McBri­de. Roys Vater.

Bei der beschwer­li­chen Rei­se vol­ler Hin­der­nis­se stellt Co-Autor und Regis­seur James Gray ganz offen­sicht­lich die Wir­kung vor Logik. Kon­strukt vor Plau­si­bi­li­tät. Die eis­kal­te Ratio­na­li­tät von Pitts Figur des Roy McBri­de, wird stän­dig von Emo­tio­na­li­tät durch­bro­chen. Die Welt um ihn her­um, vor der sich der Major bewusst abschot­tet, trägt den Makel von Empa­thie, Wis­sens­drang, von schlich­ter Mensch­lich­keit. Eigen­schaf­ten, die einen auf­hal­ten, ablen­ken, auch töd­lich sein kön­nen. Im Job des Raum­fah­rers sowie­so. Für Roy gehört dazu auch die mensch­li­che Bin­dung. Fans und Freun­de von Brad Pitt dürf­ten sich bei die­sem Film schwer tun, erlebt man hier einen der abwei­sends­ten, gefühls­käl­tes­ten Film­cha­rak­te­re einer Groß­pro­duk­ti­on der letz­ten Jah­re. Abge­se­hen von Ryan Goslings Neil Arm­strong-Dar­stel­lung in FIRST MAN. Doch wäh­rend Arm­strong als sich selbst über­schät­zen­der Ego­ma­ne gezeigt wird, ist Pitts McBri­de stän­dig von Selbst­re­flek­ti­on und Zwei­fel beglei­tet. Sei­ne Schran­ken sind der Schutz vor den Varia­blen des Lebens, wäh­rend sein Job den unum­stöß­li­chen Natur­ge­set­zen und einer mathe­ma­ti­schen Unfehl­bar­keit in der Tech­nik unter­wor­fen ist.

Wie die meis­ten Main­stream-über­grei­fen­den Sci­ence-Fic­tion Fil­me ist die Rei­se ins wei­te Unbe­kann­te ein Exkurs ins Inne­re. Phi­lo­so­phisch unter­mau­er­te Sci­ence-Fic­tion, wo das gro­ße Gan­ze in einer Betrach­tung über den Mensch und schließ­lich über einen selbst kul­mi­niert. Das ist auch AD ASTRA, wie sei­ne jün­ge­ren Kol­le­gen INTERSTELLAR oder GRAVITY, aber eben auch DAS HERZ DER FINSTERNIS. Sci­ence-Fic­tion fun­giert nicht nur als Trä­ger gro­ßer Bil­der und uto­pi­scher oder dys­to­pi­scher Visio­nen, son­dern sie steht dem Men­schen gegen­über. Die Welt als sol­che ent­wi­ckelt sich wei­ter, unter­wirft sich den Ver­än­de­run­gen. Nur der Mensch als Indi­vi­du­um erstarrt inner­halb sei­nes Stre­bens.

Es ist viel Zeit ver­gan­gen, seit Brad Pitt mit frei­em Ober­kör­per neben Gee­na Davis auf einer Matrat­ze her­um sprang und die weib­li­che Welt nur mit sei­nem Cha­ris­ma in Rage ver­setz­te. Schon lan­ge ist er im Cha­rak­ter­fach ange­kom­men, doch hier zeigt er sich defi­ni­tiv von sei­ner beein­dru­ckends­ten Sei­te. Ein Mann, der, wie nur sehr weni­ge in die­sem Métier, ein­fach nur prä­sent sein muss. Beson­ders über­ra­gend zeigt er sich dann auch in den Sze­nen neben Urge­stein Donald Sut­her­land. Zwei Welt­klas­se-Dar­stel­ler, die nicht spie­len, und nicht mit Dia­lo­gen kom­mu­ni­zie­ren müs­sen. Aber weit gefehlt, der glaubt AD ASTRA wür­de sich in lan­gen ele­gi­schen Ein­stel­lun­gen von Schau­spie­lern selbst genug sein. Das Buch wirft sei­nen Figu­ren genug auf­re­gen­de Hin­der­nis­se in den Weg der Zukunft. Die­se gro­ßen, erhoff­ten Bil­der blei­ben kei­nes­wegs aus.

Ver­fol­gungs­jag­den auf dem Mond, wahn­sin­ni­ge Labo­raf­fen, Rake­ten­starts, Zwei­kämp­fe in Schwe­re­lo­sig­keit, die zwei­te mensch­li­che Hei­mat auf dem Mond, und der oft ver­nach­läs­sig­te Pla­net Nep­tun. Es wird gekämpft, geschos­sen und gelit­ten. Es gibt eine Zukunft, die nach­voll­zieh­bar und glaub­wür­dig ist, eine Welt die gera­de­zu die epi­schen Sequen­zen her­aus­for­dert. Doch Regis­seur James Gray ver­liert nie­mals sein Timing aus den Augen. Auch wenn an Action nicht gespart wird, bleibt AD ASTRA ein ruhi­ger Film. Manch­mal ist er sogar her­aus­for­dernd lang­sam. Doch die Geduld des Zuschau­ers wird nicht über­dehnt, son­dern Gray kann die Erwar­tungs­hal­tung auf­recht hal­ten, gera­de weil er Brü­che im Rhyth­mus der Insze­nie­rung ver­mei­det. Oft­mals ver­wei­gert der Film auch erklä­ren­de Dia­lo­ge, oder illus­tra­ti­ve Über­gän­ge. Wenn Roy über eine mög­li­che Moti­va­ti­on sei­nes Vater infor­miert wird, ant­wor­tet er nur mit einem leicht zu über­se­hen­den Nicken. Nicht nur, dass er ver­stan­den hat, son­dern glei­cher­ma­ßen über sei­nen Vater Bescheid weiß.

Die Ver­le­gung des Start­ter­mins, war nicht nur Test­vor­füh­run­gen und Nach­drehs geschul­det, wo der Film nicht son­der­lich wohl­ge­son­nen auf­ge­nom­men wor­den war. Hin­zu kam James Grays Anspruch, die best­mög­li­chen Effek­te gene­riert zu bekom­men. Doch durch den zeit­glei­chen Wech­sel zu den Dis­ney Stu­di­os, waren alle Effekt-Abtei­lun­gen wegen ALADDIN aus­ge­las­tet. Das sind natür­lich Kom­po­nen­ten, wel­che die Gerüch­te­kü­che sofort über­ko­chen las­sen. Unge­recht­fer­tigt, aber bei einem der­art ambi­tio­nier­ten und durch­weg kom­ple­xen Film unver­meid­lich. Dabei soll­te man sich nicht abschre­cken las­sen, weil AD ASTRA auf all sei­nen Ebe­nen viel zu zei­gen und zu geben hat. Man muss sich ein­fach dar­auf ein­las­sen, auf gute Sci­ence-Fic­tion, sowie ein anspre­chen­des Dra­ma. Eine über­zeu­gen­de Mischung, die klar macht, war­um Brad Pitt soviel dar­an gele­gen war, die­sen Film pro­du­ziert zu sehen.

AD ASTRA
Dar­stel­ler: Brad Pitt, Tom­my Lee Jones, Donald Sut­her­land, Kim­ber­ly Eli­se, Ruth Neg­ga, Loren Dean u.a.
Regie: James Gray
Dreh­buch: James Gray, Ethan Gross
Kame­ra: Hoyte Van Hoyte­ma
Bild­schnitt: John Axel­rad, Lee Hau­gen
Musik: Max Rich­ter
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Kevin Thomp­son
122 Minu­ten
USA – Chi­na 2019

Pro­mo­fo­tos Copy­right 20th CENTURY FOX

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