JURASSIC WORLD – EIN NEUES ZEITALTER – Deutschlandstart 08.06.2022
Spoiler: Es werden Leute gefressen …
Ich hatte gestern morgen schon eine Kurzkritik im Radio gehört. Die besagte im Prinzip: »schon wieder dasselbe, gähn!«. Hm. Erstens weiß ich nicht, was Personen erwarten, die in einen Dino-Katastrophenfilm der JURASSIC-Reihe gehen? Hamster? Teletubbies? Zweitens ist das zudem dem Film gegenüber unfair, denn er ist tatsächlich in Teilen ganz anders, denn wo sich früher die Saurier auf ein begrenztes Habitat wie einen Themenpark oder eine Insel beschränkten, sind sie nun auf der ganzen Welt zu finden – aufgrund der Machenschaften skrupelloser Verbrecher und Kapitalisten (manche behaupten, die beiden seien nun wirklich dasselbe).
Diese Ausbreitung über die gesamte Welt führt dann natürlich erfreulicherweise dazu, dass man die Urzeitechsen verschiedenster Couleur auch mal in ganz anderen Zusammenhängen sehen kann, als nur in tropischen Dschungeln. Das führt zu einigen äußerst sehenswerten Szenarien, sei es in der verschneiten Wildnis Nordamerikas, oder bei einer Verfolgungsjagd Auto bzw. Motorrad gegen abgerichtete Raptoren durch die engen Straßen Maltas.
Allein bei diesen beiden Szenerien muss man sich fragen, ob die »Qualitätsjournalisten« des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die »schon wieder nur dasselbe« attestierten, denselben Film gesehen haben, wie ich? Und ich möchte an dieser Stelle die Frage aus der Eröffnung auch nochmal wiederholen: was glaubt ihr denn was ihr bekommt, wenn ihr in einen Film der JURASSIC-Reihe geht?
Tatsächlich bekommt man, wenn man Bock darauf hat, einen äußerst unterhaltsamen dritten Teil der zweiten Trilogie um Viecher (so grob) aus der Kreidezeit. Und natürlich wollte man den Kreis schließen und holte deswegen die Veteranen aus dem bereits 1993 erschienenen ersten Teil mit ins Boot, es gibt also ein Wiedersehen mit Dr. Alan Grant (Sam Neill), Dr. Ellie Sattler (Laura Dern) und Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum). Und die treten nicht nur in Cameos auf, nein, sie haben maßgeblich Anteil an JURASSIC WORLD DOMINION, was natürlich auch zu schönen Szenen mit Chris Pratt und Bryce Dallas Howard, den neuen Protagonist°Innen aus den beiden vorangegangenen Teilen, führt. Deswegen wird es auch nicht wundern, dass der Film die Vorgänger (insbesondere den ersten) in diversen Zitaten channelt, wobei man es meiner Ansicht nach damit nicht übertrieben hat, sondern das halbwegs bis sehr subtil einbaut.
Ich hatte vor fast 20 Jahren nicht geahnt, dass ich nach zwei Jahrzehnten nochmal im Kino in einem JURASSIC-Film sitzen würde, der der Reihe einen adäquaten Abschluss verschafft. Steven Spielberg hatte in der Hinsicht offenbar ein besseres Näschen, denn der erwarb die Rechte an Michael Crichtons Roman DINO PARK bereits vor dessen Erscheinen.
Ja, natürlich, es geht auch immer wieder darum, dass die Protagonist°Innen von geschupptem Viechzeugs aller Größen, Farben und Federn gejagt und beinahe gebissen oder gleich verschluckt werden (Nebencharaktere haben wie immer – und wie erwartet – weniger Glück) und ja, man bekommt auch einige bekannte Versatzstücke in derselben oder sehr ähnlicher Form wie bereits gesehen präsentiert. Das macht aber nichts, denn durch die Aufteilung der Figuren und deren Abenteuer ist DOMINION äußerst vielschichtig und hat diverse Handlungsebenen und ‑Ort, was unbedarftere Kinobesucher (und möglicherweise auch Kinokritikern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) überfordern könnte, die einen in dieser Hinsicht simpler gestrickten Dino-Katastrophenfilm erwartet hatten. Nein, das ist definitiv kein Arthouse‑, sondern lupenreines Popcornkino, ich kann daran allerdings gerade in unserer Zeit nichts Schlimmes finden. Man ist ganz froh, wenn man der Realität mal zweieinhalb Stunden entfliehen kann, um zu sehen, wie andere Leute völlig abgedrehte und unrealistische Probleme haben. Das ist in meiner Ansicht nach äußerst erfrischend und immer wieder dringend nötig.
Man kann DOMINION vorwerfen, dass Handlung und Drehbuch trotz der vielen Handlungsebenen recht dünn daher kommen und das Ganze eigentlich eher eine Aneinanderreihung von Szenen ist. Ebenfalls könnte man bemängeln, dass die Inszenierung Innovationen und Überraschungen vermissen lässt, allzu sehr verlassen sich Regisseur Colin Trevorrow und Kameramann John Schwartzman auf aus dem Genre bekannte Versatzstücke und Einstellungen, und auch Mark Sangers Schnitt ist eher … konservativ. Das alles wird dem dennoch hohen Unterhaltungswert des Films allerdings nicht gerecht und »dasselbe wie immer« ist das trotz kleiner Schwächen in der Inszenierung nun wirklich nicht. Allerdings bekommt man trotz vorstehender Kritik einige spektakuläre Landschaftsaufnahmen mit Dinos als Dreingabe, die so wohl nur auf einer wirklich großen Leinwand wirken können.
Und trotz der dünnen Handlung hat der Film auch noch etwas zu sagen, nämlich dass skrupellose Geschäftemacher und Turbokapitalisten an der Situation unseres Planeten schuld sind. Vermutlich sieht der Oberböswatz und Chef der Tech-Firma Biosyn nicht ganz zufällig so ähnlich aus wie Steve Jobs … (der stammt übrigens wie seine Firma aus dem Originalroman, in JURASSIC PARK wurden sie nie genannt, Fun Fact am Rande ist, dass die Firma ihren Sitz wie Apple in Cupertino hat – so ein Zufall …). Die transportierte Kapitalismuskritik ist bereits seit dem ursprünglichen Roman und dem darauf basierenden Film vorhanden. Im Gegensatz zu unserem realen Leben, in dem Politik und Kapitalisten den Planeten schulterzuckend an die Wand fahren, geht es im Kino natürlich … ähem … eher gut aus. Und das ist bei dem Franchise nun wirklich kein Spoiler.
Die Schauspieler°Innen-Riege entledigt sich ihres Jobs erwartet souverän und alle Stars bekommen hinreichend Screentime, wobei man bei Jeff Goldblum immer wieder den Eindruck hat, dass der nur zufällig mit dabei ist. Erschwerend kommt hinzu, dass seine Gags bisweilen nicht so richtig zünden wollen, ich hatte allerdings den deutlichen Eindruck, dass das – mal wieder – an der Synchronisation lag, die doch stellenweise merklich Wünsche offen ließ.
Hervorheben möchte ich bei den Akteuren allerdings die gerade mal sechzehnjährige Isabella Sermon als Maisie Lockwood, die in der Lage war, mit dem Aufgebot an Stars nicht nur mitzuhalten, sondern sogar so stark gegen sie anzuspielen, dass es eine reine Freude war. Ich gehe davon aus, dass wir von ihr in Zukunft noch eine Menge sehen werden.
Am Ende hatte ich eine sehr gute Zeit im Kino, das Ganze war auch trotz seiner Länge von 146 Minuten zu keiner Sekunde langweilig und auch wenn man das alles ähnlich schon in den ersten beiden Teilen der Trilogie gesehen hat, verzeiht man Cast und Crew das aufgrund der schieren Kurzweiligkeit. Aber wie ich am Anfang schon schrieb: Man muss wissen, worauf man sich einlässt und man muss Bock darauf haben. Denn was man JURASSIC WORLD DOMINION in keinem Fall vorwerfen kann, ist Etikettenschwindel. Man bekommt genau das, was drauf steht. Und das ist halt Dinos, Popcorn und kein Tiefgang – und ein schöner Abschluss der Trilogie (wobei man sich des Gefühls nicht erwehren kann, dass es in dieser Welt noch Geschichten zu erzählen gäbe – dann muss allerdings deutlich Innovation her, denn nochmal verzeiht man ihnen das sicher nicht).
JURASSIC WORLD DOMINION
Besetzung: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Laura Dern, Sam Neill, Jeff Goldblum, DeWanda Wise, Mamoudou Athie, Isabella Sermon, Campbell Scott, BD Wong, Omar Sy, Justice Smith, Daniella Pineda u.a.
Regie: Colin Trevorrow
Drehbuch: Colin Trevorrow, Emily Carmichael nach einer Story von Trevorrow und Derek Connolly
Produzenten: Patrick Crowley, Frank Marshall
Ausführende Produzenten: Alexandra Derbyshire, Steven Spielberg, Colin Trevorrow
Kamera: John Schwartzman
Schnitt: Mark Sanger
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Kevin Jenkins
Casting: Nina Gold
146 Minuten
USA 2022
Promofotos Universal Pictures