TRON: ARES – Deutschlandstart 09.10.2025
Spoilerfrei
Es war im Jahr 1982, als ein für die Zeit bahnbrechender Film in die Lichtspielhäuser kam und ich mit großen Augen im Kino saß. Da ich bereits damals ziemlicher Fan von Computern und insbesondere Computergrafik war, war dieser Film genau das Richtige für mich. Es sollte trotz diverser Ankündigungen bis ins Jahr 2010 dauern, bevor Disney es fertig brachte, mit TRON: LEGACY eine Fortsetzung in die Kinos zu bringen – man hatte schon nicht mehr damit gerechnet. Auch diese Fortsetzung fand mein Wohlgefallen, es war eine gelungene Mischung aus Bekanntem mit vielen kreativen Neuerungen, einer Menge Fetisch, eingängiger, zum Thema passender Musik von Daft Punk und einem am Computer verjüngten Jeff Bridges, damals erneut bahnbrechende Computergrafik.
Und auch wenn im Prinzip gleich ein weiterer Teil angekündigt wurde, bei der früh kommunizierte Ideen zu den Inhalten auch bereits viel mit dem aktuellen Film zu tun hatten, sollte es noch einmal 15 Jahre bis zu dieser Fortsetzung dauern.
Eins ist klar: Die Prämisse von TRON ist, dass es sich um ein Computermärchen handelt. Eine Welt im Computer, mit eigenen Gesetzen und mit sich selbst bewussten Programmen – das war 1982 schon etwas für Zuschauerinnen mit viel Fantasie, es wurde in der Fortsetzung konsequent weiter durchgezogen und ist auch in TRON: ARES ein zentraler Punkt. Wer mit diesem Computermärchen abseits jeglicher Realität und Naturgesetze nicht zurechtkommt, der ist in allen drei Filmen sicherlich falsch. Alle anderen bekommen genau das: Ein Computermärchen – das sich diesmal sogar in der vermeintlich realen Welt ausbreitet.
Die Inhalte von TRON: ARES könnten eigentlich aktueller nicht sein, denn es geht natürlich um künstliche Intelligenz, also KI. Und das ist bekanntermaßen in letzter Zeit, DAS Hype-Thema schlechthin. Angesichts dessen könnte man Drehbuchautor und Regisseur vielleicht vorwerfen, dass sie sich in Sachen dieses Themas vielleicht ein wenig leicht aus der Affäre gezogen haben. Das dachte ich auch zuerst und wollte darob verstimmt sein. Mit einer Stunde Abstand und während ich das hier tippe, komme ich aber zu einem anderen Schluss: Wie ich schon schrieb: Es handelt sich um ein Computermärchen – und da wäre allzu viel Realität vermutlich äußerst fehl am Platze gewesen. Und so bleibt es philosophisch auf zuschauerinnenfreundlichem Mainstream-Niveau und es geht »nur« um Selbstbestimmung und Selbstfindung. Komplexere Betrachtungen wären sicher möglich gewesen, aber ich kann nachvollziehen, warum man zugunsten des TRON-Feelings in einem Actionfilm darauf verzichtet hat. Es wäre in der Hinsicht mehr möglich gewesen, dass man darauf verzichtet hat geht aber in Ordnung.
Ich hatte etwas Sorge wegen Jared Leto. Den hielt ich bislang für deutlich überbewertet und zu selbstverliebt und er hatte mir weder in BLADE RUNNER 2045, noch in MORBIUS gefallen. Deswegen ging ich skeptisch in diesen Film, denn ich befürchtete mehr von dem typischen Leto-Getue. Und wurde äußerst positiv überrascht, denn auch wenn er die Haupt- und Titelrolle spielt, versucht er weder allen anderen die Show zu stehlen, noch ist er allein der Dreh- und Angelpunkt von ARES. Und auch die Wandlung vom programmierten KI-Supersoldaten hin zu einem fühlenden Wesen (man sollte eben aufpassen, womit KIs sich trainieren) stellt er äußerst ansehnlich dar. Dabei wandelt sich auch seine Mimik von ausdruckslos-stoisch hin zu echten Emotionen. Das ist der erste Film, in dem mir Leto wirklich gut gefallen hat.
Und er lässt auch der anderen Hauptperson in TRON: ARES, Greta Lee als ENCOM-Chefin Eve Kim, reichlich Platz, zu spielen. Wobei man sich natürlich immer darüber im Klaren sein muss, dass es sich hier eben um einen Computermärchen-Actionfilm handelt, der für nuancierte Charakterdarstellungen eigentlich keinen Platz lässt. Ebenfalls sehr gut gefallen hat mir Jodie Turner-Smith, die in ihrer Rolle als Athena durchaus Terminatoren channelt.
Denn wie man es bei einer TRON-Inkarnation erwarten würde, stehen hier natürlich die eyecandy-VFX deutlich im Vordergrund. Und da wird auch ordentlich etwas geboten, glücklicherweise in zurückgenommenem 3D, denn das dreidimensionale hätte aus künstlerischer Sicht schief gehen können. Die 3D-Version ist aber nur ein nettes Gimmick, ich denke, dass man sich TRON: ARES genauso gut und ohne Verlust an Spaß oder Staunen in 2D ansehen kann.
Die VFX sind reichlich vorhanden und stellenweise auch überbordend, jedoch in aller Regel so sauber präsentiert und geschnitten, dass es keine Zuschauerin überfordern dürft; Kameramann Jeff Cronenweth hat hier zusammen mit dem Cutter Tyler Nelson und den VFX-Teams wirklich gute Arbeit abgeliefert, um immer wieder spektakuläre Szenerien abzuliefern, aber da so sauber aneinanderzureihen, dass man eigentlich immer weiß, wo man sich gerade befindet.
Der Clou in ARES ist natürlich, dass die Vorzeichen diesmal umgekehrt sind: In dieser Fassung werden nicht Menschen aufs Spielraster geschickt, sondern Programme und Gerätschaften aus der virtuellen Welt werden in unsere Realität materialisiert; das ist auch kein Spoiler, das haben uns die Trailer bereits verraten (meiner Ansicht sogar zu viel verraten).
Hatte ich mich nach Betrachten der Trailer gefragt, wie sie die Technik aus der virtuellen Welt und deren Effekte in der Realität erklären wollten, weiß ich jetzt: Das tun sie nicht. Und streng genommen passt natürlich auch das in die Computermärchen-Prämisse: So wenig wie man für TRON erklärt bekommen muss, warum es diese Welt mit ihren Bewohnern im Computer gibt, so wenig muss man erklärt bekommen, warum das alles plötzlich auch in der Realität funktioniert. Einfach zurücklehnen, hinnehmen und freuen.
Was leider sehr nervig war: Offenbar war man ziemlich stolz darauf, dass man Nine Inch Nails als Soundtrack-Produzenten und ‑Komponisten gewinnen konnte. Musikalisch kann man diese Wahl natürlich auch nachvollziehen. Wo allerdings Daft Punk in TRON: LEGACY einen eingängigen Soundtrack mit auch außerhalb des Films sehr hörbaren Stücken ablieferten, verlegten sich NIN hauptsächlich auf Gedröhne und Verzerrungen. Und eigentlich mag ich NIN – aber was hier abgeliefert wurde, blieb in meinem Ohren weit hinter den Möglichkeiten von Trent Reznor und Atticus Ross zurück. Erschwerend kommt hinzu, dass man dermaßen stolz auf NIN war, dass man es mit der Musiklautstärke deutlich übertrieben hat. Im Vergleich zur restlichen Tonspur wird einem der musikalische Soundtrack mit deutlich überhöhter Lautstärke um die Ohren gehauen. So laut, dass es nervt, und mich nervt sowas normalerweise nicht schnell (Reznor und Ross waren ausführende Produzenten, ob die auf der Lautstärke bestanden haben?). Glücklicherweise hatte man wenigstens das Einsehen, bei Dialogen in den meisten Fällen auf den Lärm zu verzichten. Ich hoffe, dass es später auf Konserve eine neu abgemischte Version geben wird.
Das ist aber im Prinzip auch mein einziger Kritikpunkt (vielleicht noch, dass ein klein wenig Humor dem Film gut getan hätte, denn Humor war immer ein zentraler Punkt in TRON – es ist welcher vorhanden, hätte aber meiner Ansicht nach mehr sein dürfen). Ansonsten bekommt man eine sehr sehenswerte, äußerst stylische und überaus unterhaltsame neue TRON-Version präsentiert, die bekannte Versatzstücke konsequent weiter führt und geschickt mit Nostalgie spielt; Langeweile kommt in keiner Minute auf. Glücklicherweise hat man es auch unterlassen, die echte Überraschung, die insbesondere TRON-Fans der ersten Stunde wie mich erfreut hat (mehr kann ich hier dazu wegen der Spoiler nicht sagen) schon im Trailer zu zeigen. Auch wenn TRON: ARES ein durch und durch moderner Film ist, vermeinte ich in Umsetzung und Inszenierung deutliche Verneigungen in Richtung einschlägiger Genre-Filme aus dem 1980er Jahren zu erkennen.
Und wenn man die Szenen am Ende so interpretiert, wie man es eigentlich muss, dann kann man schon unterstellen, dass es noch einen Teil geben soll. Vielleicht sogar mit dem am Anfang unzeremoniell aus der Story geschriebenen Sam Flynn – die Andeutungen auf eine Fortsetzung sind gegen Ende mehr als deutlich.
Wollen wir hoffen, dass sich genug Zuschauerinnen ins Kino verirren und dass wir nicht wieder 15 Jahre auf eine Fortsetzung warten müssen. Von mir aus sehr gern mehr davon! Aber ich bin halt auch Fanboi.
TRON: ARES
Besetzung: Jared Leto, Greta Lee, Evan Peters, Gillian Anderson, Jodie Turner-Smith, Jeff Bridges, Hasan Minhaj, Arturo Castro, Cameron Monaghan, Sarah Desjardins, Aaron Paul Stewart u.v.a.m.
Regie: Joachim Rønning
Drehbuch: Jesse Wigutow
Produzenten: Sean Bailey, Steven Lisberger, Emma Ludbrook, Jeffrey Silver, Justin Springer, Jared Leto
Ausführende Produzenten: Russell Allen, Joseph Kosinski, Trent Reznor, Atticus Ross
Kamera: Jeff Cronenweth
Schnitt: Tyler Nelson
Musik: Nine Inch Nails
Produktionsdesign: Darren Gilford
Casting: Dylan Jury, Debra Zane
119 Minuten
USA 2025
Promofotos Copyright Walt Disney Pictures und 20th Century Studios