Bandit bespricht: THE SUICIDE SQUAD

THE SUICIDE SQUAD – Bun­des­start 05.08.2021

Die Älte­ren unter uns wer­den sich noch erin­nern, wie wir geschluchzt und geheult haben, als Tri­ni Lopez in DAS DRECKIGE DUTZEND für die Mis­si­on sein Leben ließ. Die­ses dre­cki­ge Dut­zend war ein Him­mel­fahrts­kom­man­do. James Gunn gönnt uns die­se Zeit zum Heu­len und Schluch­zen nicht. Jeden­falls nach den ers­ten acht Minu­ten nicht mehr, denn vor­her lässt er ein Mit­glied sei­ner eige­nen Selbst­mord­bri­ga­de drauf gehen. Aus­ge­rech­net den Cha­rak­ter, mit dem man uns täusch­te, er wür­de den Film über den meis­ten Spaß berei­ten. Wir sind ent­setzt und wir wis­sen Bescheid: James Gunn nimmt kei­ne Gefan­ge­nen. Noch ein paar Minu­ten frü­her muss­te schon ein ande­res pos­sier­li­ches Tier­chen ster­ben. Für des­sen Tod wer­den wir Zuschau­er spä­ter auf absur­de Wei­se Genug­tu­ung erfah­ren. Es ist ein gro­tes­kes Gewit­ter an Gefüh­len und kine­ma­to­gra­fi­schem Over­kill. Und dies alles schon bevor über­haupt der Film­ti­tel auf der Lein­wand leuchtet.

Ober­fläch­lich betrach­tet, ver­wun­dert es ein klei­nes biss­chen, dass Gunn für Mar­vel GUARDIANS OF THE GALAXY machen durf­te. Sein insze­na­to­ri­sches Gespür für Timing und Detail, aber gleich­zei­ti­gen Mut unge­wöhn­li­che Din­ge ein­fach zu wagen, über­zeugt immer wie­der. Nur die the­ma­ti­sche Aus­wahl sei­ner Stof­fe war bis­wei­len nicht gera­de kon­form mit der Mas­sen­taug­lich­keit. Doch wer bei Lloyd Kauf­mans Tro­ma Enter­tain­ment ange­fan­gen hat, wür­de wohl auch einen Baum und einen Wasch­bä­ren über­zeu­gend zum spre­chen brin­gen können.

Man darf ohne Über­trei­bung behaup­ten, dass die GUARDIANS im Mar­vel-Uni­ver­sum das dar­stel­len, was nur zwei Jah­re spä­ter DEADPOOL bei den X‑MEN sein durf­te. Aus­ge­nom­men der Blut- und Gewalt­ex­zes­se. Ein gro­ßer Schritt weg von der fami­liä­ren Ver­trau­lich­keit und dem gere­gel­ten Gang, dass alles gut gehen wird. THE SUICIDE SQUAD schlägt dabei noch einen gewal­ti­gen Haken in Rich­tung der­ber Erwach­se­nen­un­ter­hal­tung. Die­se Stra­ße führt ins Vier­tel, wo Fami­li­en­taug­lich­keit außer Kraft gesetzt ist und das edle Hel­den­epos kei­nen Platz hat.

Trotz allem ver­zich­tet John Mur­phys Musik nicht auf heroi­sche Patho­sklän­ge. Und James Gunn insze­niert mehr­mals den Hel­den­gang in Zeit­lu­pe. Die bei­ßen­de Iro­nie tra­gen die jewei­li­gen Sze­nen stolz vor sich her. Aller­dings ist die Kunst dabei, es trotz der merk­lich scherz­haf­ten Über­trei­bung auf­re­gend und groß­ar­tig wir­ken zu las­sen. Den kurio­sen Mix von ver­trau­ten Hand­lungs­ele­men­ten, fil­mi­scher Sati­re und bos­haf­ter Anar­chie fügt der Regis­seur zu einem durch­weg ein­neh­men­den Spek­ta­kel zusam­men. Wo selbst die hart­ge­sot­tens­ten Nerds und ver­wöhn­tes­ten Pedan­ten alle Stu­fen von Gemüts­re­gung durchlaufen.

Wel­cher Film bringt es schon fer­tig, dass man ein manns­gro­ßes Wie­sel noch viel nied­li­cher fin­det, wenn man in einem Neben­satz erfährt, dass es 27 Kin­der umge­bracht hat? Es ist die Unbe­re­chen­bar­keit in der Erzäh­lung und im Hand­lungs­ver­lauf, die von Anfang an einen bizar­ren Charme aus­übt. Sel­ten wird so uner­war­tet gestor­ben, viel sel­te­ner sieht man so viel Blut – und kaum wird man dabei so köst­lich unter­hal­ten. Das hat zu Recht etwas ver­werf­li­ches, aber mit einem Schmun­zeln. Wenn Peace­ma­ker ledig­lich mit Unter­ho­se beklei­det im Dschun­gel Gefah­ren abwehrt, dann ist das genau der Humor, mit dem das Selbst­mord­kom­man­do über­zeugt. Immer stim­mig zu den Situa­tio­nen, viel lie­ber sub­til, anstatt laut­stark überzogen.

Und selbst wenn das Wie­sel sei­nen Penis zur Schau stellt, dann steht eini­ges dahin­ter. Die wenigs­ten Zuschau­er wer­den die­se offen­her­zi­ge Blö­ße zur Kennt­nis neh­men, es ist auch in kei­ner Wei­se hand­lungs­re­le­vant. Aber es ist die­ser klei­ne Penis der die rie­si­ge Hin­ga­be der Macher und spe­zi­ell James Gunn per­fekt ver­an­schau­licht. Sie gehen alle­samt den gan­zen Weg, mit vol­lem Enga­ge­ment. Da pas­sen Tem­po und Pro­duk­ti­ons­auf­wand, nichts wird dem Zufall über­las­sen und das bis ins kleins­te Detail. Als klei­ne Stol­per­fal­le für alle Zuschau­er sei noch ange­merkt, wenn Mil­ton stirbt, dann sind die unter­schied­li­chen Reak­tio­nen rund­her­um per­fekt auf die jewei­li­gen Cha­rak­te­re hin insze­niert. Es ist ja schließ­lich auch höchst unge­wöhn­lich, dass sich aus­ge­rech­net das Böse in sei­ner letz­ten Sekun­de sein frü­he­res Dasein betrau­ert: »Ich war glück­lich beim Schwe­ben, und die Ster­ne anzusehen.«

Wem all die­se hoch­tra­ben­den Wor­te zu über­trie­ben und ein­falls­los enthu­si­as­tisch erschei­nen, der darf zu recht miss­trau­isch sein. Ein biss­chen so wie bei THE SUICIDE SQUAD, wo man eini­ges erhofft, vie­les erwar­tet und alles bekommt, nur abso­lut verdreht.

THE SUICIDE SQUAD
Dar­stel­ler: Idris Elba, John Cena, Micha­el Roo­ker, Syl­ves­ter Stal­lo­ne, Joel Kin­ne­man, Vio­la Davis, Peter Capal­di, David Dast­mal­chi­an, Danie­la Mel­chi­or, Mar­got Rob­bie, Jai Court­ney u.a.
Dreh­buch & Regie: James Gunn
Kame­ra: Hen­ry Braham
Bild­schnitt: Fred Ras­kin, Chris­ti­an Wagner
Musik: John Murphy
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Beth Mickle
132 Minuten
USA 2021

Bild­rech­te: WARNER BROS

AutorIn: Bandit

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