Liebes Börsenblatt: Langweil´ mich doch bitte nicht so!

Satan und Hiob

Kur­zes Vor­wort des Redak­teurs:

Im Bör­sen­blatt durf­te mal wie­der irgend­ei­ne unbe­kann­te Autorin unter dem Titel »Ama­zon ist unnö­tig« ihre kru­den und völ­lig rea­li­täts­fer­nen The­sen dar­über ver­brei­ten, dass der Online­händ­ler das Urbö­se ist und man doch bes­ser beim »klei­nen Buch­händ­ler« kau­fen sol­le. In ihren The­sen fin­det sich der­art viel schlicht Fal­sches oder Welt­frem­des, dass mir fast die Augen geblu­tet haben. Eigent­lich woll­te ich die The­sen in einem Rant aus­ein­an­der neh­men – viel­leicht mache ich das auch noch. Doch Anja Bagus hat auf ihrem Blog bereits eine Replik auf den Arti­kel ver­fasst, den ich hier wie­der­ge­ben darf. Dafür bedan­ke ich mich.

Lie­bes Bör­sen­blatt: Ich bin wirk­lich ent­täuscht, dass wie­der ein­mal so ein lang­wei­li­ger Arti­kel über eine (mir) nichts­sa­gen­de jun­ge Dame ver­öf­fent­licht wird. Gibt es nie­man­den, der wirk­lich mal intel­li­gent etwas zu dem The­ma sagen könn­te? Aber das inter­es­siert ja wohl kei­nen, nein, man lässt aller­lei abstru­se Gestal­ten unter­ir­di­sches Zeug reden.
Ich will jetzt hier mal nicht über ama­zon als bösem Dra­chen spre­chen, über den Raub­fisch im Forel­len­teich, über den Sau­ron des Buch­han­dels. Ich möch­te, dass man auf­hört, die­se Ver­dum­mungs­phra­sen wie­der und wie­der von »Schrift­stel­lern« wie­der­ho­len zu las­sen. Die ja offen­bar tat­säch­lich auch noch in das Nest scheis­sen, in dem sie leben.

Bevor ich selbst Schrei­ber­ling wur­de, habe ich, trotz­dem ich in einer Groß­stadt lebe und Anbin­dung an gro­ße und klei­ne Buch­lä­den habe, sehr früh begon­nen, bei ama­zon zu bestel­len. Und war­um? Weil es toll war. Und ist. Weil ich die Zeit, die ich mit Park­platz­su­che und dem Drän­geln durch Mas­sen und dem Suchen nach dem Rich­ti­gen bes­ser ver­brin­gen kann.
Wer zuletzt in einem Buch­la­den war, weiß, wovon ich rede. Wenn man mal jeman­den anspre­chen kann (um so etwas Ein­fa­ches zu fra­gen wie: Darf ich die­se Plas­tik­hül­le ent­fer­nen um in das Buch zu schau­en?), dann ist es jemand, der sehr gestresst ist. Jaja, ich weiß, der Buch­han­del lei­det, und kann nicht so vie­le Leu­te ein­stel­len, wegen ama­zon …

Unsinn!

Ich habe selbst jah­re­lang als Aus­hil­fe im Buch­han­del gear­bei­tet (lan­ge bevor ama­zon gebo­ren war). Da ste­hen genau­so dum­me Chefs dahin­ter, wie über­all, und es ist auch dort nur ein Geschäft. Mein Gott, es wird über den örl­ti­chen klei­nen Buch­händ­ler gere­det, als wäre er ein Weih­nachts­mann, jemand, der nachts nicht schla­fen kann, wenn er uns nicht das rich­ti­ge Buch, wel­ches unser Leben ver­än­dert, ver­kauft. Noch­mal: Unsinn. Er ver­dient wesent­lich mehr an dem Schnick­schnack, der sonst so rum­liegt, so, wie Ärz­te jetzt mehr an IGEL-Leis­tun­gen ver­die­nen und uns die­se auf­schwat­zen.

Typi­sches Gespräch in einer Buch­hand­lung:

Kun­de: »Ich suche ein Buch.«
Buch­händ­ler (denkt: »seufz« und ver­kneift sich zu sagen: »gut, dass wir wel­che haben und kei­ne Bur­ger«) lächelt und fragt: »Für wen?«
Kun­de: »Für mei­ne Oma/​meinen Neffen/​meine Freundin/​zu Weihnachten/​zum Geburtstag/​zu jedem ande­ren erdenk­li­chen Fei­er­tag.«
Buch­händ­ler: »Die Oma ist aus Ost­preu­ßen? Pri­ma, hier »Jau­che und Lev­ko­jen.« Der Nef­fe? Wie alt? Ach, Har­ry Pot­ter geht immer. Hat er schon? Dann neh­men sie das, das ist so ähn­lich. Der liest gar­nicht? Egal, das ist gebun­den und macht auf dem Geburts­tags­tisch was her. Die Freun­din? Ach, schau­en Sie, hier unse­re Chick-Lit Abtei­lung, neh­men Sie doch das, das wird ger­ne genom­men. Ja, es ist sehr lus­tig.«
Ich selbst hat­te sel­ten eines der Bücher gele­sen. So läuft Ver­kau­fen in 99% aller Fäl­le.

Und jetzt? Macht ama­zon das auch. Sagt mir: Leu­te, die dies gekauft haben, haben auch das gekauft und ich den­ke: fein, dan­ke! Und dann lese ich in Ruhe in die Lese­pro­be und ent­schei­de, wann ich will.

Jetzt bin ich selbst auch noch Schrei­ber­ling. Natür­lich Selbst­ver­le­ge­rin bei ama­zon. War­um? Weil ich es kann. Weil es super ist. Weil ama­zon ein tol­ler Dienst­leis­ter ist. Und weil so die Zukunft geht. Ich will es mal Kunst nen­nen, was da ver­brei­tet wird, denn Bücher sind eine Kunst­form. Und wenn man nur noch die Grass oder Süß­kinds ver­brei­ten dürf­te, dann wäre was faul in der Gesell­schaft. ama­zon hat jetzt sogar ein Por­tal, wo man inno­va­ti­ve Kin­der­bü­cher gestal­ten kann. Groß­ar­tig (ja, brüllt nur, dass »nun auch die armen Kin­der­lein …«)! Die Zukunft wird es sein, dass man etwas tut und es ver­brei­ten kann. Hem­mungs­los. Und genau­so hem­mungs­los wird das Publi­kum JAAA oder NÖ brül­len. Es wer­den sich Din­ge ver­kau­fen, die nie­mand ver­mu­tet, und es wer­den sich Din­ge nicht ver­kau­fen, die selbst­er­nann­te Lite­ra­tur­päps­te hoch­loben. So wird das sein, weil es auch schon so ist. Der Kun­de wird selbst aus­su­chen kön­nen, was und wie er es haben will (abseits von schlecht sor­tier­ten Rega­len). Und der Schaf­fen­de wird sich anstren­gen müs­sen, dem Kun­den das zu ver­kau­fen, er wird neue, span­nen­de und inno­va­ti­ve Wege fin­den müs­sen. Und die, die jetzt immer noch krei­schen und schrei­en und den Teu­fel ama­zon anpran­gern, wer­den nur die Lach­num­mern von Ges­tern sein.

Es tut mir echt leid, für die­ses Mädel, dass sie so blind ist. Aber ich lach mir einen, weil ich mir nicht vor Angst in die Hose mache, son­dern fröh­lich alles nut­zen wer­de, was ich zur Ver­fü­gung gestellt bekom­me. So, das waren mei­ne fünf Cent. Echt, Bör­sen­blatt: bit­te sucht euch doch anspruchs­vol­le­re Inter­view­part­ner!

Anja Bagus

p.s.: Genau so habe ich das als Kom­men­tar auf fol­gen­den Arti­kel hin­ter­las­sen:
Face­book-Appell von Vea Kai­ser

Bild: »Ama­zon schüt­tet die Pla­gen über der Buch­bran­che aus« … Äh … Ent­schul­di­gung. »Satan schüt­tet die Pla­gen über Hiob aus«, von Wil­liam Bla­ke (1757 – 1827), gemein­frei

4 Kommentare zu „Liebes Börsenblatt: Langweil´ mich doch bitte nicht so!“

  1. Seuftz,

    MICH lang­wei­len die­se Lager­kämp­fe lang­sam. Die einen haben die eine Mei­nung und die ande­ren die ande­re, bei­de zie­hen über­ein­an­der her und behaup­ten die Weis­heit mit Löf­feln gefres­sen zu haben – und kei­ner bewegt sich auch nur ein Stück. Beton­köp­fe auf bei­den Sei­ten.

    Dabei haben die, die vor einer Mono­pol­stel­lung Ama­zons war­nen (aber vor­her nie über Tha­lia geläs­tert haben) genau­so recht wie jene, die zurecht sagen, dass der loka­le Buch­händ­ler einem oft kei­ne Klein­ver­lags-Bücher beschaf­fen kann/​will und auch sonst nicht so bequem ist (wobei die­je­ni­gen ver­ges­sen, dass es auch noch ande­re Online­buch­händ­ler gibt, aber die sind ja nicht so hipp).

    Wie gesagt, es gibt ein Für und Wider, aber der bei­na­he reli­giö­se Eifer der hier wie dort an den Tag gelegt wird, um einen Groß­kon­zern zu dif­fa­mie­ren oder zu ver­tei­di­gen, grenzt lang­sam an Beses­sen­heit – und damit mei­ne ich ganz klar BEIDE Lager.

    Hat die Welt nicht genug drin­gen­de­re Pro­ble­me zu bie­ten, für deren Lösung man sich enga­gie­ren könn­te?

  2. -
    Ihr igno­ran­tes Pack, jetzt hat der klei­ne Tabak­la­den um die Ecke schlie­ßen müs­sen, weil ihr Sau­ban­de zu rau­chen auf­ge­hört habt. Ist doch Schei­ße, immer die­ses mit der Zeit gehen. Echt.

  3. @HP auf die­ser Sei­te sind die haupt­säch­li­chen The­men Phan­tas­tik und auch die Situa­ti­on im Buch­markt durch Inter­net und Medi­en­wech­sel. Es soll­te des­we­gen nicht wun­dern, wenn die­se The­men auch vor­kom­men. »Drin­gen­de­re« Pro­ble­me wer­den mehr als reich­lich anders­wo bespro­chen.

    Wenn das Bör­sen­blatt, der Bör­sen­ver­ein und die Buch­bran­che immer und immer wie­der laut­stark über Ama­zon jam­mern, statt sich auf die Hin­ter­bei­ne zu set­zen und brauch­ba­re Alter­na­tiv­an­ge­bo­te zu schaf­fen, müs­sen die sich nicht wun­dern, wenn es Gegen­wind gibt.

    Und ich hal­te die­sen Gegen­wind auf­grund der popu­lis­ti­schen Pro­pa­gan­da aus der Bran­che und den ver­mut­lich gekauf­ten nega­ti­ven Medi­en­be­rich­ten für drin­gend not­wen­dig.

  4. Hal­lo zusam­men,

    ich arbei­te im unab­hän­gi­gen Buch­han­del und kei­ne Angst ich zei­ge jetzt nicht mit dem Fin­ger auf Ama­zon und sage »kreu­zi­get sie«.

    Ich gebe Frau Bagus in vie­len Din­gen Recht.

    Aber gibt es eben trotz­dem sol­che und sol­che Buch­händ­ler. Ich möch­te jetzt kei­ne Wer­bung machen, aber ich arbei­te bei einer Fir­ma, die Ihnen jedes Buch, dass Sie haben möch­ten besor­gen wird. Egal ob Self­pu­bli­shing, nur bei Ama­zon erhält­lich, Klein­ver­lag oder sonst­was. Wenn der Kun­de sagt, ich suche die­ses Buch, wer­den wir den Teu­fel tun und sagen: »Oh das gibt es nur bei Ama­zon« oder »Oh das ist ein Selbst­ver­lag da bestel­len wir nicht«. Klar bestel­len wir da. Egal ob wir da kei­ne Rabat­te bekom­men, Ver­sand­kos­ten zah­len müs­sen usw. Der Kun­de bekommt das Buch zum fes­ten Buch­preis.

    Wir sehen das nicht als Kos­ten die man abschrei­ben kann son­dern die­se »Besor­gungs­kos­ten« sind für uns Wer­bungs­kos­ten. Jeder Kun­de der mal ein Buch aus dem Selbst/​Kleinverlag will, bestellt nun mal auch »nor­ma­le« Bücher.

    Jeder der schon­mal eine Anzei­ge egal in wel­chem Medi­um auf­ge­ge­ben hat weiß, was das kos­tet und wie die Wir­kung sein kann. Wenn ich 3€ für Ver­sandkso­ten zah­le und die­se 3€ auf das Buch »drauf­le­ge«, ist das ein klei­ner Preis dafür, dass ein Kun­de von mir begeis­tert ist und nächs­tes Mal wie­der bei mit bestellt.

    Wenn die­sen Weg mehr klei­ne, unab­hän­gi­ge Buch­händ­ler gehen wür­den, wäre die­se gan­ze Debat­te in gro­ßen Tei­len hin­fäl­lig…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen