Kann winzige Spuren von Spoilern enthalten
Es war wirklich kein leichtes Erbe, das James Gunn anzutreten hatte. Das sogenannte DCEU, also das DC Expanded Universe, war eine Ansammlung von meist eher durchschnittlichen bis schlechten Filmen, mit einzelnen Highlights. Aber alles in allem war das sogenannte Snyderverse eine Vollkatastrophe. Das mag daran liegen, dass Zack Snyder meiner Ansicht nach überschätzt ist. Nach den bahnbrechenden 300 und SUCKER PUNCH nahm man wohl an, dass er für DC und Warner an den enormen Erfolg des Konkurrenten-Produkts MCU anknüpfen könne. Doch mir zumindest hing das grimdark-Zeugs ziemlich schnell zum Hals raus. Erschwerend kam hinzu, dass HIPPOs bei Warner offenbar ständig an den Filmen herumpfuschten (HIPPO = HIghest Paid Person Opinion, wenn sich Manager ohne Ahnung, aber mit viel Meinung, in Projekte einmischen). Und seit dem ganz elenden REBEL MOON wissen wir, dass Snyder definitiv nicht das Genie ist, für das er lange gehalten wurde.
Das verhunzte DCEU war das eine Problem, das Gunn hatte. Das andere Problem ist die Figur des SUPERMAN. Zum einen war zuletzt Henry Cavills Darstellung – abgesehen von den mäßigen Drehbüchern – schon ziemlich gut. Zum anderen: Wie soll man eine schier unbesiegbare Figur mit zahllosen übermenschlichen Kräften inszenieren? Sups hat ja nun nicht nur eine Superfähigkeit, sondern gleich reichlich davon.
Als erstes hat Gunn sich vom Grimdark-Ansatz getrennt, wofür allein man ihm schon dankbar sein sollte. Doch das führt zu ganz anderen Problemen, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde.
Zuerst die guten Nachrichten: David Corenswet funktioniert als Kal-El/Clark Kent/Superman ganz ausgezeichnet. Unter anderem, weil er halt dieser einnehmende Schwiergermutterlieblingstyp ist, aber auch, weil man darauf verzichtet hat, ihm einen Anzug mit modellierten Muskeln zu verpassen. Weil er der Figur eine dringend notwendige menschliche Komponente gibt, umso mehr, als er ein Alien ist; er ist einfach ein netter Kerl, der zufällig über Superkräfte verfügt (und an der Stelle ist er stellvertretend für alles, was wir in Sachen SUPERMAN-Backstory und ‑Entwicklung seit Reeve gesehen haben, genau der richtige Schauspieler an der richtigen Stelle, der all das Vergangene seit den 1970ern in sich zu vereinen vermag).
Und: es ist tatsächlich der klassische blaue Anzug mit der roten Badehose geworden, aber das wussten wir schon. Gunn wollte es eben gern klassisch – und die Reminiszenzen an den das frühe Vorbild, also Christoper Reeve, sind allenthalben vorhanden und auch unüberseh- und hörbar. Man könnte fast sagen, Gunn möchte sich bei einem gewissen Teil des Fandoms anbiedern, aber ein wenig Fanservice geht ja bei sowas völlig in Ordnung, vor allem nach den DC-Kinoenttäuschungen des vergangenen Jahrzehnts. Corenswet schafft es (meistens), das Badehosen-Ding nicht peinlich aussehen zu lassen.
Glücklicherweise hat man davon abgesehen, noch eine Origin-Story zu präsentieren und lässt alles das, was sonst in SUPERMAN-Filmen abgehandelt wird, gleich außen vor. Also kein Smallville, kein »Clark Kent wird Reporter beim Daily Planet« und auch kein »Lois & Clark müssen sich erst zusammenfinden«. Das ist zum Zeitpunkt der Handlung alles bereit geschehen – und vermutlich kennen 99% der Zuschauerinnen, die für diesen Film ins Lichtspielhaus gehen, ohnehin bereits alle möglichen Variationen dieser Geschichte. Positiv daran ist, dass man sich nicht nochmal ansehen muss, was man schon ungeheuer oft gesehen oder gelesen hat. Negativ daran ist, dass das für andere Figuren zu Motivationsproblemen führt, weil ihre Beweggründe nicht hinreichend ausgearbeitet wurden.
Auch Rachel Brosnahan als Lois Lane entledigt sich ihrer Aufgabe gut und die Chemie zwischen ihr und Superman stimmt. Leider bekommt sie im Verlauf der Geschichte weniger zu tun, als ich mir gewünscht hätte, Handlung und Inszenierung konzentrieren sich doch ganz eindeutig auf die Titelfigur. Aber wenn Lois und Clark (sorry) ruhige Szenen miteinander haben, dann kauft man ihnen die unübertrieben gespielte Zuneigung ohne Frage komplett ab. Auch wenn sie sich mal streiten.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass SUPERMAN kein schlechter Film ist. Er ist überaus unterhaltsam, die knapp über zwei Stunden gehen wie im Flug dahin und Faninnen des blauroten Wunders bekommen jede Menge Fanservice, ebenso wie DC-Freundinnen allgemein.
Dennoch hat der Film leider Schwächen. Zum einen kann Gunn sich nicht entscheiden, ob er nun ein Drama oder eine Komödie inszenieren möchte. Das klappt leider nicht immer und man muss sich wundern, hat er doch diese Gratwanderung bei GUARDIANS OF THE GALAXY stets zu bewältigen gewusst. In SUPERMAN stimmt leider das Timing aus Drama und mehr oder weniger flachen Gags nicht immer und bisweilen wirken letztere ziemlich fehl am Platz. Das ist sehr schade, denn wenn das gekonnter inszeniert worden wäre, hätte es den Film deutlich verbessert. Dramatik mit Gags zu durchbrechen, das habe ich im MCU – und sogar von diesem Regisseur – schon mal handwerklich deutlich besser gesehen. Manche Jokes sind wirklich gut, andere sind gut aber schlecht getimed, wieder andere überflüssig und cringy (das gilt übrigens auch für die Post-Credits-Szene, das ist eine der schlechtesten, die ich je gesehen habe und man sitzt nach einem eigentlich ganz okayen Film in Kino und denkt: »WTF? Musste das denn jetzt wirklich sein?«. Das war wirklich ärgerlich und überflüssig).
Dazu konnte ich mich im Kinosessel sitzend des Eindrucks nicht erwehren, dass ein wenig mehr Stringenz der Handlung dem Film sehr gut getan hätte. Ich hatte bisweilen den Eindruck, dass es weniger eine Handlung gab, als vielmehr eine Aneinanderreihung von Versatzstücken und Sequenzen, denen nach meinem Gefühl der Zusammenhalt und eben die inhaltliche, inszenatorische Schlüssigkeit und der Zusammenhang fehlte. Man verstehe mich nicht falsch: Das ist alles überaus kurzweilig, aber wirkte auf mich eben in Teilen etwas … zusammengestückelt, nicht wie aus einem Guss.
Zwischendurch schimmert Gunns bekannte Genialität durch, wenn Lois und Clark (sorry) eine Szene haben, im Hintergrund … Dinge passieren und Kal-El sich nicht einmischt, weil das die … äh … .Justice-Figuren das selber hinbekommen Solcherlei Kleinodien gibt es im Verlauf des immer wieder.
Und dann ist da noch Lex Luthor. Nicholas Hoult kennt sich mit Glatzenträgern aus, hatte er doch diesen Professor beim Konkurrenten gespielt. Hoult entledigt sich der Rolle auch mit ordentlich angemessenem Overacting und viel Wut, diese Figur ist völlig drüber – und das passt ja auch zu etlichen Vorbildern des Charakters aus den Comics. Das große Problem: Selbst wenn wir Luthors Motivation natürlich aus den Vierfarb-Vorlagen kennen, wird sie leider in diesem Film völlig außen vor gelassen. Die Zuschauerin erfährt über Andeutungen hinaus nicht, warum genau Lex eigentlich Superman so sehr hasst. Und das finde ich verblüffend, denn gerade Gunn war doch bisher immer in der Lage, Antagonisten einleuchtend zu motivieren und ihnen einen Hintergrund zu verpassen, der die Zuschauerin dazu brachte, deren Handlungen zu verstehen. Das klappt hier gar nicht, Lex Luthor wird im Prinzip als irrer Milliardär mit Superman-Hass-Fetisch dargestellt, aber ohne das auch nur ansatzweise zu erklären. Und das ist sehr schade, weil es die Performance des Schauspielers schmälert, denn man wundert sich, was passiert sein mag, damit es zu so viel Frustration kommen kann. Ich hätte das gern nachvollziehbar erklärt bekommen.
Überhaupt: Irre Milliardäre, die versuchen, die Regierung zu beeinflussen, Invasionen, und das Thema Immigranten. Das hätte man gerade in der heutigen Zeit deutlich pointierter inszenieren können oder vielleicht sogar müssen, ganz besonders bei einem amerikanischen Symbol, das ein Einwanderer ist. Ist Gunn weich geworden, oder hatten Warner und DC Angst vor dem orangefarbenen Troll im Weißen Haus – und wurde der Film nach Wokeness-Vorwürfen im Vorfeld vielleicht verwässert? (Persönliche Anmerkung: Wer das Wort »woke« negativ konnotiert nutzt, hat sich für jegliche erwachsene Kommunikation ohnehin sofort disqualifiziert.)
Ich wiederhole mich: SUPERMAN ist ein äußerst unterhaltsamer und sicher alles in allem kein schlechter Film, vor allem als Superhelden-Popcornkino. Trotzdem konnte und kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass hier mehr möglich gewesen wäre, hätte man sich nicht mit dem Bestreben, es allen recht und besser als »früher« zu machen, selbst im Weg herumgestanden, hätte man ein klein wenig mehr Zeit in Handlungsstringenz und Timing von Drama und Gags gesteckt und weniger Angst vor »Wokeness«-Vorwürfen gehabt. Vielleicht hatten auch wieder die HIPPOs bei Warner und DC ihre Finger im Spiel, ich weiß es nicht. Im Gegensatz zu Snyder-Filmen wird es bei Gunn eher keinen Director’s Cut geben. Es sei denn, Manager bei Warner mit Dollarzeichen in den Augen insistieren …
Besser als die meisten DCEU-Filme ist SUPERMAN allemal, aber das ist ja auch nicht schwer.
Ich weiß natürlich auch nicht, wie viel davon die wirklich hundsmiserable Synchronisation zu verantworten hatte. Ich beklage mich ja immer wieder darüber, hier wurde aber ein Gipfel an Peinlichkeiten erreicht und ich werde mir den nochmal im Original ansehen müssen, um herauszufinden, wie viel die sch…lechte Übersetzung zu meinen Kritikpunkten beigetragen hat.
Der Soundtrack channelt immer wieder das ikonische John Williams-Theme aus den Reeve-Filmen. Eigentlich eine gute Idee, und natürlich Fanservice, nur leider kann die restliche orchestrale Filmmusik eben nicht mal ansatzweise gegen den Meister anstinken, möglicherweise weil man mit John Murphy und David Fleming gleich zwei Komponisten am Start hatte; es fehlen die erinnerungswürdigen Themen, gerade im direkten Vergleich plätschert das nur so vor sich hin. Zwischendurch gibt es auch immer wieder mal Gunn-typische Rock- und Pop-Einlagen, die aber meist ebenfalls nicht so richtig zünden wollen, zumindest nicht in dem Maß und der Genialität wie bei GUARDIANS eins und zwei. Aber gestört haben sie auch nicht.
Quintessenz: Es ist ein ansehenswerter, kurzweiliger Film, ich habe mich auch gut unterhalten, er hat schöne Actionsequenzen und reichlich Popcornkino-Schauwerte, aber in meinen Augen blieb SUPERMAN und blieb auch James Gunn hinter seinen Möglichkeiten zurück, insbesondere was Drehbuch und Stringenz angeht. David Corenswet ist ein prima neuer Superman, der in weiteren DCU-Filmen (oder wie das DC-Kinouniversum auch gerade heißen mag) sicherlich eine gute Figur machen wird, der kann nichts für das leicht inkohärente Drehbuch. SUPERMAN ist immer dann am besten, wenn die Titelfigur (gerade als Alien) Menschen rettet und (gerade als Alien) Menschlichkeit zeigt – das ist eine wichtige Message. Kann man trotz aller inszenatorischen Defizite echt mal gucken. Wichtig ist, dass man zwischen der inkonsistenten Story, den Superhelden-Showwerten und den vermutlich übertriebenen Ansprüchen an ein DCU eine Menge Herz durchschimmern sieht.
Ach ja: Es sollte einen Schwur gegen Guy Gardners Frisur geben … ;)
p.s.: Ich will ’nen Krypto … ach ne, lieber doch nicht.
SUPERMAN
Besetzung: David Corenswet, Rachel Brosnahan, Nicholas Hoult, Edi Gathegi, Anthony Carrigan, Nathan Fillion, Isabela Merced, María Gabriela de Faría, Skyler Gisondo, Sara Sampaio, Mikaela Hoover, Zlatko Buri?, Pruitt Taylor Vince, Neva Howell, Wendell Pierce, Christopher McDonald, Alan Tudyk, Beck Bennett, Bradley Cooper, Angela Sarafyan, Pom Klementieff und andere.
Regie: James Gunn
Drehbuch: James Gunn
Produzenten: James Gunn, Peter Safran
Ausführende Produzenten: Andrew Lary, Anthony Tittanegro, Chantal Nong Vo, Lars P. Winther, Pete Chiappetta, Nik Korda
Kamera: Henry Braham
Schnitt: Craig Alpert, William Hoy
Musik: David Fleming, John Murphy
Produktionsdesign: Beth Mickle
Casting: John Papsidera
129 Minuten
USA 2025
Promofotos Copyright Warner Bros./DC Studios