Immer wieder entfachen die Diskussionen über Sinn und Unsinn von Reboots, Remakes, oder Fortsetzungen. Und das Für und Wider ergibt sich meist auch aus der Qualität der jeweiligen Produktion. Eine unbekannte aber schlaue Stimme argumentierte, dass sich das junge Zielpublikum keine alten Filme ansehen würde, es aber vielleicht dazu animiert werden könnte, wenn es zuerst einmal das Remake gesehen habe. Im heutigen Zeitalter der modernen Medien wundert es nicht, dass keine alten Filme konsumiert werden, wo sollte man auch die Zeit hernehmen? Social Media, der Start meist zweier Blockbuster pro Woche, und es gibt mittlerweile unglaublich viele qualitativ und inhaltlich herausragende Fernsehserien. Als Steven Spielberg POLTERGEIST produzierte und von Tobe Hooper inszenieren ließ, arbeitete man noch lange mit praktischen, also handgefertigten, Spezialeffekten. Das war 1982, also mindestens doppelt so lange her, wie das heutige Zielpublikum alt ist.
Aus den Freelings wurden die Bowens. Aus der lang etablierten Familie wurden neu zugezogene Nachbarn. Der ehemals erfolgreiche Geschäftsmann ist nun ein von Existenzangst geplagter Arbeitsloser. Und das alte Röhrengerät wandelte sich zum großen Flachbildschirm. Ansonsten blieb alles beim alten. Erste verdächtige Geräusche, das seltsame Verhalten der jüngsten Tochter, die mit dem Wandschrank redet, und schließlich sich steigernde übernatürliche Phänomene. Bis Tochter Madison unvermittelt in die Zwischenwelt gerissen wird. Da kann selbst ein Team von Parapsychologen wenig machen. Es bedarf schon eines besonderen Mediums, in diesem Fall in Gestalt des bekannten Fernseh-Geisterjägers Carrigan Burke.
Um sich heute im Horrorkino hervor zu tun, muss man einiges leisten. Und mit einem Remake ist man da sicher besser beraten, als mit einem Originalstoff, denn da wird es ziemlich eng im Feld. SINISTER, INSIDIOUS und seine Fortsetzungen, ANABELLE, und natürlich die sich erweiternde CONJURING-Reihe. Dazwischen streute sich MAMA, ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN oder HOUSE AT THE END OF TIME. Auch OUIJA soll fortgesetzt werden. Nicht zu vergessen die ganzen Vertreter der Exorzismus-Thematik. Und mit der PARANORMAL ACTIVITY-Serie geht es im Oktober ebenfalls weiter. Für den Genre-Freund ist also einiges geboten. Blickt man nun auf die Neuverfilmung von POLTERGEIST, reiht er sich gut in den Trend ein, bei dem in Inszenierung und Originalität nur Variationen zu bemerken sind. Nicht zu vergessen, dass bis zu dieser Stelle allein vom Geisterhaus-Horror die Rede war. Geht man dann nochmal 33 Jahre zurück, muss man erschreckt feststellen, wie wenig sich tatsächlich in der Entwicklung von Inszenierung und Originalität getan hat. Was Tobe Hoopers POLTERGEIST damals bot, hat sich bis heute im Stil tatsächlich kaum verändert.
Wirklich Spannung zu erzeugen fällt Regisseur Gil Kenan schwer, denn der Zuschauer kennt die Szenarien. Kenan konzentriert sich mehr auf die Show-Effekte. Die Geister im Fernseher, der Eingang zur Zwischenwelt, und die vorangehenden kleinen Poltergeist-Aktivitäten. Man muss dem Regisseur allerdings unbedingt zugute halten, dass er weitgehend auf die billige Variante des Schockeffektes verzichtet, wo in stillen Sequenzen unvermittelt etwas kreischend ins Bild springt.
Mit Sam Rockwell und Rosemarie DeWitt hat man sehr einnehmende und glaubwürdige Darsteller gefunden, die dem Film einen durchaus gefestigte Basis geben. DeWitt wollte unbedingt die Rolle, als sie zufällig die Zuschauerreaktionen bei der Première von CONJURING erlebte. Kyle Catlett als Sohn Griffin hingegen, ist etwas zu genretypisch inszeniert, stets ängstlich, immer misstrauisch, und dennoch öffnet er immer wieder die Türen, hinter denen sich das Böse verbergen kann. Letztendlich ist Jarred Harris die eigentliche Offenbarung für POLTERGEIST, auch wenn die Geschichte ihn erst im letzten Drittel in die Handlung holt. Der Brite ist in den letzten Jahren sehr unauffällig aber doch mit großartigen Rollen weit nach vorne gekommen. Ausgerechnet mit seinem Charakter kommt ein großes Fragezeichen über den Film, was gerade das Finale angeht. Aber darüber kann man dann doch wieder hinwegsehen. POLTERGEIST bleibt trotz allem ein effektiver Spuk, der sein Publikum erreichen wird.
Ein ganz besonderes Potential hätte POLTERGEIST mit 3D entfalten können. Auch wenn im normalen Filmformat gedreht wurde, war eine Konvertierung nicht nur absehbar, sondern musste schon geplant sein. Dass sich die Bildgestaltung nicht nach den Möglichkeiten eines stereoskopischen Bildes ausrichtete, ist vollkommen unverständlich. Längst sind selbst die kleineren Horror-Produktionen bei den großen Studios angesiedelt, und keine Nischenprodukte von Independent-Labels mehr. Umso intensiver hätte sich die Produktion um eine gestalterisch ausgefallenere Inszenierung bemühen müssen. 3D wäre die Chance gewesen, hätte man die möglichen Effekte der konventionellen Bildgestaltung vorgezogen. Zudem wäre es ein Alleinstellungsmerkmal geworden, welches sich nicht allein von der Vorlage abheben würde.
Aber war eine Neuverfilmung deswegen notwendig gewesen? Nicht wegen Jarred Harris, auch nicht wegen der nun am Computer entstandenen visuellen Effekte, erst recht nicht wegen der allseits bekannten Geschichte. Gil Kenan hätte viel weiter über den Tellerrand hinaus blicken müssen, um die tatsächlichen Möglichkeiten zu erkennen. Früher hatten Horrorfilme einen gewissen Einfluss auf seine Zuschauer. DER WEISSE HAI zum Beispiel, oder AMITYVILLE HORROR. Und POLTERGEIST war da keine Ausnahme. Heute ist das Horror-Genre zu einer kurzen Phase von Nervenkitzel geworden, die nicht nachhält. Oder welcher Film schafft es heute noch, einem aus dem Publikum den Gang in den finsteren Keller zu vermiesen, zögernd die Schranktür zu öffnen, das Geräusch aus der Wand für etwas anderes als die abkühlende Wasserleitung zu halten? Aber POLTERGEIST ist deswegen auch kein schlechterer Film, nur weil er sich als Neuverfilmung behaupten muss. Ob er ein junges Publikum allerdings dazu animieren kann, doch einmal auf das Original zurückzugreifen, bleibt fraglich. POLTERGEIST ist genau diese 94 Minuten Spannung und Unterhaltung, die er auch sein will. Leider nicht darüber hinaus. Und darüber hinaus wäre viel möglich gewesen.
POLTERGEIST 3D
Darsteller: Sam Rockwell, Rosemarie DeWitt, Kyle Catlett, Kennedi Clements, Saxon Sharbino, Jared Harris, Jane Adams, Susan Heyward, Nicholas Braun u.a.
Regie: Gil Kenan
Drehbuch: Davis Lindsay-Abaire, nach Steven Spielberg
Kamera: Javier Aguirresarobe
Bildschnitt: Jeff Betancourt, Bob Murawski
Musik: Marc Streitenfeld
Produktionsdesign: Kalina Ivanov
94 Minuten
USA 2015
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