THE DEVIL INSIDE kommt nicht heraus

Man darf nicht müde wer­den zu beto­nen, dass der Found-Foo­ta­ge-Hor­ror lan­ge tot ist. Und auch die von sich selbst am über­zeug­tes­ten Film­schaf­fen­den soll­ten das end­lich ein­mal ver­in­ner­li­chen. Einem Film gegen­über pole­misch zu wer­den, hilft weder dem Film noch einem inter­es­sier­ten Publi­kum. Pole­mik gibt ledig­lich eine undif­fe­ren­zier­te Mei­nung wie­der. Eine objek­ti­ve Bespre­chung hin­ge­gen kann aus einem all­ge­mein schlech­ten Film noch den einen oder ande­ren posi­ti­ven Punkt her­aus­ho­len. So hat STAR WARS die wohl umständ­lichs­ten und manch­mal haar­sträu­bends­ten Dia­lo­ge, und man könn­te schrei­ben, dass die­ser Film wegen die­ser hane­bü­che­nen Dia­lo­ge nicht aus­zu­hal­ten ist. Aber jeder, der die­se Zei­len liest, weiß genau, wel­chen Ein­fluss die Geschich­te auf das Publi­kum trotz allem hat­te. Natür­lich ist es schänd­lich, in einem Ver­gleich zu DEVIL INSIDE aus­ge­rech­net STAR WARS her­an­zu­zie­hen. Doch wer wür­de nicht lie­ber über STAR WARS reden, wenn er über DEVIL INSIDE zu schrei­ben hat.

Übri­gens war es Geor­ge Lucas´ Busen­freund Fran­cis Ford Cop­po­la, der als ers­ter die Vor­zü­ge der digi­ta­len Tech­nik zu prei­sen wuss­te und eine groß­ar­ti­ge Zukunft für die Ori­gi­na­li­tät des Kinos her­auf­be­schwor. Onkel Fran­cis mein­te, dass es finan­zi­ell jedem mög­lich sei, sich fort­an selbst­zu­ver­wirk­li­chen. Das war vor fast drei­ßig Jah­ren, und so frei­geis­tig wie ich mei­nen Freund FFC ken­ne, hät­te er auch die Anstren­gun­gen von Wil­liam Brent Bell gut­ge­hei­ßen. Aber das dürf­te er nicht, weil alles irgend­wo sei­ne Gren­zen haben muss. Als Cut­ter, Autor und Regis­seur hat Wil­liam Brent Bell die­se Gren­zen auf sträf­li­che Wei­se über­schrit­ten. Der Teu­fel steckt hier nicht im Detail, son­dern ist von allen guten Geis­tern verlassen.

Eine Doku­men­ta­ti­on möch­te man vor­täu­schen, im Ernst? Wenn ich im Stil einer Doku­men­ta­ti­on insze­nie­re, muss ich doch zumin­dest die grund­le­gen­den hand­werk­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ken­nen. Micha­el Schae­fer heißt der Kame­ra­mann im Film, der laut Wer­be-Web­site ein »preis­ge­krön­ter Doku­men­tar­fil­mer« sein soll. In Wirk­lich­keit war Gon­za­lo Amat für die Kame­ra­bil­der ver­ant­wort­lich, und er ist mit Abstand einer der unfä­higs­ten Kame­ra­män­ner, die ein Publi­kum mit ver­wa­ckel­ten Bil­dern pene­trie­ren durf­ten. Von der ers­ten bis zur letz­ten Film­mi­nu­te erin­nert nichts, aber auch gar nichts an das For­mat einer mit erns­ten Absich­ten gedreh­ten Doku­men­ta­ti­on. In Rea­li­tät wür­de nicht ein­mal ein schlech­ter Kame­ra­mann wäh­rend expli­zi­ter Aus­sa­gen einer Per­son von die­ser irgend­wo­hin schwen­ken und an der Brenn­wei­te spie­len. Was der Film als Kon­zept ver­kau­fen möch­te, ist hand­werk­li­cher Unsinn. Sicher­lich haben die Macher an Rea­lis­mus gedacht, wenn stän­dig die agie­ren­den Per­so­nen aus dem Fokus ver­schwin­den, man von ihnen weg­schwenkt und das Bild am bes­ten ganz ner­vös ver­wa­ckelt. Es ist nicht real, es ist ärger­li­che Igno­ranz gegen­über der wirk­li­chen Zunft.

War­um will sich Isa­bel­la Ros­si mit der Kame­ra beob­ach­ten las­sen, wenn sie den zwan­zig Jah­re zurück­lie­gen­den Ereig­nis­sen um ihre Mut­ter nach­spürt? »Weil ich für mich selbst Gewiss­heit haben muss.« Ach wirk­lich? Zwei Pries­ter, die sich fil­men las­sen, wenn sie einen nicht ganz lega­len Exor­zis­mus durch­füh­ren möch­ten. Im Ernst? Vier Kame­ra­per­spek­ti­ven im Kran­ken­zim­mer, wenn nur zwei Kame­ras anwe­send sind. Muss das sein? Und über­haupt, war­um hat man alles, aber auch alles, was die­sen Film so unheim­lich und span­nend und unheim­lich span­nend machen soll schon so oft gese­hen? In den letz­ten 20 Minu­ten gibt es drei mar­kan­te Hand­lungs­punk­te, die mit ein biss­chen Ver­stand, etwas Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und ein wenig Film­ver­ständ­nis wirk­lich eine über­ra­schend effi­zi­en­te Schock­wir­kung gehabt hät­ten. Aber eine nicht vor­han­de­ne Insze­nie­rung lässt das Über­ra­schungs­mo­ment bereits am Beginn der Sze­ne klar erken­nen. Das könn­te unfrei­wil­lig komisch sein, aber bei den heu­ti­gen Ein­tritts­prei­sen ist es nur sehr ärgerlich.

Als Fran­cis Cop­po­la ein Pas­ta-Rezept in das Dreh­buch von DER PATE ein­füg­te, hat­te er die­ses Rezept auch erst bei Mama recher­chiert. Es gibt eben Fil­me, denen merkt man mit jedem Bild an, wie sehr dar­an gear­bei­tet wur­de. Wo Bil­der, Ton und Tem­po auf­ein­an­der abge­stimmt, wie Dia­lo­ge umge­schrie­ben und geschlif­fen wur­den. Wil­liam Brent Bell hat sich ganz offen­sicht­lich und schwer zu über­se­hen ein­fach nur hin­ge­setzt und gedacht, dass ja alles nicht so schwer sein kann. Dar­un­ter müs­sen die lei­den, die nicht nur viel Geld aus­ge­ben, son­dern auch 83 Minu­ten ihrer Lebens­zeit opfern. Das ist der wah­re Hor­ror. Die ers­te Schrift­ta­fel gibt dem Zuschau­er zu beden­ken: »Die­ser Film wird vom Vati­kan nicht gebil­ligt«. Kann ich denn so etwas glau­ben? Eine objek­ti­ve Bespre­chung kann aus einem all­ge­mein schlech­ten Film noch den einen oder ande­ren posi­ti­ven Punkt her­aus­ho­len. Ich habe die­sen Punkt bei DEVIL INSIDE nicht gefunden.

THE DEVIL INSIDE
Dar­stel­ler: Fer­nan­da And­ra­de, Simon Quar­ter­man, Evan Hel­muth, Ionut Gra­ma, Suzan Crow­ley, Bri­an John­son u.a.
Regie: Wil­liam Brent Bell
Dreh­buch: Wil­liam Brent Bell, Matthew Peterman
Kame­ra: Gon­za­lo Amat
Bild­schnitt: Wil­liam Brent Bell, Tim Mirkovich
Musik: Brett Detar, Ben Romans
zir­ka 83 Minuten
USA 2012

Views: 0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen