Camp as camp can: THE SUICIDE SQUAD

THE SUICIDE SQUAD – Deutsch­land­start 05.08.2021

Mal ernst­haft, James Gunn, das hat­te ich noch nie. Ich kom­me aus dem Kino und den­ke mir spon­tan: Ich habe kei­ne Ahnung, wie ich das bespre­chen soll. Denn die 2021er Ver­si­on von THE SUICIDE SQUAD (dem Film aus 2016 fehlt das »The«) ist so der­ma­ßen skur­ril und absurd, dass man kaum weiß, wo man anfan­gen soll. Und auch nicht wo man auf­hö­ren soll, ohne zu spoilern.

Eins kann man aber ein­deu­tig sagen: THE SUICIDE SQUAD ist eine der­art unver­schäm­te Anein­an­der­rei­hung von nur halb­gar durch eine Art roten Fadens zusam­men­ge­hal­te­nen Sze­nen, dass es rei­ne rei­ne Freu­de ist.

War­ner hat­ten bis­lang mit den meis­ten ihrer Super­hel­den­fil­me ein Pro­blem: Den Stock im Hin­tern. Zack Sny­der hat­te der­ma­ßen viel damit zu tun, Grim­dark zu insze­nie­ren, dass der Humor und eine drin­gend nöti­ge Locker­heit auf der Stre­cke blie­ben. Bei AQUAMAN und WONDER WOMAN schie­nen sie dann ver­stan­den zu haben, wie man es machen muss, um das beim luft­lee­ren und mei­ner Ansicht nach sehr ärger­li­chen WONDER WOMAN 84 gleich wie­der zu verkacken.

Dann war da noch SUICIDE SQUAD (2016) und im Prin­zip bereits ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung, am Ende dann zwar ein okay-Film und unter­halt­sam, aber mehr eben nicht, denn er kam zu unin­spi­riert und zurück­ge­nom­men daher und schöpf­te sein Poten­ti­al nicht aus. Dazu kam dann noch der aus wel­chen Grün­den auch immer gehyp­te Jared Leto als einer der schlech­tes­ten Joker ever. Das geht besser.

Wer sich ein wenig für Mar­vels Cine­ma­tic Uni­ver­se inter­es­siert, der weiß, dass es Que­re­len um den GUARDIANS OF THE GALA­XY-Regis­seur James Gunn gab. Ich möch­te die Sto­ry hier nicht noch­mal aus­brei­ten, aber die führ­ten dazu dass das Maus-Haus Gunn acht­kan­tig raus­schmiss – und nach Pro­tes­ten von Schau­spie­lern und Kol­le­gen spä­ter wie­der ein­stell­te. Trotz­dem war Gunn erst ein­mal arbeits­los, hat­te Zeit für ande­re Pro­jek­te und bei War­ner sah man die Chan­ce und griff sofort zu. So kam Gunn in den Regie­stuhl zu SUICIDE SQUAD 2021.

Und wenn man sich das fer­ti­ge Pro­dukt ansieht, kann man kon­sta­tie­ren, dass sie den Mann nicht nur ange­heu­ert, son­dern auch gleich von der Lei­ne gelas­sen haben. Denn er tut in SUICIDE SQUAD genau das, was er auch bei GUARDIANS tat: Mit Erwar­tun­gen spie­len und sie nicht erfül­len. Skur­ri­li­tä­ten und Uner­war­te­tes ohne Ende ein­bau­en. DC-Super­schur­ken the­ma­ti­sie­ren, die ande­re nicht mal mit einem ganz lan­gen Haken ange­fasst hät­ten. Pol­ka-Dot-Man, anyo­ne? Mal ehr­lich: Wer außer Hard­core-DC-Fans hat­te von dem schon mal gehört? King Shark? Nom nom?

Und das von der Lei­ne las­sen mei­ne ich in jeder Hin­sicht ernst. Wie in der Comic­vor­la­ge spart der Regis­seur nicht an gra­fi­scher Gewalt, da geht es bemer­kens­wert zur Sache, in einer Art, die man bis­lang höchs­tens von DEADPOOL kann­te. Das ist – wie es sich für ein Camp-Movie gehört – nicht an der Gren­ze zum schlech­ten Geschmack, son­dern stel­len­wei­se gleich weit dar­über hin­aus. Zart­be­sai­te­ten kann man des­we­gen vom Kino­be­such nur drin­gend abraten.
Man muss an die­ser Stel­le aller­dings auch gleich kon­sta­tie­ren, dass das alles so maxi­mal unrea­lis­tisch über­zo­gen ist und auch von der­ma­ßen viel über­bor­den­der Absur­di­tät umge­ben, dass man die gory Gewalt wirk­lich nicht ernst neh­men kann. Den­noch ist die Alters­frei­ga­be der FSK ab 16 mehr als gerecht­fer­tigt und bei der Frei­ga­be ab 12 in Öster­reich muss man sich fra­gen, ob die Ver­ant­wort­li­chen dort die­se Ent­schei­dung nach dem has­ti­gen Genuss von zuviel Maril­len­geist getrof­fen haben. Denn das geht gar nicht.

Wie Gunn mit den Erwar­tun­gen spielt und sie umge­hend bricht, zeigt sich dann auch gleich in der Eröff­nungs­se­quenz, in der uns Prot­ago­nis­ten aus­führ­lich vor­ge­stellt wer­den. Und an die­ser Stel­le muss ich den Absatz wegen der Spoilerge­fahr dann auch gleich wie­der abbrechen.

Gro­ße Teil der Dia­lo­ge sind Anein­an­der­rei­hun­gen von aus­ge­tausch­ten One­li­nern und Ein­zel­wor­ten (dar­un­ter reich­lich »Fuck«), die aller­dings in der Inter­ak­ti­on und auch als Situa­ti­ons­ko­mik oft rasend komisch sind. Ja, es wird viel gelacht im Publi­kum, auch dann, wenn auf der Lein­wand gera­de mal wie­der ein Gesicht abfällt. Dass man von den Mit­schur­ken stän­dig Sprü­che gedrückt bekommt ist übri­gens beson­ders ärger­lich, wenn man eine Klo­bril­le auf dem Kopf trägt …

Bis­wei­len ent­ste­hen dann aber auch län­ge­re Dia­lo­ge und an den Stel­len zeigt Gunn, dass es neben all der irren Action der Irren eben auch mög­lich ist, mal lei­se­re und nach­denk­li­che Töne anzu­schla­gen. Kri­tik an zahl­lo­sen frag­wür­di­gen Aus­lands-Maß­nah­men der USA der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te tritt sogar im Ver­lauf des Film deut­lich zutage.

Bei einem Strei­fen um eine Son­der­ein­heit von Super­schur­ken, die als Kom­man­do­un­ter­neh­men los­zie­hen, um … etwas zu tun, kann man sich vor­stel­len, dass Action­se­quen­zen nicht nur Neben­schau­plät­ze sind. Ins­be­son­de­re gegen Ende über­schla­gen sich die Ereig­nis­se. Erfreu­li­cher­wei­se ist das alles aber so gut insze­niert und cho­reo­gra­fiert, dass man als Zuschaue­rin nie den Über­blick ver­liert, man weiß meist wer war­um wo ist – und an ein paar weni­gen Stel­len, bei denen das nicht der Fall ist, war das auch so geplant und ergibt als Span­nungs­auf­bau oder für die Dra­ma­tik Sinn. Und auch wäh­rend der hek­ti­schen Action ist immer wie­der Zeit für Gags, ich sag nur »Kai­ju-Mom« …

THE SUICIDE SQUAD ist ein hoch­un­ter­halt­sa­mer Camp-Film mit vie­len uner­war­te­ten Wen­dun­gen und einer der­ma­ßen absur­den Hand­lung, dass man Gunn leicht ver­gibt, wenn es sich streng genom­men nur um eine Anein­an­der­rei­hung von gro­tes­ken Sze­nen han­delt. Mehr braucht der Film nicht und der rote Faden ist vor­han­den, auch wenn man ihn nur häpp­chen­wei­se ser­viert bekommt und er erst gegen Ende etwas deut­li­cher wird.

Prä­di­kat: äußerst sehens­wert – wenn man das Gen­re und des­sen kon­se­quen­te Umset­zung ver­trägt. Gäbe es vor dem Start Trig­ger­war­nun­gen, wären die umfangreich.

Schau an, dafür dass ich nicht wuss­te, wie ich THE SUICIDE SQUAD bespre­chen soll, ist der Text doch ganz schön läng­lich geworden.

p.s.: Übri­gens wird es auf HBO Max eine Spin­off-Serie um Peace­ma­ker geben, die James Gunn nach dem Film »aus Spaß« geschrie­ben hat und die von War­ner sofort auf­ge­kauft wur­de. In die­sem Zusam­men­hang neben­bei erwähnt: es haben wie­der ein paar Ahnungs­lo­se den Kino­saal vor dem Ende des Abspanns verlassen …

THE SUICIDE SQUAD
Beset­zung: Idris ElbaJohn CenaDavid Dast­mal­chi­anMar­got Rob­bieVio­la DavisJoel Kin­na­manSyl­ves­ter Stal­lo­ne (als Stim­me von King Shark), Micha­el Roo­kerJohn Ost­ran­derNathan Fil­li­onJai Court­ney, Flu­la BorgMay­ling NgPete David­sonSean Gunn (als Wea­sel) u.v.a.m.
Regie: James Gunn
Dreh­buch: James Gunn
Pro­du­zen­ten: Charles RovenPeter Safran,
Aus­füh­ren­de Pro­du­zen­ten: Wal­ter Hama­daNiko­las Kor­daDebo­rah Sny­derZack Sny­derRichard Suck­le
Kame­ra: Hen­ry Braham
Schnitt: Fred Ras­kinChris­ti­an Wagner
Musik: John Mur­phy
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Beth Mick­le
Cas­ting: Yini­va Car­de­nasJohn Papsi­de­ra
132 Minuten
USA 2021

Bild­rech­te: War­ner Bros.

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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