DUNGEONS & DRAGONS – HONOR AMONG THIEVES
Deutschlandstart 30.03.23
Wenn es jemandem zu gut geht, dann macht er einen Film oder eine Serie zum Thema STAR TREK. Oder einen STAR WARS-Film. Neuerdings vielleicht auch einen aus dem Marvel Cinematic Universe. Überall hat man die Möglichkeit, insbesondere sogenannte und selbsternannte Hardcore-Fans zu verärgern, die, wie wir inzwischen aus zahllosen Shitstörmchen wissen, die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Oder das zumindest meinen.
Wenn es aber vermutlich ein Thema gibt, das alle Nerdinnen seit den 1970er Jahren übergreifend kennen, dann ist das DUNGEONS & DRAGONS. Und deswegen dürfte hier die Gefahr eines Fan-Aufstands apokalyptischen Ausmaßes noch viel größer sein als bei den eben genannten Themen.
Gemacht haben sie ihn trotzdem.
Hasbro hatte bei DUNGEONS & DRAGONS – HONOR AMONG THIEVES seine Finger ebenso im Spiel, wie Wizards Of The Coast, die Rechteinhaber, denn TSR gibt es schon lange nicht mehr. Und jetzt wird auch klar, warum die Manageretagen der beiden Firmen versucht haben, die Open Game License zurückzunehmen: Es ist abzusehen, dass dieser Streifen äußerst populär werden wird und neue Interessierte zum Spiel spült. Diese kommende Kohle wollte man selbstverständlich gern großflächig selbst abgreifen.
Hat man vorher die Trailer betrachtet gab es tatsächlich Anlass zur Sorge, denn ein dort gezeigtes Amalgam aus Fantasy hinterlegt mit Rockmusik kann tatsächlich auch schwer in die Plattenhose gehen, insbesondere wenn das auch noch mit witzelnden Sprüchen garniert wurde.
Glücklicherweise hat man auf die Rockmusik aus den Trailern im Film selbst vollständig verzichtet und auf einen der üblichen episch-orchestralen Soundtracks zurückgegriffen – vielleicht mal abgesehen von den wenigen kurzen Gesangseinlagen des Barden-Rogues (Doppelklasse), die erinnern allerdings eher an Versengold als an Van Halen.
DUNGEONS & DRAGONS-Kennerinnen bekommen selbstverständlich das Erwartete geboten und das trotz der zahllosen (wirklich guten) Gags auf eine äußerst respektvolle Art und Weise. Der Film strotzt nur so von Zitaten aus den zahllosen Regelwerken und Quellenbüchern, egal ob es nun Kreaturen, Begriffe, Namen oder Zaubersprüche angeht (tatsächlich ist es noch viel spannender an den in-your-face-Referenzen vorbei zu schauen, was da am Rande noch alles an Ostereiern eingebaut wurde ist wirklich bemerkenswert und wird Youtuber vermutlich wochenlang beschäftigen). Und selbstverständlich wurde die Handlung in die Forgotten Realms verlegt, vermutlich eine der beliebtesten Kampagnensettings der Vorlage. Da fallen dann Namen wie »Baldur´s Gate« oder Sword Coast, man schleicht durch Underdark und maßgebliche Teile der Handlung spielen in Neverwinter (Ich habe die Begriffe hier im Sinne der geistigen Gesundheit meiner Leserinnen im englischen Original gelassen und nicht die stellenweise erschreckend grottigen aus der deutschen Synchro genommen – ich weiß, ich nörgle immer über die, aber ich habe mir schon LANGE nicht mehr so sehr gewünscht, einen Film sofort nochmal zu sehen, aber BITTE im englischen Original. Okay: Ich bin befangen, ich habe das Zeug schon in den 80ern in englischer Sprache gespielt).
Und es kommt zudem wirklich nicht ganz unerwartet, wenn wir es mit … öh … Rollenklischees zu tun bekommen, wenn auch eben in einem anderen Zusammenhang in dem die üblicherweise Verwendung finden: Selbstverständlich haben wir in der Heldengruppe klar erkennbare Charakterklassen. Der charismatische Bardenrogue (Doppelklasse gelevelt), der Zauberer (dass der Simon heißt, wollen wir ihnen entweder anrechnen oder vergeben), die Barbarin, die Tiefling-Druidin und der salbadernde Paladin. Sie nehmen die Rollenklischees ernst – und sie nehmen sie auf eine äußerst erfrischende und positiv zu bewertende Art und Weise ernst. Überhaupt sind Klischees hier geradezu zwingend notwendig, um dem Vorbild gerecht zu werden.
DUNGEONS & DRAGON hat eine gewisse Cheesyness, das dürfte niemanden überraschen, die schon mal mit der Pen&Paper-Vorlage in Berührung gekommen ist. Die Gratwanderung war, diese Cheesyness so in einen Film zu übertragen, dass es nicht ins Alberne und Fremdschämende ausartet, was leicht hätte passieren können. Und ich kann hocherfreut vermelden, dass die Macher dieses Wunder von paladinösen Ausmaßen vollbracht haben. Wobei auch die typischen Sprüche, von denen sich etliche eine Spielergruppe am Tisch gegenseitig drücken würden, dann irgendwie ins Gesamtbild passen und nicht – wie ich vorher befürchtet hatte – stören.
Der in meinen Augen ganz große Wurf ist dabei allerdings, dass die Macher es geschafft haben, eben KEINEN Fantasy-Film ausschließlich für D&D‑Fanninnen gemacht haben. Selbst wer keine Ahnung vom Setting hat, kann problemlos folgen und eine Menge Spaß mit HONOR AMONG THIEVES haben, verpasst halt eben »nur« die Myriaden an Anspielungen.
Das liegt neben der durchgängig unterhaltsamen Handlung nach einem bemerkenswert stringenten und qualitativ hochwertigen Drehbuch (das sich keine Patzer und unnötige Abkürzungen leistet – außer denen, die themenimmanent sind und sein müssen) am spritzigen Zusammenspiel aller Protagonisten, die alle merklich Bock hatten, und einem atemberaubenden Tempo and unzählbar vielen kleinen und großen irren Ideen (die Gestaltwandler-Hatz ist die innovativste Verfolgungsjagd, die ich seit langem im Kino gesehen habe) und verrückten Wendungen. Die rühren zum einen aus der Story, aber auch aus dem Hintergrund, bei dem man annehmen könnte, dass hier endlich mal jemand das durchdacht hat, was bei diesem oder jenem magischen Gegenstand oder Spruch tatsächlich passieren könnte (tatsächlich habe ich den Eindruck, dass man hier auf jahrzehntelange Erfahrungen leidgeprüfter Gamemasterinnen am Spieltisch zurückgreifen konnte).
Habe ich tatsächlich nichts zu meckern? Nein, habe ich nicht. Man muss darauf vorbereitet sein, was man bekommen wird und die Trailer geben tatsächlich einen Eindruck davon, zeigen aber nicht, dass in DUNGEONS & DRAGONS – HONOR AMONG THIEVES viel mehr steckt als eine platte Neuinkarnation eines Spieleklassikers auf der großen Leinwand, wie sie in der Vergangenheit schon so oft verkackt wurde. Das ist nebenbei auch noch ein richtig guter, hochunterhaltsamer und witziger, moderner Fantasyfilm.
Ich vergebe zehn von zehn fette Drachen und lege sogar noch einen Gelatinewürfel oben drauf! Denn das ist abseits vom offensichtlichen Fanservice ein richtig guter Film – wenn man zur Zielgruppe gehört.
p.s.: Achtet in der Arena mal auf die anderen Gruppen, die da im Hintergrund rumwuseln.
DUNGEONS & DRAGONS – HONOR AMONG THIEVES
Besetzung: Chris Pine, Michelle Rodriguez, Regé-Jean Page, Justice Smith, Sophia Lillis, Hugh Grant, Chloe Coleman, Daisy Head und viele andere
Regie: John Francis Daley & Jonathan Goldstein
Drehbuch: Jonathan Goldstein, John Francis Daley, Michael Gilio
Produzenten: Nick Meyer, Jeremy Latcham, Brian Goldner
Ausführende Produzenten: John Francis Daley, Zev Foreman, Jonathan Goldstein, Greg Mooradian, Chris Pine, Chris Pine
Kamera: Barry Peterson
Schnitt: Dan Lebental
Musik: Lorne Balfe
Produktionsdesign: Ray Chan
Casting: Victoria Thomas
134 Minuten
USA 2023
Promofotos Copyright Paramount Pictures