Fantasy Filmfest 2012: ALL COPS ARE BASTARDS als Widerruf seines Titels

Von allen Fil­men auf dem dies­jäh­ri­gen Fan­ta­sy Film­fest dürf­te die­ser einer der­je­ni­gen sein, die am wenigs­ten Fan­ta­sy sind. Am 12. Okto­ber fei­ert er in Deutsch­land sei­ne DVD-Pre­miè­re. Lei­der. Denn die­ser Film hät­te in Deutsch­land einen Kino-Ver­lei­her mehr als ver­dient. Von allen Fil­men auf dem dies­jäh­ri­gen Fan­ta­sy Film­fest, war die­ser einer der beein­dru­ckends­ten.

Soweit man weiß, ist die A.C.A.B.-Paro­le eng­li­schen Ursprungs, die mit ihrer Aus­sa­ge „all cops are bas­tards“ den irri­gen Unmut des Pro­le­ta­ri­ats gegen­über der Staats­macht pro­pa­gan­die­ren soll. Spielt aber auch kei­ne Rol­le mehr, denn der auf unzäh­li­ge Beton­wän­de gespray­te A.C.A.B.-Schriftzug hat längst den Weg der Glo­ba­li­sie­rung genom­men. Man kennt bri­ti­sche Fil­me zuhauf, die sich mit den schmut­zi­gen, aber grim­mig ehr­li­chen Sei­ten von Hoo­li­gan-Sze­ne, Poli­zei-Gewalt oder Sozi­al­hil­fe­emp­fän­gern aus­ein­an­der­set­zen. ATTACK THE BLOCK war einer die­ser Fil­me, zudem Publi­kums­lieb­ling des Film­fes­tes 2011. Der hat­te aller­dings Außer­ir­di­sche. Die braucht A.C.A.B. nicht, der wirkt mit sei­nem ein­neh­mend scho­ckie­ren­den Rea­lis­mus schon fremd genug. Zudem kommt er aus einem Land, das sonst auf the­ma­tisch ganz ande­rem Gebiet hei­misch ist. So wie der 2008 auf­se­hen­er­re­gen­de GOMORRHA.

Im Mit­tel­punkt steht eine ein­ge­schwo­re­ne Gemein­schaft von ita­lie­ni­schen Bereit­schafts­po­li­zis­ten, die jede Woche den Kopf hin­hal­ten muss, um ran­da­lie­ren­de Fuß­ball­fans in Schach zu hal­ten, oder gele­gent­li­che Demons­tra­tio­nen nicht aus­ufern zu las­sen. Wann und wenn immer sich der Volks­zorn ent­lädt, dann ent­lädt er sich am Puf­fer zwi­schen den Fron­ten. Das ist die undank­ba­re Arbeit der Bereit­schafts­po­li­zei, die mit ihrem idea­lis­ti­schen Grund­ge­dan­ken zur Ziel­schei­be von auf­ge­stau­tem Aggres­si­ons­po­ten­zi­al wird. Von Idea­lis­mus gepräg­te Men­schen ver­kom­men zu Opfern fehl­ge­lei­te­ter Sozi­al­struk­tu­ren. Die Gesell­schaft degra­diert mit ihrem poli­ti­schen Stumpf­sinn die­je­ni­gen zu Ziel­schei­ben ihrer irre­ge­lei­te­ten Per­sön­lich­keits­an­sprü­che, die im Diens­te genau die­ser Gesell­schaft eigent­lich die Inte­gri­tät des Indi­vi­du­ums und des­sen Rech­te schüt­zen soll­te.

Die Haupt­dar­stel­ler sind fan­tas­tisch. Was Regis­seur Sol­li­ma um sich geschart hat, ist ein über­wäl­ti­gend rea­lis­ti­sches Ensem­ble von Cha­rak­ter­köp­fen, die den Film mit über­zeu­gen­der Ehr­lich­keit ver­edeln. Aber dabei geht es nicht um die hohe Schu­le von Schau­spiel­kunst, son­dern um die höchst­mög­li­che Glaub­wür­dig­keit gegen­über dem Publi­kum. Das ist, was die­sen Film aus­macht, er möch­te kein Ver­ständ­nis wecken, kei­ne Par­tei ergrei­fen. Die Bul­len haben durch­aus Dreck am Ste­cken. Ihre Dienst­aus­wei­se nut­zen sie durch­aus auch für per­sön­li­che Anlie­gen. Doch auch die­se »Aus­rei­ßer« wer­den aus­ge­löst von ego­is­ti­schen Ent­glei­sun­gen einer dege­ne­rier­ten Gesell­schaft.

An man­chen Stel­len tra­gen Pao­lo Car­ne­ras all­zu grü­ne Bil­der von Leucht­stoff­röh­ren-Beleuch­tung ein­fach zu dick auf, und gestal­ten nur eine über­trie­be­ne Atmo­sphä­re von Rea­lis­mus. Doch das tut der Dra­ma­tur­gie kei­nen Abbruch. Ste­fa­no Sol­li­ma ist ein ner­ven­auf­rei­ben­der Action-Film gelun­gen, der ohne expli­zi­te Action-Sze­nen aus­kommt. Er ver­zich­tet sogar auf eigent­lich ver­lo­cken­de Gewalt­bil­der. Die Kunst in der Insze­nie­rung liegt dar­in, dass man die the­ma­ti­sier­te Gewalt als Dar­stel­lung über­haupt nicht ver­misst. Wo sind die Bul­len, wenn man sie braucht?, heißt es, wenn es für einen per­sön­lich blöd läuft. Ihr habt wohl nicht Bes­se­res zu tun, ist dann der Spruch, wenn man selbst bei Regel­über­schrei­tun­gen erwischt wird. Zwi­schen die­sen Extre­men bewe­gen sich die Ord­nungs­hü­ter der ita­lie­ni­schen Bereit­schafts­po­li­zei. Und der Poli­zei über­all auf der Welt. Eine gesell­schaft­li­che Akzep­tanz ist nur gewähr­leis­tet, wenn sie einen nicht per­sön­lich betrifft. Die­ser Film hält allen einen Spie­gel vor, die ihre eige­nen Inter­es­sen über das All­ge­mein­wohl gestellt sehen möch­ten. So sim­pel ist er, so geni­al funk­tio­niert er. Dass er dabei in kei­ner Minu­te den Zei­ge­fin­ger erhebt, mora­li­siert, oder Stel­lung bezieht, macht ihn nur noch ein­dring­li­cher.

Das sind die bes­ten Momen­te des Fan­ta­sy Film­fests. Wenn mit Fil­men, wel­che von Ver­lei­hern sträf­lich miss­ach­tet wer­den, das Ver­sa­gen eben die­ser Ver­lei­her ver­deut­licht wird. A.C.A.B. war bis­her ein auf Wän­de gesprüh­ter Wider­sinn, mit die­sem Film aller­dings wird er zu einem Akt der Selbst­re­fle­xi­on für den Zuschau­er.  Nicht die Bul­len sind das Pro­blem, son­dern der, der zu blöd ist, sich sei­ne eige­nen Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen.

ALL COPS ARE BASTARDS
Dar­stel­ler: Pier­fran­ces­co Favi­no, Filip­po Nigro, Mar­co Gial­li­ni, Andrea Sar­to­ret­ti, Dome­ni­co Die­le, Rober­ta Spa­gnuo­lo, Euge­nio Mastrand­rea, Era­dis Josen­de Ober­to, Car­lo Mari­no Alto­mon­te u.v.a.
Regie: Ste­fa­no Sol­li­ma
Dreh­buch: Danie­le Cesa­ra­no, Bar­ba­ra Petro­nio, Leo­nar­do Valen­ti, nach dem Buch von Car­lo Boni­ni
Kame­ra: Pao­lo Car­ne­ra
Bild­schnitt: Patri­zio Maro­ne
Musik: Moka­de­lic
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Pao­lo Comen­ci­ni
zir­ka 112 Minu­ten
Ita­li­en 2012

 

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