War Guy Pearce in den letzten Jahren immer weiter zum Mainstream-Einerlei abgerutscht, kann er als wortkarger Eric mit spürbaren Hass im Blut, wieder zeigen, was ihn einst in die oberste Liga von Charakter-Darstellern brachte. Zugegeben ist David Michôds Regie in Sachen Tempo wirklich kein Action-Vehikel, doch er gibt seinen Darstellern reichlich Zeit, sich als Schauspieler zu profilieren. Bei Pearce sind es feine Nuancen, manchmal Bruchteile von Sekunden, die das Innenleben seiner Figur beschreiben. Und wenn er den drei Gangstern, die in seinem Wagen sitzen, hinter herschaut, dann sieht man nicht nur, sondern spürt die unverhohlene Wut, die seinen Charakter überfällt. THE ROVER ist im Vergleich zu ähnlich thematisch gelagerten Filmen extrem ruhig, und mit ungewöhnlich langen Einstellungen erzählt. Nicht der Schnitt gibt das Tempo vor, sondern das Handeln seiner Hauptfigur. Immer wieder folgt die Kamera seinem Weg, mit Blick über die Schulter. Und immer wieder glaubt man zu wissen, was er als nächstes tun wird. Doch der Zuschauer kennt die eigentliche Motivation von Eric nicht, und das macht ihn unberechenbar. Und genauso unberechenbar, kann David Michôd auch seine Überraschungsmomente ausspielen. Wer die Szene mit dem Kleinwüchsigen kennt, weiß Bescheid.
Von »sensationell« bis »reinste Zeitverschwendung« musste THE ROVER bisher jeder Kritik einstecken. Doch die Wahrheit liegt tatsächlich irgendwo dazwischen. Robert Pattinsons Beitrag macht es dem Film nicht einfacher. Wer gutes Genre-Kino haben will, macht einen Bogen um Filme mit ehemaligen TWILIGHT-Stars. Grundsätzlich ist das eine irrgeleitete Meinung, und zudem zeigt David Michôd, was man mit einem missverstandenen Teenie-Idol wirklich erreichen kann, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Hier treffen zwei unterschiedlich zu beurteilende Punkte von THE ROVER aufeinander. Zum einen, das Pattinson als minderbemittelter, und von seiner Familie betrogener Rey, ein wirklicher Charakter-Darsteller sein kann. Und zum anderen, dass sich Regie und Schnitt allen aktuellen Konventionen des Action-Kinos entziehen. Lange, elegische Einstellungen, kühl strukturierte Bilder, den Zuschauer herausfordernde Interpretationsmöglichkeiten. Daraus ergibt sich ein Szenario, das alles Mögliche, und keine Kalkulationen zulässt.
Leider wird THE ROVER dem allgemeinen Publikum nie im Kino zugänglich werden, und damit verpasst dieses ein herausragend photographiertes Erlebnis. Sei es auf der einen Seite die Szene mit dem überschlagenden Auto, oder anderseits das endzeitlich anmutende Licht, welches sich gerade in den Nachtszenen mit grün fluoreszierenden Leuchtstoffröhren in den Vordergrund schiebt. Wer immer bei THE ROVER für seine technischen Bereich verantwortlich war, hat diese Aufgabe in der Best möglichen Form umgesetzt. Das mag durchaus nicht jedem gefallen, deswegen sei Vorsicht angeraten. Aber ein neugieriger Blick könnte durchaus belohnt werden. Denn was bindet Eric so verbissen an sein Auto, dass sein Leben dafür geben würde? Wenn es die Schlauen im Kino auch schon zu vermuten glauben, bleibt es dann tatsächlich eine überraschende Wendung.
THE ROVER
Darsteller: Guy Pearce, Robert Pattinson, Susan Prior, Scoot McNairy, Tawanda Manyimo, David Field, Scott Perry u.a.
Regie: David Michôd
Drehbuch: David Michôd, Joel Edgerton
Kamera: Natasha Braier
Bildschnitt: Peter Sciberras
Musik: Antony Partos
Produktionsdesign: Josephine Ford
Australia – USA / 2014
113 Minuten
Bildrechte: A24 / Telepool