Die Brüder Zach und Gray dürfen das Wochenende mit ihrer Tante Claire verbringen. Zach ist der mürrische, verantwortungslose Teenager, Gray der kurz vor der Pubertät stehende, von Dinosauriern begeisterte, Junge. Tante Claire, die ist zufällig die Leiterin des Vergnügungsparks »Jurassic World«, auf der Isla Nublar. Und da sie eine verantwortungsvolle Leiterin ist, müssen die Jungs dann doch erst einmal mit Claires Assistentin Vorlieb nehmen, weil Tante lieber Geschäftstermine wahrnimmt. Falls sich jetzt jemand denkt: Hoppla, da wird sich Zach vom verantwortungslosen wohl bald zum schützenden Menschen wandeln, dann hat er vielleicht nicht ganz so Unrecht. Und wenn geneigter Zuschauer darauf kommt, dass Claire zur geläuterten Tante mutiert, dann liegt er nicht so falsch. Wenn dann der erste Dinosaurier Schwierigkeiten macht, muss Claire den hemdsärmeligen Naturburschen Owen um Hilfe bitten. Dass die Beiden sich nicht besonders gut leiden mögen, könnte für das Ende bedeuten, dass sie sich in den Armen liegen werden. Und so geht es weiter und weiter, wo jede Ausgangslage sofort darauf verweist, wie die Auflösung im weiteren Verlauf aussehen wird.
JURASSIC PARK hat zweifellos das Kino verändert. Noch heute kann man sich kaum vorstellen, dass damals lediglich 8 Minuten von Dinosaurier-Bildern am Computer entstanden sind. Dafür so lebensecht wie kein am Computer generiertes Bild zuvor. Dann das erstmals aufgeführte DTS-Surround-Tonsystem, welches nicht über den eigentlichen Film abgespielt wurde, sondern via synchronisierte CDs, dabei über eine Dynamik verfügte, die zur optischen Faszination noch einen akustischen Overkill bot. Und dann passierte etwas in JURASSIC PARK, das man bisher nicht aus dem Kino kannte. Ein Film, der über Marketing und Merchandising funktionierte, konterkarierte genau diese modernen Strategien, über die im Film gezeigten Vermarktungen in eben jenem fiktiven Park. Ein zweiter Teil war nicht nur aus finanziellen Gründen notwendig. Das Publikum wollte, und brauchte, mehr. Erst der dritte Teil zeigte erste Ermüdungserscheinungen, obwohl die Geschichte immer noch über genügend eigenständiges Potential verfügte. Aber jede billige Autowerbung verfügte jetzt über einen in die Kamera brüllenden T‑Rex aus dem Computer. Der Computer hatte die Filmwelt in allen Genres bereits im Griff. Was würde ein Film also 14 Jahre nach JURASSIC PARK III noch an Originalität bieten können?
JURASSIC WORLD hat zwei Kinder als Hauptcharaktere, wie seine Vorgänger auch. Kinder-Charaktere signalisieren aber auch sofort, dass diese ungeschoren aus der Geschichte hervorgehen werden. Und ein Traumpaar wie Chris Pratt und Bryce Dallas Howard? Wer annehmen sollte, dass einer der beiden das Ende des Filmes nicht erleben wird, der war noch nie im Kino. Was soll also passieren? JURASSIC WORLD wird zu einer Achterbahnfahrt, die versucht, einem Angst zu machen, obwohl man schon so oft Achterbahn gefahren ist, um genau zu wissen, dass am Ende die Sicherheitsbügel nach oben wegklappen, um einfach nur die nächsten Gäste aufzunehmen.
Die andere Seite sind Figuren, wie die des immer überzeugenden Irrfan Khan als Großindustrieller Masranie, dessen klägliche Hubschrauberflüge am Anfang gerade danach schreien, dass diese nicht nur wichtig für die Handlung werden, sondern auch dramatische Auswirkungen haben. Oder D’Onofrios merkwürdig unsympathischer Hoskins, bei dem man ständig das Gefühl hat, dass sein Ende ein Unschönes sein könnte. Hoskins ist ausnahmsweise keine Figur vom Militär, aber eine, welche sich so benimmt. Das führt im Film zu einigen Verwirrungen, weil das Drehbuch vollkommen offen lässt, welcher Charakter für welche Verantwortungen zuständig ist. Das muss nach der Dramaturgie des Filmes so sein, weil man sich nach allen Seiten die Möglichkeiten offen halten wollte. Es gibt in JURASSIC WORLD eine Menge Charakter, welche für irgend etwas verantwortlich sind. Dies ist allerdings so unklar beschrieben, dass es nach Handlungsbedarf beliebig eingesetzt werden kann.
Der Grundsatz einer Fortsetzung ist, dass es stets größer und aufwendiger inszeniert werden muss. Oder durch originellere Einfälle aufgewertet wird. JURASSIC WORLD scheitert daran, größer sein zu wollen, als seine Vorgänger. Man beachte nur die Dinosaurier-Arten, there is always a bigger fish. Eine bittere Ironie in JURASSIC WORLD ist seine eigene Grundprämisse. Der Vergnügungspark JURASSIC WORLD kann sich finanziell nur dann immer wieder über Wasser halten, wenn die Betreiber stets schauerlichere, monströsere Saurier schaffen. Dadurch gerät das Gefüge im Park ins Wanken. Man züchtet dort keine Dinosaurier mehr, sondern erzeugt absonderliche Hybriden aus verschiedenen Gen-Poolen. Dies deckt sich mit dem Grundgedanken der Produktion von WORLD, wo der Film lange nicht mehr mit PARKs eigentlicher Faszination seine Zuschauer binden kann. Die künstlich erschaffenen Attraktionen in diesem Film spiegeln sehr genau wieder, was diese Produktion plagt. Claire leitet ein großes Unternehmen und ist gezwungen auf eventuell anstehende Besucherrückgänge reagieren zu können. Genauso musste die Produktion des Filmes nicht nur Fans der Vorgänger überzeugen, sondern eine ganz neue Generation von Zuschauern locken, die mit fotorealistischen Filmeffekten aufgewachsen sind.
Der Park selbst ist fantastisch. Hier haben die Set-Designer um Ed Verreaux großartiges geleistet, um die Park-Atmosphäre realistisch zu gestalten. Aber auch das Einbinden der Ruinen des ersten Parks ist eine wunderbare Idee der Produktion gewesen. Attraktive, bekannte Schauspieler sind dabei, und es findet sich der ein oder andere flotte Einzeiler. Was kann also schief gehen, bei einem Film dieser Größenordnung?
Einfach: Ihm fehlt die Magie. Wenn der Zuschauer von der neuen Attraktion Indominus Rex anfänglich immer nur Schatten und wackelndes Gehölz sieht, dann ist das lediglich eine Wiederholung des Spannungsaufbaus von JURASSIC PARK mit dem T‑Rex. In Dialogen wird behauptet, dass John Hammonds erster Park nicht funktioniert habe. Was natürlich falsch ist, denn die Katastrophe wurde erst durch die Gier des Computerspezialisten Dennis Nedry in Gang gesetzt, und die Kette der Ereignisse wurde immer weiter durch menschliches Verhalten beeinflusst. Und das ist die größte Schwäche von JURASSIC WORLD: Keine der Figuren hat irgend einen Einfluss auf die Handlung. Ob die Kinder, die ständig gejagt werden, oder die Erwachsenen, welche den Kindern erfolglos hinterher hecheln. Selbst der letzte aufopferungsvolle Mitarbeiter im Kontrollzentrum drückt nur einen Knopf, den jeder hätte drücken können, aber damit seine selbstlose Anwesenheit rechtfertigt. Der Indominus Rex bricht aus, der Indominus Rex mordet sich über die Insel, der Dinosaurier Indominus Rex wird von anderen Dinosauriern zur Strecke gebracht. Die Charaktere hetzen stets neben den Geschehnissen her, ohne die Handlung dabei in eine andere Richtung bringen zu können. Am Ende sieht man einen Flugzeughangar wo die 20.000 Besucher des Parks untergebracht sind. Hunderte sind verletzt, nur die vier Hauptdarsteller, welche den ganzen Film hindurch von Dinosauriern gehetzt und angegriffen wurden, sind unverletzt.
Das dies der Anfang einer neuen Trilogie sein soll, wird in bestimmten Szenen nur all zu deutlich. Aber dazu müssen sich die Macher einiges einfallen lassen. Besonders Steven Spielberg, für den dieser vierte Teil eine Herzensangelegenheit war, sollte sich zurück besinnen, was seine früheren Filme wie UMHEIMLICHE BEGEGNUNG, E.T. oder eben JURASSIC PARK ausmachten. Dieser Zauber, den man mit den manipulativen Mitteln des Kinos entfachen kann. Das Spektakel ist in all seiner Herrlichkeit gegeben, allein die Magie fehlt.
JURASSIC WORLD
Darsteller: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Omar Sy, Irrfan Khan, Judy Greer, Vincent D’Onofrio, Jake Johnson, Nick Robinson, Ty Simpkins u.a.
Regie: Colin Trevorrow
Drehbuch: Rick Jaffa, Amanda Silver, Colin Trevorrow, Derek Connolly
Kamera: John Schwartzman
Bildschnitt: Kevin Stitt
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Ed Verreaux
124 Minuten
USA 2015
Promofotos Copyright Universal International Pictures