Schon das Coverbild schreit förmlich hinaus, worum es geht: STAR TREK! Je nach Anzahl der Spieler übernimmt jeder eine oder mehrere Stationen des Raumschiffs. Egal ob Kapitänssessel, Schilde, Waffen oder Traktorstrahl; hier ist alles dabei, was ein Trekkie-Herz höher schlagen lässt. Der Name des Spiels ist dabei jedoch Programm, denn die Kadetten werden meist nicht so professionell agieren wie Kirk, Picard und Konsorten (ok, »professionell« ist vielleicht nicht der richtige Begriff, um Kirk zu beschreiben …). Da viele der wichtigen Aktionen unter Zeitdruck stattfinden, herrscht gerade bei Gefechten ein Heidenchaos auf der imaginären Brücke, was vom Spiel jedoch durchaus so gewollt ist und seinen Charme ausmacht.
Spielmaterial
Zu Beginn wird man förmlich erschlagen von der schieren Anzahl der unterschiedlichen KomponentenZu Beginn wird man förmlich erschlagen von der schieren Anzahl der unterschiedlichen Komponenten. Jede Station des Schiffs kommt mit seinen eigenen Markern, Token und/oder Karten daher. Für gewöhnlich gehört noch ein eigenes kleines Spielbrett oder eine große Übersichtskarte dazu. Des Weiteren sind da noch zehn quadratische und doppelseitige Kartenseiten, aus denen das zu bereisende Universum zusammengesetzt wird, und diverse Gegner sowie Ziele. Es kann die Aufbauzeit dramatisch verkürzen, wenn man alles zueinandergehörende Spielmaterial in getrennte Zip-Lock Beutel sortiert, welche dem Spiel, wenn ich mich richtig erinnere, praktischerweise auch gleich beiliegen.
Stationen
Jede Station des Raumschiffs ist im Prinzip ein eigenes Minispiel, jedoch beeinflussen die Aktionen der einen die Möglichkeiten der anderen. Hat der Sensoroffizier das Ziel richtig aufgeschaltet, verursacht der Waffenoffizier mehr Schaden. Gibt es vom Ingenieur genug Energie für die Schilde, dann muss man den nächsten feindlichen Angriff nicht fürchten.
Hier die einzelnen Stationen im Überblick:
- Der Captain
Er ist derjenige, der das allgemeine Vorgehen vorgibt und bei strittigen Fragen die Entscheidungen trifft. Der Spieler des Captains bedient außerdem die Sanduhr bzw. die Timer-App und achtet auf den korrekten Ablauf der Spielrunde. Mit seinen Karten für experimentelles Equipment, kann er zudem bestimmte Aspekte des Schiffs eine Spielrunde lang verbessern.
- Ingenieur
Der Chefingenieur ist für die Energieverteilung zuständig. In jeder Runde muss er unter Zeitdruck Karten so zusammenlegen, dass sie möglichst viele Symbole ergeben. Dabei steht jedes Symbol für eine der Stationen. Auch muss er festlegen, wohin die Energie geht. Im Kampf werden z. B. vor allem Waffen und Schilde benötigt. Sollte die Energiezuweisung mal gar nicht stimmen, kann er sie im Verhältnis 2:1 umverteilen.
- Sensoren
An dieser Station ist Feingefühl gefragt. Im wörtlichen Sinne. Um gegnerische Schiffe aufzuschalten, oder um die gegnerischen Aufschaltungen loszuwerden (diese Option habe ich bisher in jedem Spiel vergessen!), muss der Sensoroffizier blind ein »Tetris«-Plättchen aus einem Beutel ziehen, der dann zur vorher gezogenen Karte passen muss. Klingt leichter als es ist, vor allem da auch dies unter Zeitdruck geschieht.
- Steuermann
Wahrscheinlich die anspruchsvollste und mit die wichtigste Position des Schiffs. Er ist für die Geschwindigkeit sowie den Weg verantwortlich, den die Crew auf ihrem Abenteuer nimmt. Wenn seine zeitlich begrenzte Spielphase beginnt, muss er eine Anzahl von Karten ziehen, die der Geschwindigkeit entspricht. Sie zeigen an, wie sich das Raumschiff bewegen wird, und müssen vom Steuermann in eine Reihenfolge gebracht werden. Dabei muss er darauf achten Asteroidenfeldern und Anomalien auszuweichen. Idealerweise ruft er dem Schildoffizier möglichst früh zu, auf welcher Seite des Schiffs die Schilde gebraucht werden.
- Schilde
Für die richtige Ausrichtung der Schilde muss der mit ihnen betraute Spieler pokern, indem er Plättchen mit Zahlenwerten so arrangiert, dass sie Pärchen und Straßen bilden. Außerdem muss er entscheiden, welche Seite des Schiffs er verstärkt, was nicht immer so einfach ist, wenn der Steuermann mal wieder einen irren Ivan fliegt.
- Waffen
- Traktorstrahl
Die Bedienung des Traktorstrahls gleicht einer Partie Memory. Da er nicht in jeder Runde benutzt wird, kann der Spieler hier seine Energie dazu nutzen, um die Plättchen mit den passenden Zahlwerten und Farben zu enthüllen, damit er sie dann auch findet, wenn es daran geht, ein Ziel an Bord zu nehmen, oder Gegner einzufangen, um den Schaden der Waffen zu verdoppeln.
- Sprungantrieb
Hier wird gekniffelt. Erst wenn alle Missionsziele erfüllt sind, wird der Warp‑, äh, Sprungantrieb aktiviert. Dafür müssen jedoch fünf gleiche Augenzahlen her. Damit das klappt, kann sich der Spieler in den vorhergehenden Runden Karten erspielen, die ihm Würfelmanipulationen oder ein Nachwürfeln erlauben, damit man am Ende auch wirklich davonkommt.
- Schadenskontrolle
Jedes Mal, wenn das Schiff Schaden aus einer beliebigen Quelle nimmt, wird hier eine Karte aufgedeckt. Es gibt vier Stapel, die je einer Seite des Schiffs zugeordnet sind. Mögliche Auswirkungen sind hier zum Beispiel Behinderungen für einzelne Stationen. Manchmal kommt man aber auch mit einem blauen Auge davon. Schaden kann repariert werden, aber wenn man sein Glück hier zu sehr strapaziert, wird es unter Umständen schlimmer als es vorher war. Ist der Kartenstapel auf einer Seite aufgebraucht, können weitere Treffer einen Kernbruch verursachen, welcher in letzter Konsequenz dazu führt, dass das Raumschiff explodiert.
Unter den Schadenskarten befindet sich auch die Karte »Schichtwechsel«. Wird diese aufgedeckt, müssen mindestens zwei Spieler die Stationen tauschen.
Fortgeschrittene Systeme
Wenn die Spieler mit ihren Stationen vertraut sind, gibt es bei jeder die Möglichkeit sie noch etwas komplexer zu gestalten, was aber für gewöhnlich auch höhere Risiken birgt. Der Sensoroffizier erhält die Option das Schiff zu tarnen oder der Steuermann bekommt ein riskantes Ausweichmanöver an die Hand.
Spielverlauf
Eine Spielrunde ist in neun Schritte aufgeteilt, von denen einige ein Zeitlimit besitzen.
1. Diskussion und Energieverteilung
Drei Minuten lang hat man Zeit, sich zu beratschlagen wie in dieser Runde vorgegangen werden soll. Soll ein Gegner angegriffen werden, oder machen wir eine Vollbremsung um den Kristall leichter mit dem Traktorstrahl an Bord zu holen? Währenddessen verteilt der Ingenieur die Energieplättchen, die er in der letzten Runde erspielt hat, an die entsprechenden Stationen.
2. Vorbereitung
Die Spieler bereiten ihre Stationen für den folgenden Schritt vor und verteilen ihre Energie.
3. Aktionen
Dieser Schritt ist das Herz des Spiels. Fünf Stationen haben gleichzeitig dreißig Sekunden Zeit um ihre Aufgaben zu erfüllen. Bei weniger als fünf Spielern ist dieser Schritt in zwei Teile unterteilt.
4. Abhandlung
Ohne Zeitlimit werden nun die Folgen des letzten Schritts bestimmt. Der Schiffsmarker wird auf der Universumskarte bewegt, Ziele werden aufgeschaltet, Asteroiden werden gerammt …
5. Traktorstrahl
Der Spieler kann seinen Traktorstahl einsetzen, oder die ihm zugewiesene Energie verwenden, um die Positionen der Pärchen zu lernen.6. Waffen
Der Waffenoffizier schnippt unter Jubelrufen (oder Beleidigungen) seiner Mitspieler den Spielstein und zerstört im Idealfall feindliche Flieger.
7. Gegnerphase
Die Gegner verhalten sich nach festen Regeln. Befinden sie sich nahe genug am Spielerschiff, versuchen sie es aufzuschalten. Gelingt das nehmen sie die Verfolgung auf und eröffnen das Feuer, wenn sie nahe genug herangekommen sind.
Nemesis – als wäre das Universum noch nicht gefährlich genug, taucht nach einer, je nach Mission festgelegten Anzahl von Runden, das Nemesis-Schiff auf und macht Jagd auf die Spieler. Es ist praktisch unbesiegbar und kann maximal aufgehalten werden. Im Allgemeinen sollte man die Begegnung vermeiden.
8. (Warp-)Sprung
Siehe Sprungantrieb oben.
9. Reparatur
Gibt es anhaltende Schadenseffekte, kann nun versucht werden sie zu reparieren.
Timer-App
Ich wurde auf die App zum Spiel aufmerksam, den »Stronghold Games Timer«Dem Spiel liegt eine Sanduhr bei, um in den Phasen 1,3,5,6,8 und 9 die Zeit zu stoppen. Als ich jedoch mal nachgemessen habe, stellte sich heraus, dass der Sand von der einen Seite schneller in die andere läuft als umgekehrt. Erst nachdem ich eine neue Sanduhr besorgt hatte, wurde ich auf die App zum Spiel aufmerksam, den »Stronghold Games Timer« (Stronghold Games ist Publisher der englischen Originalversion). Sie bietet Einstellungsmöglichkeiten für die Anzahl der Spieler, sowie den Nemesismarker, leitet die letzten zehn Sekunden eines Countdowns mit einem Alarm ein und macht dem Captain im Allgemeinen das Leben leichter. Eine deutsch übersetzte Version der App gibt es meines Wissens noch nicht, sie ist für Android und iOS erhältlich.
Aufmachung
Hier gibt es nichts zu meckern. Die vielen unterschiedlichen Komponenten sorgen dafür, dass sich jede Station im Spiel einzigartig anfühlt. Die Unterlegkarten und Spielbretter sind größtenteils selbsterklärend und fassen die Regeln für die aktuelle Aufgabe gut zusammen. Gerade die Karten vermitteln mit ihrer leicht glänzenden Oberfläche fast schon den Eindruck eines Bildschirms.
Mit einer offiziellen STAR TREK-Lizenz hätte es hier vermutlich nochmal ganz andere Möglichkeiten gegeben, andererseits würde die Sternenflotte vermutlich auch nicht gerne zugeben, dass sie solch chaotische Kadetten in ihren Reihen hat …
Schwierigkeitsgrad
Die Schwierigkeit kann über zwei Mechaniken angepasst werden. Durch die Anzahl der Karten, die von den Gegnern überwunden werden müssen, ehe es zum Kernbruch kommt und über den Schwierigkeitsgrad der Feinde. Allerdings möchte ich hier darauf aufmerksam machen, dass in meinen bisherigen Spielen selbst die Übungsmission auf der einfachsten Konfiguration bereits eine Herausforderung darstellte. Vor allem mit der nach ein paar Runden auftauchenden Nemesis wird es echt schwer. Wahrscheinlich sollte man ein paar Mal mit derselben Crew gespielt haben, bevor man sich an die fortgeschritteneren Missionen wagt. Auf der anderen Seite kann auch das Verlieren bei SPACE CADETS durchaus Spaß machen, wenn man unkoordiniert durch das All eiert und auf der Flucht vor Feinden schließlich an einem Asteroiden zerschellt.
Fazit
Ich kann es mir gut auch als Familienspiel vorstellenFalls man es noch nicht am Cover erkannt hat, wird spätestens beim Lesen der Spielanleitung schnell klar, dass bei SPACE CADETS der Spaß im Vordergrund steht. Zwar wird jeder Spieler versuchen in jeder Runde sein Bestes zu geben, doch es wird wahrscheinlich nie vollkommen rund laufen. Frei nach dem Motto »shit happens« gilt es dann, im Nachhinein das Beste aus der Situation zu machen. Richtiger Nervenkitzel kommt dann auf, wenn die Spieler zusätzlich zu ihren normalen Aufgaben in der gleichen Zeit auch noch den Kernbruch verhindern müssen, was mit jedem Mal schwieriger wird.
SPACE CADETS wäre ein prima Partyspiel, wenn die Einführung nicht so langwierig wäre. Alle Stationen müssen erklärt und im Idealfall auch von jedem Spieler verstanden werden, falls es während einer Runde zum »Schichtwechsel« kommt. Wenn sich jedoch alle darauf einlassen, erwartet die Gruppe ein Heidenspaß. Und selbst wenn einem die anfangs zugewiesene Station nicht zusagt, kann man sich beim Schichtwechsel freiwillig melden und der Captain muss zusehen, dass jemand mit ihm tauscht. Da selbst Kinder in der Lage sind die meisten Aufgaben zu bewältigen, kann ich es mir auch gut als Familienspiel vorstellen. Auf der anderen Seite könnten sich Personen, die lieber kompliziertere und weniger hektische Spiele mögen, gleichzeitig unter- und überfordert fühlen.
Um den hohen Schwierigkeitsgrad zu mindern, können die in der Spielanleitung mitgelieferten Szenarien beliebig abgeschwächt werden. Oder man denkt sich einfach selbst etwas aus. Jedoch kann auch eine Niederlage wie schon erwähnt durchaus amüsant sein. Vielleicht versucht man es im Anschluss mit der nun besser eingespielten Crew einfach nochmal?
Die Idee hinter dem Spiel ist großartig und auch die Ausführung ist bis auf die erwähnten, subjektiven Mängel gut gelungen. SPACE CADETS ist auf jeden Fall ein bemerkenswertes Spiel und selbst Spieleriesen wie Fantasy Flight Games entdecken gerade den Reiz von zeitlich begrenzten Spielphasen in ihrem kommenden Brettspiel zur XCom- Videospielreihe.
Mathias Heilman
Hinweis d. Red: Die Amazon-Links führen zur englischen Fassung, die deutsche ist dort noch nicht vorhanden, diese wurde auch erst auf der Spiel 14 in Essen erstmalig vorgestellt.
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Große Fotos: Stefan Holzhauer CC BY-NC-SA, kleine Fotos: Mathias Heilmann, Cover Copyright Asmodee
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